Kapitel 69

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Mein Name ist Lawrence Morgan und ich bin der Erbe der Wendigowak.
Es  ist mittlerweile einige Wochen her, seitdem ich das Blackstorm-Revier  betreten habe. Wenn ich mich nicht irre, dann sind es an die zwei  Monate oder mehr, die ich hier schon lebe.
Die meiste Zeit befanden wir uns in der Stadt. Wir sagten immer nur 'in der Stadt unten', aber meinten damit eigentlich das Zentrum von Nalawe. Nalawe wird auch als die Heimant der schwarzen Wölfe bezeichnet, jedenfalls sagten das die Kitsunes. Nalawe war zwar ein großes Land, in dem mehrere Rudel ihren Sitz hatten, aber die Blackstorms waren praktisch die Präsidenten. Es gab keinen Rat oder so, aber sollte es essentielle Probleme geben, dann würde sich jeder Alpha an Peter Blackstorm oder dem amtierenden Alpha der Blackstorms wenden. Und wir durften von dieser Familie unterrichtet und trainiert werden.
Ich konnte innerhalb dieser kurzen Zeit deutlich sehen, wie jeder in seinem Element erblühte. Besonders Alex hatte ihren Spaß. Sie war schon damals, als sie das Internat das erste Mal betrat, sehr begeisterungsfähig. Ich bin nur ein Jahr älter als sie, aber der Unterschied zwischen unseren Kräften ist gewaltig.
Alex ist schnell und geschickt. Sie kann angreifen mit Leichtigkeit ausweichen oder diese abwehren. Ein Gegenangriff ist für sie ein Leichtes und das alles in ihrer menschlichen Form. Ich bin zwar kein erfahrener Kämpfer, aber sie würde ich zu einem Kommandaten in meiner Armee ernennen, wenn ich mich an jemanden wenden müsste.
Die anderen waren auch sehr beneidenswert, doch es gab ein Problem.
Ich war grauenhaft.
Ich kann mich nicht daran erinnern, so schrecklich im Nahkampf gewesen zu sein. Ein Schlag und ich lag am Boden. Es ist wirklich beschämend, wie weit ich unter dem Durchschnitt lag. Dabei bin ich doch ein Erbe und müsste meine Spezies vertreten. Wieso konnten mich unerfahrene Kinder besiegen? Das war einfach nur peinlich.
"Morgan!" In einem scharfen Ton befahl mir eine Stimme, meinen Kopf zu heben und sofort stand ich auf. Wir lernten in den zwei Monaten, dass wir immer auf die Stimme unserer Vorgesetzten und Trainer hören sollten. Ihr Wort war unser Gesetz. Es war erstaunlich, da besonders die Kojoten sich daran erhielten. Sie waren eigentlich Einzelgänger, aber in Zeiten wie diesen wirkten sie wie eine einzige Elitetruppe.
Unsere Vorgsetzten waren die Erben Lady Miyarayo, Yako-Sama und Sir Henry sowie Thomas und Tyra. Sie waren unsere Lehrer in den verschiedensten Bereichen des Kampfes und weil wir ihnen so viel verdanken und schulden, erbringen wir ihnen den nötigen Respekt, der ihnen zusteht.
"Yako-Sama, wie kann ich ihnen behilflich sein?" Ich steckte keine Emotionen in die Worte. Wir wurden nicht nur physisch, sondern auch mental geschult. Die Kojoten zeigte uns, emotionslose Bestien in der Natur zu sein, und die Kitsune zeigten es uns für die Gesellschaft der Menschen.
"Meine Füchse sind beschäftigt und du erzielst sowieso nicht die gewünschten Leistungen. Geh mit Archer Jayden-San zu den Blackstorms und gibt das Protokoll ab." Ich wusste, dass diese Worte keine persönliche Beleidigung waren. Sie sagte es auch mit einer monotonen Neutralität, als hätte sie nur etwas Uninteressantes entdeckt, aber die Tatsache, dass sie recht hatte, schmerzte in meiner Brust.
Aber das war unwichtig und spielte keine Rolle. Ich nahm das Protokoll nickend an und Yako-Sama verließ den Platz. Sie war wie eine menschliche Puppe. Sie wirkte so leer, aber irgendwas an ihr zeigte mir ihr Leben. Ihre flammenden Augen wirkten, wie ein erloschenes Feuer und ihre Stimme war monoton und träge, aber ihr gesamtes Auftreten zeigte mir, dass sie leben und kämpfen wollte, aber für was und für wen? Sie war wie eine Marionette der Erwartungen, die sich losreißen wollte. Ihre Augen schienen etwas hinter dem Horizont zu betrachten.
Schnell sprang ich auf und lief die Gasse entlang, die mich zum Hügel führte. Wir bezeichneten die Stadt nicht nur als da unten, sie war auch unten. Das Blackstorm-Haus befand sich auf einem grünen Hügel und war schwierig zu erklimmen, weshalb es als eine sehr komfortable Basis der Anführer galt.
