Kapitel 26

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Ich warf meine Blätter in die Luft und ließ sie alle auf mich fallen. "Ist das nicht ein herrliches Wetter? Es ist Spätherbst, aber es regnet nicht und hat auch eine angenehme Temperatur. Was braucht man mehr zum Lernen?" Erfreut drückte ich mich noch etwas näher an einen Baum und legte strahlend ein Buch auf meinen Schoß.
"Jaja, Isabelle, ganz tolles Wetter." Grummelte Liv und ich konnte sehen, dass sie irgendwas beschäftigte, aber wir hatten Aufgaben bekommen!
"Liv, jetzt sei nicht so bockig. Dann haben wir den ganzen Tag nur Stammkunde, aber das muss bei deinem Wissensstand auch so sein. Du scheinst überhaupt keine Ahnung von nichts zu haben." Ich warf ihr ein Buch entgegen, aber sie reagierte nicht, weshalb es gegen ihre Schulter flog und offen ins Gras fiel.
Gelangweilt drehte sie sich zu dem Buch und schaute auf die aufgeschlagene Seite. "Lernt ihr etwas jetzt etwas über die Wendigowak?" Lawrence erschien über Liv und schaute mit ihr gemeinsam in das Buch. Dort war eine Zeichnung zu sehen, die etwas abstrus wirkte. Es war ein riesiges Wesen mit viel zu dünnen Extremitäten, einem Geweih, das aussah, als würde es aus seinem Schädel wachsen und blutunterlaufenden Augen, die seelenlos durch die Gegend schauten.
"Das sind Wendigowak?" Nuschelte Liv verwundert. Immer wenn sie gelangweilt war, stützte sie ihr Kinn mit einer Hand ab und schob etwas ihre Lippe damit hervor, was dafür sorgte, dass sie nicht mehr so klar reden konnte und stark nuschelte.
"Ja, wisst ihr denn etwa nicht, wo die herkommen? Warum sind die neuen Jahrgänge so unwissend?" Verwunderte hockte er sich hinter Liv und stützte seinen Kopf auf ihren ab.
"Vermutlich, weil wir mehr mit dem Leben der Menschen zu tun haben als mit unserer Herkunft, aber dafür gibt es ja das Internat." Ich zuckte mit den Schulter und schlug ebenfalls die Seite der Wendigowak auf.
"Du willst uns doch sicherlich mehr über dein Erbe erzählen, nicht wahr?" Engelsgleich strahlte Liv ihn an, aber er winkte lachend ab.
"Du willst doch nur nicht deine Aufgabe richtig machen." Er erhob sich derweil und setzte schon zum Gehen an, da packte Liv seinen Arm und zog ihn wieder zurück.
"James sagte lediglich, dass wir über alle Familie etwas in Erfahrung bringen sollen und gab uns dafür die Bücher. Er hat nie gesagt, dass wir sie auch nutzen müssen. Also erzähl mal, was ist dein Erbe?"
Ich musste schmunzeln. Liv hörte zwar nur selten zu, aber wenn sie es mal tat, sollten wir es bereuen, denn sie würde es nicht mehr vergessen und zu ihrem Vorteil nutzen.
"Was macht ihr da wieder für Unfug?" Ein blauer Kopf erschien hinter einem Berghang und wir konnten Alex dabei beobachten, wie sie den Berg zu uns hinaufstieg mit einigen Erfrischungsgetränken. Dankend nahmen wir diese an.
"Olivia redet sich bestimmt wieder aus ihren Pflichten heraus." Lachte Marco und ich konnte sehen, wie er Leon im Schlepptau hatte.
"Wer will denn sonst noch kommen und mir mein Wissen stehlen?" Lachend ließ sich Lawrence ins Gras fallen und beobachtete wie sich letztendlich auch Leon hinsetzte und holte dann tief Luft. "Im Gegensatz zu den Werwölfe, Kojoten und Nagual weiß man von Wendigowak wo sie herkommen. Alte Legenden besagen, dass Wendigowak früher Todesgeister gewesen sind, welche von Menschen Besitz ergriffen haben, um sie in den Wahnsinn zu treiben und sie zu zwingen, das Fleisch ihrer Angehörigen zu fressen. Wenn die Geister dann aber verschwanden und die Kannibalen zurückblieben, trieb es diese meistens in den Wahnsinn und sie wurden selbst zu diesen Wesen. Und immer wenn ihre unreine Seele erneut Menschenfleisch kosten durfte, erlangten sie noch mehr Stärke. Wendigowak können auch noch heutzutage von anderen Besitz ergreifen, aber machen sie das genauso wenig, wie Menschenfleisch fressen, da sie sonst von allen verstoßen werden würde und das die Ausrottung einer Spezies hieße."
