Kapitel 68

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"Es tut mir so unglaublich leid." Wieder und wieder entschuldigte sich meine Schwester. Ich lag in einem Bett in der Krankenstation unseres Rudels und war kaum in der Lage, mich zu bewegen. Mein gesamter rechter Arm war entweder gebrochen oder verstaucht, ausgerenkt oder ausgekugelt, aufgerissen oder zertrümmert. Ich war mir nicht ganz sicher, ich konnte Auralia bei ihrer Behandlung kaum folgen.
Sie mag zwar ein guter Druide sein, aber ihre Behandlungsmethoden sind äußerst fragwürdig. Sie hat einfach meinen Arm genommen und erneut gebrochen, um den heraussteheneden Knochen wieder in meinen Arm zu schieben. Meine Regeneration setzte dann zwar endlich ein, aber der Prozess war mehr als unangenehm.
Schwach streckte ich meinen linken Arm aus und nahm die Hand meiner Schwester. Sie zitterte. "Ist schon okay. Du konntest es nicht wissen. Ich gebe dir nicht die Schuld." Ich hörte meine schwache Stimme, wie aus weiter Entfernung, aber ich stand zu jedem meiner Worte.
Doch Jiaki schüttelte den Kopf. "Ich hätte es besser wissen müssen. Ich bin doch deine große Schwester und muss dich beschützen und nicht dir schaden."
"Wie alt bist du?"
Verwirrt starrte Jiaki von unseren verschränkten Händen zu mir. "28, wieso?"
"Dann kannst du noch nicht alles wissen. Selbst Druiden und sehr alten Kitsunes ist es unmöglich, alles zu wissen. Du bist da keine Ausnahme. Jeder macht doch mal Fehler, aber nicht alle sind beabsichtigt." Ich lächelte sie schwach an.
Sie wusste, was ich meinte. Meine Worte galten zwar ihr, aber sie konnten sich auch auf Leon beziehen. Nicht jeder fatale Schaden wurde mit Absicht angerichtet. Manchmal wusste man es nur nicht besser. Man war naiv und jung und wenn man es nicht auf verschiedene Wege lernte, wie sollte man es dann?
"Werden wir dann später fortfahren?" Schwerfällig setzte ich mich auf und zog meine Hand zurück. Sofort erhielt ich einen tadelnden Blick meiner Schwester.
"Ich werde mit dir nicht in diesem Zustand trainieren. Du bist dich ausruhen!" Entschlossen verschränkte sie die Arme und starrte mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Du bist verletzt und ich werde nicht gegen dich in diesem Zustand kämpfen. Du kannst nur noch fatalere Verletzungen davon tragen. Am Ende kannst du deinen Arm nie wieder benutzen. Außerdem hat irgendjemand unseren Trainingsraum zerstört."
Ihre Worte entlockten mir ein leichten Lachen. Sie hatte zwar recht, aber meine Regeneration war nicht die eines kleinen Kindes. Ich konnte sie sehr gut kontrollieren und wenn ich wollte, konnten gewissen Stellen schneller heilen als andere. Diese Fähigkeit hat mir früher nicht unbedingt viel gebracht, aber nachdem ich von den Darachs entführt wurde, stellte sie sich als sehr nützlich heraus.
Wenn dir pro Tag nur gewisse Körperteile aufgeschnitten werde, dann reicht auch die Regeneration an diesen Stellen und nicht am gesamten Körper.
Und aus diesem Grund zog ich Decke weg und sprang aus meinem Bett. Sofort hörte ich meine Schwester schockiert die Luft einziehen. Doch als sie nach meinem Arm greifen wollte, um mich zu stützen, wich ich ihr nur leichtfüßig aus. "Mir geht's gut, Ki." Lachend zwinkerte ich ihr zu, aber das ignorierte sie.
Sofort wollte sie wieder nach meinem Arm greifen und ich wich ihr erneut aus. Mit einem Satz kam sie näher auf mich zu und ich drehte schnell um und riss die Tür auf. Verwirrt starrte mich Auralia mit einem Blech voller Medikamente an. Ich schob sie jedoch nur panisch weg und rannte den Flur entlang.
Ich hatte einen Heimvorteil, da es immer noch unser Haus war und ich länger als Jiaki in diesen Mauern gelebt habe. Aber sie war sehr schnell und konnte mir geschickt folgen. Ich gelangte ins Wohnzimmer, in dem meine Mutter fragend den Blick hob. Als sie mich sah und Jiaki mir direkt folgte, senkte sie wieder desinteressiert den Blick.
Sie hatte mich aus den Trümmern aus Blut, Putz und Metall getragen. Ich hatte zwar das Bewusstsein verloren, aber ich konnte es spüren. Ich spürte die Präsenz eines mächtigen Naguals an meiner Seite und ich wusste auch, dass meine Mutter diejenige war, die Auralia Hinweise gegeben hat.
Aus irgendeinem Grund heilten die Wunden nicht, die ich mir in diesem Trancezustand zugezogen habe und um meine Wunden zu heilen, mussten mir Verletzungen in dieser Welt zugefügt werden. Es zwar sehr unangenehm, gebrochene Knochen gebrochen zu bekommen, aber es funktionierte und das wusste meine Mutter. Ich fragte mich, wie sie diese Erkenntnisse gewonnen hat.
Sie ignorierte mich zwar, aber als ich Jiakis Hand an meiner Schulter spürte, sprang ich wie ein schockierter Hase auf und dann direkt auf meine Mutter, die mich mit großen Augen auffing. "Was ist denn hier los?" Verwirrt schaute sie zu mir, die sich mit einem bandagierten Arm in ihre Arme warf, und dann zu Jiaki, die mit leuchtenden Augen im Türrahmen stand und mich knurrend betrachtete. Als sie verstand, nahm sie mich lachend in den Arm.
Ein nostalgisches Gefühl machte sich in meiner Brust breit. Es war so lange her, dass sie mich derart in den Arm nahm. Ich wusste gar nicht, wie sehr ich dieses vertraute Gefühl der mütterlichen Liebe vermisst habe.
"WIR HABEN EIN PROBLEM." Als diese Stimme erlang, erschrak ich mich so sehr, dass ich aus den Armen meiner Mutter nach hinten fiel und mit dem Kopf auf dem kleinen Couchtisch aufschlug, der vor mir und meiner Mutter stand.
Aber die Panik in der Stimme ließ mich das sofort vergessen und ich merkte, wie wir alle zur Eingangstür starrten. Dort erschienen Marco und Tyler. Ihre Augen leuchteten gold und blau, als sie außer Atem den Raum betraten und eine gekrümmte Gestalt in unsere Richtung stießen. "Wo ist Peter?" Schrie Tyler sofort und warf sich auf die sich windende Person.
Es war ein junger Mann in Thomas' Alter, doch kein Mitglied unseres Rudels oder unserer Verbündeten. Das konnte man an seiner unverkennbaren Feindseligkeit erkennen, die den Geruch von Wald und Blut überdeckte.
"Ich bin hier." Dominant und erhaben erschien mein Vater im Raum und merkte eine zweite Feindseligkeit aufkommen. Doch diese ging nur von Jiaki aus, weshalb ich ihr kaum Beachtung schenkte. Sofort wurden die braunen Augen meines Vater, denen meine so ähnelten, rot und mit einem Knurren lief er auf die gekrümmte Gestalt zu.
Tyler hatte seine Arme gepackt und in zwei verschiedene Richtung gerenkt, während Marco seine Beine aneinanderpresste, damit er sie nicht mehr bewegen konnte. Als Vater zu diesem Mann lief, konnte ich den panischen Herzschlag des jungen Mannes hören, doch sein Gesichtsausdruck blieb eisern.