Am Ende der Gasse erwartete mich schon eine große Gestalt. Es war ein Mann Ende seiner zwanziger. Er trug eine einfach Cargohose und ein enges T-Shirt, das seinen kräftigen Oberkörper deutlich abzeichnete. Er sah nicht schlecht aus und seine braunen Augen, die einen rötlichen Hauch besaßen, waren auch sehr hypnotisierend, aber ich mochte ihn nicht besonders.
"Heute mit ihnen, Sir Morgan?" Sir Morgan. Werwölfe nutzten Lady und Lord, um ihre Höhergestellten oder unbekannte Personen anzusprechen, während Kojoten Sir und Madam nutzten. Es war immer noch sehr verwirrend und egal wie oft ich ihn bat, mich nur Lawrence zu nennen, wimmelte er meine Worte nur ab.
"Ja, heute mit mir." Bestätigte ich leise. Er war ein sehr höflicher Mann und pflichtbewusst, aber er war mir etwas zu pflichtbewusst. Er stellte seine Missionen über alles und folgte fast schon zwanghaft den Plänen seiner Vorgesetzten. Er galt als der beste Krieger der Kojoten und war ein direkter Untergestellter Sir Henrys. Am Anfang bewunderte ich ihn noch, da er so stark und erfahren war, aber als er eines Tages gegen Shang kämpfte, verlor ich jeglichen Respekt vor ihm.
Wir unterhielten uns nicht. Es war immerhin kein Teil unserer Mission. Wenn er nicht den Auftrag erhielt, würde er sich auch um nichts anderes kümmern und um ehrlich zu sein, war es mir auch gleich. Ich will nicht, wie ein bockiges Kind klingen, aber Shang stand mir sehr nahe und die Art und Weise, wie Sir Archer ihn behandelt hatte, ließ mich einfach nicht los.
Nach einer unangenehmen Reise zu den Blackstorms erreichten wir endlich deren Haustür und ohne zu zögern klopfte ich an. Ich wollte es endlich hinter mich bringen.
Und zu meiner Überraschung wurde die Tür direkt geöffnet und zwei braune Augen blickten mir entgegen. "Wie kann ich den Herren helfen?" Fragte die raue Stimme der kleinen Gestalt, nachdem sie uns genau gemustert hatte. Sie öffnete die Tür nicht ganz, nur soweit, dass sie etwas sehen konnte und wir keinen Blick in die Räumlichkeiten erhaschen konnten.
"Befindet sich Sir Peter, nein, Lord Blackstorm in diesen Gemächern?" Grinsend stellte ich fest, dass auch die Kojoten viele Probleme damit hatten, die richtigen Präfixe zu erlernen. Jedoch konnte ich nicht laut loslachen, da er keineswegs einen Witz riss, sondern den braunen Augen nur einen matten Blick aus seinen rötlichen Augen schenkte.
"Ja." Die Person stoppte und richtete ihren Blick auf mich. "Hat Alex etwas nach ihrem Daddy gefragt?" Grinsend öffnete die Person die Tür und ich konnte die kleine Olivia in einer Militärhose und einem schwarzen T-Shirt entdecken.
Ich erwiderte ihr Grinsen, aber Sir Archer schien das nicht sonderlich amüsant zu finden. Sein Gesicht, das sonst immer einen dunklen Taint hatte, färbte sich rötlich und er schaute schockiert von Olivia zu mir. "Madam, das ist keine angemessene Weise zu sprechen. Bitte unterlassen sie diese Privatkonversationen und führt mich zu dem Alpha der Blackstorms." Er versuchte sich wieder zu fassen. Tief atmete er ein und schob seine Brille geschickt zurück auf seine Nase und schaute Olivia mit einem beherrschten Blick an. "Führt uns bitte zu eurem Alpha."
"Macht, was ihr wollt. Ich wollte eh etwas trainieren gehen. Der Alpha ist in seinem Büro." Und mit diesen Worten und einem leichten Schulterzucken trat Olivia beiseite und ließ uns eintreten. Sie sagte das Wort 'Alpha' meiner Meinung nach sehr fragwürdig, aber ich ging nicht genauer darauf ein.
"Die Protokolle?" Sofort fiel Sir Archer auf seine Knie und ich tat es ihm zu meiner Überraschung gleich. Olivia betrachtete uns derweil nur mit einer gehobenen Augenbraue.
Sir Archer wollte etwas sagen und schnell seine Mission erfüllen, doch stoppte mit einem schockierten Gesichtsausdruck. Sollten Kojoten nicht besser darin sein, ihre Gefühle zu verbergen oder zu kontrollieren? Verwirrt folgte ich seinem Blick und verstand sofort, warum er so verstört wirkte.
Peter Blackstorm, der Anführer von Nalawe, der Alpha der schwarzen Wölfe, gefürchtet im ganzen Land, ein skrupelloser Krieger und Mörder stand vor uns, nachdem er die Treppe heruntergelaufen war, und trug nichts weiter als eine Boxershort. Er wirkte sehr müde und so, als wäre er eben erst aus dem Bett gefallen. Wieso nahm er in dieser Verfassung die Vertreter seiner Verbündeten in Empfang?

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt