Lawrence und der andere Typ wirkten, als hätten sie einen Geist gesehen. Dabei stand nur mein Vater in seiner Unterwäsche vor ihnen. Ich verstand zwar, dass es ein überraschender Anblick war, aber das war kein Grund, meinen Vater mit so großen Augen anzustarren.
"Wollt ihr mich noch weiterhin betrachten oder erhalte ich die Protokolle?" Mein Vater verschränkte seine Arme und schaute die beiden ungeduldig an. Ich wusste nicht, warum er heute so außer Form wirkte, aber es war lustig. Er spielte zwar immer den starken Alpha, aber ich konnte mich noch leicht an eine Zeit erinnern, als er jeden Tag so wirkte. Etwas verwirrt und überfordert, steigert sich gerne in Dinge hinein und ist leidenschaftlich bei der Sache. Ich mochte diese Seite meines Vaters, aber dann änderte sich alle durch meine Fähigkeiten und mein Vater zog sich aus dieser Welt der Emotionen zurück, um mein Überleben zu sichern.
"N-natürlich." Stotternd erhob sich der brünette Mann und stellte sich steif vor meinen Vater. "Jayden Archer, Sir. Kommandant und Stellvertreter der Kojoten. Die Kojoten und Kitsune, die ihre Prüfungen überstanden haben, sind stetig auf der Suche nach Hinweisen, dem Gegner und eurem Sohn. Jedoch muss ich sie enttäuschen, da wir bis jetzt nichts dergleichen gefunden haben. Die einzigen Informationen, die wir erhalten konnten, waren die schwarzen Male des Todes. Es scheint, alle Darach-Mitglieder tragen ein schwarzes Mal auf der Brust, das sie irgendwie mit dem Rudel verbindet. Sollten sie jedoch etwas verraten wollen oder gefangen genommen werden, so aktiviert sich das Mal und sie lösen sich in Asche auf. Wir haben noch keine Gegenmaßnahmen gefunden, aber wir werden uns bemühen, den Krieg schenllstmöglich zu beenden, ehe er begonnen hat."
Nun stand auch Lawrence auf, aber wirkte bei weitem entspannter als dieser Jayden Archer. "Wie ihr vielleicht wisst, wurde die Lupus Luna vor einigen Tagen attackiert. Lord Tyler Silverstone musste aufgrund dessen sein neugewonnenes Rudel verlassen und seine Schwester unterstützen. Er wird veraussichtlich die nächsten Wochen unpässlich sein. Wie Sir Archer schon erwähnte, ist es den Wölfen nicht möglich, jemanden gefangen zu nehmen und auszufragen, da sie sich sonst auflösen und sterben. Sonst kam noch die Nachricht rein, dass Lord Silverstone sein Rudel vollständig aus diesem Krieg halten möchte. Er persönlich wird uns mit all seinen Mitteln unterstützen und Marco wird ebenfalls teilnehmen, aber das Rudel selbst besteht aus unschuldigen und unbeteiligten Wölfen, weshalb es für sie keinen Grund gäbe, am Krieg der dunklen Mächte teilzunehmen."
Mein Vater hörte genau zu und unterbrach deren Berichte kein einziges mal. Ich hatte mich schon gefragt, wie sich Tyler entscheiden würde. Er redetete immer davon, dass er dieses Rudel nur abgeben möchte und keinerlei Intention besäße, es zu führen. Aber er war, wie ein grimmiger alter Mann, der eine Katz bekam. Er würde immer sagen, dass er sie nicht haben wolle, aber letztendlich würde diese Katze sein ein und alles werden.
"Gibt es sonst noch irgendwelche Berichte eurer Vorgesetzten?" Ein beherrschter Ton dominierte die Stimme meines Vaters und ich konnte sehen, wie die beiden Boten merklich zusammenzuckten.
"Yako-Sama braucht definitiv noch ihre Zeit, die Kitsunes auszubilden. Es stellte sich nach ihrer Aussage als schwierig heraus, ohne ihren Bruder alle Füchse zu unterrichten, weshalb sie froh sei, dass ihre Frau, Madam Caliria Miyarayo, ihr zur Seite steht. Sir Henry hat alles im Griff. In seiner Gruppierung befinden sich nur noch wenige, da die meisten bereits auf Erkundungsgängen sind. Madam Kyle hat ebenfalls alles im Griff und Sir Thomas Blackstorm scheint es gleich zu ergehen." Kurz überlegte Jayden Archer, hatte aber nichts weiter hinzuzufügen.
"Sehr gut. Bei mir gibt es jedoch nichts spannendes zu berichten. Die Whitenights befinden sich noch in Gefangenschaft, meine Töchter trainieren stetig und Auralia und Max sammeln Tag ein Tag aus das Wissen unserer Gegner. Wir haben nichts zu berichten, da wir ohne einen Leichnahm der Darachs oder eines Rudelitglieds keine Informationen gewinnen können. Wegtreten." Eine Hand schoss nach vorne und mein Vater zeigte bestimmt auf die Tür. "Aber bevor ihr geht," Ernst blickte er von Lawrence Morgan zu Jayden Archer. "Nehmt Olivia mit. Schönen Tag noch."
Schockiert starrte ich meinem Vater hinterher.
"Was soll das denn heißen? Ki wollte mit mir heute trainieren. Du kannst mich nicht einfach wegschicken, nur weil es dir beliebt!" Wütend wollte ich ihm nachlaufen und ihn zur Rede stellen. Er konnte mich doch nicht einfach aus meinem eigenen Heim werfen.