Er hätte jeder Wolf in unserem Rudel sein können. Er hatte verstrubbelte braune Haare, ein schönes Gesicht und einen beneidenswerten Kampfgeist in seinen Augen. Er hätte ein alter Freund von mir sein können, aber er strahlte einen bodenlosen Hass aus, als Vater sich vor ihn hockte und sein Gesicht packte, um es genauer zu betrachten. "Wer ist der Junge?"
Bei der kleinsten Berührung konnte ich ein Aussetzen in seinem Rhythmus hören. Die Augen des jungen Mannes nahmen einen hellen Ton an und dann bemerkte ich, dass er, wie Marco, unnatürlich blaue Augen besaß.
"Ein Kojote." Beantwortete mir meine Mutter meine unausgesprochene Frage. Waren die Kojoten nicht unsere Verbündeten? Warum behandelten sie ihn, wie einen Gefangenen und warum strahlte er eine solche Feindseligkeit aus? Wollten Marco und Lord Silverstone nicht ins ehemalige Rudel von Marcel? So schnell konnten doch alle Erledigungen nicht geregelt sein.
"Wir haben ihn im Nolan-Rudel entdeckt. Er hatte mein Rudel für einige Tage tyrannisiert. Aber deshalb bin ich nicht hier. Schau dir das an." Als Tyler den Fremden so drehte, dass wir ihm alle auf den Oberkörper schauen konnte, riss er ihm das vermoderte Hemd vom Leib und offenbarte uns seine nackte Brust. Auf dieser weißen Brust war ein tiefschwarzes Mal zu sehen. Es wirkte einerseits wie ein Tattoo und andererseits wie verwaschene Farbe, aber ich war mir einer Sache bewusst. Dieses Mal würde Unheil bringen.
"Ich..." Zischte der Mann und versuchte die Hand meines Vaters abwimmeln, als dieser seine Brust berühren wollte.
"Fass das nicht an!" Panisch warf Auralia eine Glasflasche nach meinem Vater, welche klirrend an der Haustür zersprang und ihn in seiner Bewegung stoppen ließ. "Wenn du das anfässt, wirst du ebenfalls davon befallen. Das ist ein Mal der dunkeln Druiden!"
Sofort zuckten die drei Wölfe vom Mann zurück. Dieser grinste siegesbewusst und erhob sich langsam, als ihn keiner mehr aufhalten konnte. "Ich bin ein Bote der Darachs." Seine Stimme war wie das Zischen einer Schlange. Bedrohlich, hypnotisierend und angsteinflößend. "Ich habe eine Nachricht für den schwarzen Wolf." Langsam hob er seinen Arm und zeigte auf meinen Vater, der ihn knurrend betrachtete. "Die Darachs erklären euch den Krieg und werden in sechs Monaten ihren Angriff starten. Für die Rückkehr der Hybriden, die Macht unserer Welt und die Rache für unseren Verbündeten, Marcel Nolan. Seit bis dahin bereit und bietet ihnen eine glorreiche Schlacht oder geht unter, wie es auch die Wendigowak getan haben!"
Mein Vater zögerte nicht und packte sofort die Kehle des Boten. Das überraschte die Silverstones so sehr, dass sie ihm nur auswichen und der junge Mann gegen die Wand hinter ihm gestoßen wurde.
Sofort packte meine Mutter meinen unverletzten Arm und wollte mich wegziehen, aber ich wollte nicht gehen. Das war ein Bote meiner persönlichen Feinde. Ich wollte wissen, was sie im Schilde führten.
"Wie hast du von Marcel erfahren? Wie bist du hierher gekommen und warum wurdest du geschickt?" Mein Vater brüllte ihn mit seiner Alphastimme an, aber der Mann schwieg. Er war ein Kojote und zeigte deshalb keine Reaktion auf einen derartige Befehl. Er grinste ihn nur an. "REDE!" Doch der Mann schwieg nur.
Ich schaute kurz zu Jiaki hinüber. Sie kannte sich bestimmt mit solchen Situationen aus. Was würde sie machen, wenn der Gefangene nicht redet? Doch Jiaki observierte nur die Situation genau und erschauderte plötzlich. "Peter, er hat sich die Zunge abgebissen!" Sofort lief sie los und schob unseren Vater beiseite.