"Und warum erzählen die Wölfe dann rum, dass du sie fressen wirst?" Verwunderte legte Liv ihren Kopf schief.
"Weil sie Angst vor dem haben, was hätte sein können. Sie verachten ihn, da er anders ist." Hasserfüllt starrte Alex zu dem Internat, als ich zu ihr schaute. Ihr schien wirklich etwas an Lawrence zu liegen.
"Das ist aber nicht so schlimm. Ich musste mir schon viel schlimmeres anhören und das von Menschen, deren Meinung mir viel mehr bedeutete als von solchen präpubertären Kindern." Grinsend schaute er uns an, aber ich sah etwas in diesem Lächeln. Es schrie vor Schmerz auf, es war wie ein verzweifelter Ruf nach Hilfe, aber es konnte niemanden erreichen. Ich konnte es förmlich lesen. Ich konnte die Worte auf seinen Lippen lesen, die er nicht auszusprechen wagte. 'Meine Mitschüler können mich nicht so sehr verletzen, wie es meine Eltern getan haben oder mich so sehr hassen, wie ich mich selbst hasse.'
"Aber mir geht immer noch nicht aus dem Kopf, was es mit diesen Tests auf sich hat." Murmelte Liv und als wir zu ihr sahen, wirkte sie so, als hätte sie es nicht aussprechen wollen. "Also- ich meine-" Stammelte sie panisch. "OK... die Wahrheit ist, dass ich diesen Test nie gemacht habe. Da bin ich mir zu 100% sicher, aber die Frage ist, warum nicht?"
Alex nahm einen Schluck ihres Getränks und starrte etwas gedankenverloren auf das Buch. "Ich wundere mich auch, da James gelogen hat. Den Test macht man nicht als Kind, sondern kurz bevor man die Erlaubnis zum Eintritt des Internats erhält."
Schockiert starrte ich Alex an. Ich hatte diesen Test auch nie gemacht. Was hat das zu bedeuten?
"Ich habe den Test auch nicht gemacht." Meldete sich zu meiner Überraschung Leon zu Worte.
"Das ist komisch. Hat unsere Schule irgendwas ausgeheckt oder warum haben einige den Test, der Pflicht ist, nicht gemacht?" Etwas geheimnistuerisch beugte sich Marco vor und flüsterte uns diese Worte schon fast zu.
"Wenn ihr wollt, könnt ihr diesen Test nachträglich machen. Ich hab noch welche bei mir Zuhause. Ihr wisst bestimmt auch, dass ich der einzige Morgan-Schüler bin, also müssen wir keine Angst haben, erwischt zu werden." Meldete sich Lawrence zu Worte. Er war zu gut für diese Welt. Er erinnerte mich mit dieser hilfsbreiten Art so stark an Max und Menschen, wie die Beiden, hat diese Welt nicht verdient. Diese Welt drohte immer, solche Menschen zu zerstören, zu brechen. So wie sie es mit meiner Adoptivschwester Liv getan hat.
"Warum hast du solche Tests? Tante Penny würde es doch niemals erlauben, dass Schüler an diese wichtigen Unterlagen gelangen." Misstrauisch hob Marco die Augenbrauen.
"Ihr dürft das niemanden verraten, aber Vincent hat uns diese Tests gebracht. Er meinte, ich dürfte meinen Test mit Laws vertauschen, wenn alle Stricke reißen." Entschuldigend senkte Alex den Kopf. "Es ist nur so, dass er immer so alleine ist und ich mich eh nicht wohl fühle im Whitenight Haus. Ich möchte zu ihm wechseln, aber das geht nur, wenn es mein Test erlaubt. Vincent hat uns dann eben diese Tests gebracht und deshalb haben wir noch einige Zuhause."
Zuhause. Sie sagte nicht bei Lawrence oder im Morgan Haus. Hatte sie kein Zuhause oder war Lawrence ihr zuhause? Waren die Beiden etwas Mates?
Lachend schüttelte Marco den Kopf. "Ihr seid mir vielleicht welche. Habt so viel Vertrauen darin, dass der Neffe der Direktorin euch nicht verpfeift. Aber ich werde nichts sagen. Lasst uns einfach diese Tests machen. Das ist das Recht der Blackstorm-Kinder!" Aufgeregt klatschte er in die Hände und sprang auf. "Jetzt ist nur noch die Frage, wo ihr wohnt."

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