Doch sofort spürte ich zwei Arme um meiner Taille und wurde in sekundenschnelle aus meinem Haus getragen. "Verzeiht mir, Madam Olivia, aber es war ein Befehl des Alphas." Die Worte Jaydens sollten vermutlich entschuldigend wirken, aber sie waren so monoton, dass sie schon fast gelangweilt klangen.
Aber ich kämpfte nicht dagegen an und ließ mich einfach fallen, als er mich losließ. Was sollte ich schon großartig dagegen unternehmen? "Und jetzt?" Fragend schaute ich beide an. Sie hatten mich rausgezerrt, dann sollten sie auch besser einen Plan haben, was nun geschehen sollte.
"Du..." Überlegend und etwas verwirrt schaute sich Lawrence in der Umgebung um. "kommst einfach mit?" Er schenkte mir ein breites Lächeln, aber es wirkte eher, wie eine Grimasse, die sehr unangenehm wirkte, da er peinlich berührt war. Das war definitiv eine Lüge.
Genervt seufzte ich. Eigentlich hatte ich nicht vor, das Haus zu verlassen, wie in den letzten zwei Wochen, aber es war wohl nötig. Ich wusste nicht, warum mein Vater unbedingt wollte, dass ich so früh am Vormittag mich bewege und meine Leute treffen. Es war doch kein besonderer Tag.
"Meinetwegen. Ich habe Marco schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen." Schulterzuckend sprang ich auf und schaute Jayden direkt an. "Dann verratet mir mal, Kommandant Archer, wie lang ist der Weg zu eurer Basis?" Ich hatte nicht vor, einen so langen Weg in meiner menschlichen Gestalt hinter mich zu bringen.
Als ich noch kleiner war, pflegte ich es stets, mit Leon als Wolf die Stadt zu durchstreifen. Unser Haus lag auf einem Hügel und die Stadt wurde von einem Wald eingezäunt. Außerdem lagen auf dem Weg von oben nach unten viele Flüsse und Felsen, die die Reise erschwerten. Die Blackstorms würden sich einfach verwandeln und ihren vertrauten Weg abklappern, aber diese unwissenden Jungs würde diesen simplen Pfade mit Sicherheit nicht finden.
Ich wartete nicht auf seine Antwort. Ich legte nur meinen Kopf schief und ließ meine Knochen brechen. Dafür erntete ich einen schockierten Blick des Kommandanten, aber Lawrence wirkte alles andere als schockiert. Als ich mich krümmte und nach wenigen Sekunden als schwarzer Wolf vor ihnen stand, warf ich nur meinen Kopf in Richtung Wald, um ihnen zu zeigen, dass sie mir folgen sollten.
Sofort krümmte sich auch Lawrence und stand auch bald als Wolf mit sehr hellem braunen Fell und vollständig weißen Augen vor mir. Ich bewunderte diese Augen. Viele fürchteten sich vor dieser Farbe, da vollständig weiße Augen ein Zeichen der Wendigowak waren. Es gab in diesen Augen weder Iris noch Puppille und wenn man genau hinschaute, war der Glaskörper mit Adern durchzogen, was sie sehr unheimlichen erschienen ließen. Aber ich empfand diese Farbe als schön und nicht ekelerregend.
"Kinder..." Flüsterte Jayden und streckte seine Hand gen Himmel. Ich hatte noch nie beobachtet, wie sich Kojoten verwandelten. Ich wusste nur, dass Kitsunes von einer Art Feuer oder Rauch umhüllt werden und sie sich in diesem Qualm verwandeln. Werwölfe mussten sich alle Knochen brechen und Naguals fiel es immer sehr leicht, da ihre Werjaguargestalt ihrer menschlichen Gestalt sehr ähnelte. Ich bewunderte meine Schwester, da sie sich einfach nur konzentrieren musste und ihre Haut würde sich schon in das Fell der Naguals verwandeln. Aber ich fand auch die Kitsune-Verwandlung amüsant. Yako-Sama zeigte sie uns einst und ich hätte beinahe diesen Qualm eingeatmet, der laut ihrer Aussage mit der Zeit weniger werden würde, je erfahrener man ist.
Wenn ich jetzt genau darüber nachdachte, wollte ich doch nicht mit runter. Dort befanden sich viele unerfahrene Kitsunes, die sich nur mit Feuer und Rauch verwandeln können. Es musste dort sehr stickig sein und verbrannt riechen. Ich mochte starke Gerüche nicht. Was eine ungünstige Situation.
Doch als ich wieder zu Jayden sah, waren seine blauen Augen stumm erschienen und an seinem ausgestreckten Arm erschienen dichte Haare, die sich sofort zu Fell umwandelten. Er krümmte sich leicht, aber es brachen keine Knochen. Dann setzte er zum Sprung an und in diesem Sprung erfasste mich eine leichte Druckwelle und schon war der Mensch verschwunden und ein braun-schwarzer Kojote stand vor uns. Ich beneidete sie. Ihre Tiergestalt wurde praktisch nur über ihre menschliche Gestalt gelegt und wir Werwölfe mussten unsere Knochenstruktur grundlegend ändern. Manchmal wäre ich gerne etwas anderes als ein Werwolf.
Doch diesen Gedanken verwarf ich, als wir losliefen. Die paar Brüche würden die Vorteile unseres Lebens nicht neutralisieren und außerdem liebte ich es, als Wolf durch die Wälder zu streifen. Und als ich über den Boden des vertrauten Waldes rannte, hörte ich den vertrauten Klang des Heulens eines Wolfes. Hier war ich zuhause und hier würde ich mein Leben in Freiheit verbringen. Aber auch nur, sollte ich diesen Krieg überleben.
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...