Der Kojote war viel zu verwirrt, als dass er was hätte unternehmen können, und schon riss Jiaki seinen Mund auf und steckte ihre Hand in seinen Rachen. Der Kojote krümmte sich und begann zu röcheln. Es war ein furchtbares Geräusch. Er wollte sich aufbäumen und gegen sie ankämpfen, aber sie ließ es nicht zu.
"Er darf sich nicht ersticken." Energisch fuhr ihre Hand noch weiter in seinen Rachen und ich sah, wie die Augen des Boten sich weiteten und es seinen Kopf zur Seite warf. Ein ekelhafter Geruch von Erbrochenem erfüllte den Raum und die Tatsache, dass der Mann seine eigene Zunge erbrach, ließ mich schaudern. War das Krieg?
Etwas erleichtert ließ Jiaki von ihm ab, als er nur noch hustend am Boden lag und versuchte, nicht an seinem Blut zu ersticken.
"Lady Miyarayo!" Verwirrt schaute ich in die Richtung, in der Auralia stand, aber dort war sie nicht mehr. In einer unnatürlich schnellen Geschwindigkeit hatte sie die Entfernung zwischen sich und meiner Schwester überbrückt und zog sie an ihrem Nacken vom Kojoten. Überrascht ließ sie es geschehen und verkrampfte sich sofort.
Der junge Mann bäumte sich auf und schlug in alle Richtungen. Das Mal auf seiner Brust breitete sich aus und zog sich über seinen gesamten Körper. Er schrie vor Schmerz auf, spuckte Blut und raufte sich die Haare. Ich konnte den puren Schmerz in seinen blauen Augen sehen. Doch diese Augen verdunkelten sich. Der gesamte Glaskörper wurde schwarze und schien in sich zu zerfallen. Seine Haut riss, wie brüchiges Porzellan und eine schwarze Masse drang aus diesen Öffnungen. Der Mann wand sich. Jiaki wollte ihn beruhigen, doch Auralia hielt sie bestimmt zurück. Und dann geschah es.
Es war, als würde sich die dunkle Masse durch seine Haut, durch sein Fleich und durch seine Knochen fressen. Seine Haut löste sich auf und er schien sich in Staub aufzulösen. Rotes Blut floss aus jedem Riss und der Mann schrie in unedlichen Schmerzen auf. Und verstummte.
Der Mann hatte sich vollständig vor unseren Augen aufgelöst.
Der Schrecken hatte uns gepackt und wir schwiegen. "Ist er..." Begann Marco schockiert, doch wagte es nicht, den Satz zu beenden.
"Ja." Bestätigte Auralia. "Dieser Mann ist gestorben." Auralia biss die Zähne zusammen. "Dieser junge Kojote wurde von den Darachs nur als Mittel zum Zweck ausgenutzt und dann mit einem Fluch getötet. Genau das ist der Grund, warum Darachs so gefürchtet sind. Sie spielen mit dem Leben anderer und opfern es für ihre eigene Zwecke und ihren Vorteil."
Wir schwiegen. Das waren also unsere Gegner, unsere Feinde. Eine Gruppierung aus dunklen Druiden und anderen übernatürlichen Wesen, die das Leben nicht schätzten und bereit waren, jedes Opfer einzugehen. Sie waren zu allem bereit.
Ich merkte, wie ich zu zittern begann. Dieser Mann hätte jeder sein können. Jeder hätte an seiner Stelle sterben können. Er war im gleichen Alter, wie mein großer Bruder und der Gedanke daran, dass er es genauso gut hätte sein können, erfüllte mich mit Angst. Er hatte die Möglichkeit alt zu werden und nur, weil er als einmaliger Bote dienen sollte, wurde ihm jede Chance auf ein langes Leben genommen. Diese Gegner waren grausam.
Und nun hatten sie uns den Krieg erklärt, welcher in sechs Monaten beginnen wird.

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt