"Es ist also wahr?" Missmutig stocherte Thomas Blackstorm in seinem Essen rum. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nach meiner Adoption die Blackstorm-Kinder nie als meine richtigen Geschwister angesehen habe. Ich liebte sie zwar alle als meine Familie, aber ich fühlte mich nie wie ein richtiger Teil dieser Familie. Aber sie so zerstritten und zerfallen zu sehen, begann sich auch auf mich auszuwirken. Ich wollte wieder eine glückliche Familien, auch wenn ich Teil der Gruppierung war, mit denen die Blackstorms seit Jahren im Streit lagen. Ich wollte die alten Zeiten wieder zurückhaben, auch wenn ich nur genervt von ihnen war. Ich wollte wieder Thomas in seiner pinken Schürze sehen, die er ohne alles trug. Ich wollte Leon wieder sehen, wie er ohne ein Geräusch von sich zu geben, an Leute heranschlich und ihnen einen Schrecken einjagte. Ich wollte Auralia wieder zurückhaben, die uns Anekdoten über dumme Ereignisse unserer Kindheit erzählte und damit Olivia demütigte, da sie mehr als nur ungeschickt war. Ich wollte mich wieder nur wegen einer Essensschlacht aufregen und nicht wegen eines Mordes. Ich wollte wieder Max mit einem kindlichen Strahlen in den Augen sehen, während er immer wieder die gleichen Geschichten erzählte, die wir alle mittlerweile zitieren konnten. Ich wollte die alten Zeiten zurückhaben, aber das war vermutlich unmöglich.
"Ja. Ich kam an dem Tag hier an. Eigentlich wollte ich mich noch etwas in Nalawe umsehen, aber es war gut, dass ich erst zum Alpha-Haus kam, da mein verehrter Schwager sonst nicht nur sein gutes Aussehen, sondern auch sein Leben verloren hätte." Lord Beaumons Worte wirkten zwar freundlich, aber die Art und Weise, wie er 'verehrter Schwager' und 'gutes Aussehen' sagte, wies mit einem Zaunpfahl darauf hin, dass er Lord Silverstone nicht wie ein Familienmitglied sah, sondern wie ein nerviges Anhängsel in seinem Leben. Aber nachdem ich erfahren habe, dass sich Lady Beaumon, seine Schwester und Frau des Silverstones, das Leben genommen hat aufgrund dieser Familie, kann ich ihm das nicht verübeln.
"Es ist eine Schande zu hören, dass ein Vertrauter zu so etwas im Stande ist." Betrübt schenkte Auraulia Liv einen leichten Seitenblick, aber meine beste Freundin starrte nur gedankenverloren auf ihr Essen. Sie schien nicht mehr ganz bei uns zu sein.
"Marcel hat also 90% unserer Pläne vereitelt." Kochend vor Wut stützte mein Vater seinen Kopf mit seinen Händen ab und starrte mit blutroten Augen zu Tyler. "Wieso hast du uns das nicht vorher gesagt? Du wusstest es doch bestimmt schon seit einer Weile."
Bedenkenlos zuckte Tyler mit den Schultern und griff nach einem Glas. "Natürlich wusste ich davon. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, kam er mir sehr verdächtig vor und nach wenigen Tagen verstand ich auch warum. Aber wenn ich es euch gesagt hätte, hättet ihr mir geglaubt? Ihr wisst immerhin vom Erbe der Whitenights und ich bin Teil dieses Rudels. Ihr hättet mir so niemals geglaubt."
Ich verkrampfte. Ich wollte Tyler nicht mögen oder bewundern, aber die Auffassungsgabe dieses Mannes war bewunderswert. Aber er war so rücksichtslos und skrupellos, dass ich mich von ihm fernhalten wollte. Und ich wollte ihn auch nicht mögen wegen der Dinge, die er Marco angetan hat.
Sofort wanderte mein Blick zu Marco. Er fühlte sich deutlich unwohl und selbst Shang hatte Probleme, ihn zu beruhigen. Die beiden waren schon niedlich zusammen und ich bedauerte es sehr, sie mit hineingezogen zu haben. Am liebsten hätte ich dieses Pärchen und das Morgan-Pärchen zu James und Kouhei geschoben, aber darüber hatte ich keine Entscheidungsgewalt und nun waren alle vier hier bei uns und befanden sich direkt in einem aufkommenden Krieg.
"Das sind jedoch interne Dinge, die keine Rolle mehr spielen." Mit einem lauten Knall machte eine junge Frau auf sich aufmerksam. Sie trug einen weiten Pullover, von dem ich ausging, dass er nicht ihr gehörte, und ihre Haare waren in einen sehr provisorischen Zopf gebunden. Ihr roten Augen wanderten durch die Runde, nachdem sie ihre Faust auf den Essenstisch geschlagen hatte. "Ich will euch nicht vorschreiben, was ihr zu tun habt, aber mein Bruder und ich sind extra aus Japan hierher gereist, um die schwarzen Wölfe im Kampf gegen die dunklen Druiden zu unterstützen, daher würde ich es bevorzugen, wenn wir uns wirklich damit auseinandersetzen würden."
Ein Murmel ging durch die Runde und ich hörte einige zögernd sagen, diese Frau sei ein Fuchsgeist und man solle sich vor ihr in Acht nehmen. Ich war mir nicht ganz sicher, wer das gesagt hat, aber das spielte auch keine Rolle. Ich wollte ebenfalls wissen, was nun die nächsten Schritte sein sollen.
Ernst starrte Peter zu seiner Frau, ehe er das Wort erhob und im bestimmten und selbstsicheren Ton zu uns sprach. "Wie ihr sicherlich wisst, haben die Darachs geplant, die Hybriden zu erwecken. Dafür haben sie mein Rudel persönlich geschädigt und das auf diverse Arten und Weisen. Sie haben mich gezwungen, meine erste Tochter zu opfern, meine Mutter ermordet, mich gezwungen, meinem ältesten Sohn sein Erbe der Miyarayos zu nehmen, meinen jüngsten Sohn dazu gezwungen, das Land zu verlassen und meine jüngste Tochter gejagt, gefangen, gefoltert und an ihr experimentiert. Es ist für mich auch eine persönliche Mission, sie auszulöschen, aber auch für euch wird das eine Rolle spielen. Hybriden werden so ähnlich sein wie Chimären. Sie werden stärker, mächtiger und unvorhersehbarer sein, als wir uns vorstellen können. Wenn sie jedoch von den dunklen Druiden geführt werden, kann man nicht sagen, in welche Richtung das führen wird. Darachs opfern Menschen für ihre Macht. Sie morden für ihre Kräfte und überschreiten Grenzen, die niemand überschreiten sollte. Wir müssen demnach nicht nur die Hybriden aufhalten, sondern auch die Darachs auslöschen, aber das schaffen wir nicht alleine." Peter stoppte und schaute zu Caliria.
"Das stimmt. Es ist anzunehmen, dass die Darachs mit mehreren Spezies zusammenarbeiten wie auch wir. Aufgrund der hinterlassenen Hinweise konnten Auralia und ich nicht nur herausfinden, dass sich in ihren Reihen Werwölfe und Darachs befinden, sondern auch Kojoten und Naguals. Das verkomplizierte unsere Lage, weshalb Thomas sich auf den Friedensvertrag berief und die Gründerfamilien um Hilfe bat. Ich hoffe, wir können auf eure Unterstützung hoffen." Erwartungsvoll schaute meine Mutter von Henry zu der jungen Frau und ihrem Bruder, der Liv von ihrem Platz vertrieben hatte. Doch dann wanderte ihr Blick auch langsam zu ihrer Tochter und dem Jäger.
"Natürlich. Es ist meine Pflicht und auch Ehre, an eurer Seite kämpfen zu können. Vielleicht erlebe ich ja was Tolles und sehe, wie Tyler ermordet wird, oder so." Mit einem engelsgleichen Lächeln legte der Beaumon-Erbe seinen Kopf schief und winkte seinem Schwager zu, der diesen Blick mit einem ähnlichen Grinsen erwiderte.
"Der Beaumon-Erbe hat recht. Es ist unsere Pflicht, euch zu unterstützen. Wir haben unsere Leute bei euren Wölfen untergebracht. Sie sind jederzeit bereit für euren Befehl. Die Füchse und Kojoten werden an eurer Seite kämpfen." Entschlossen nickte die junge Frau meinem Vater zu, welcher erleichtert ausatmete.
"Vielen Dank, Watanabe-San."
"Ich will euch ja nicht unterbrechen." Zögerlich hob ich meine Hand. "Aber es befinden sich mehr Erben an diesem Tisch." Flüchtig zeigte ich von mir zu Auralia, Max, Lawrence, Christopher, Livs Schwester und dem Jäger. "Wir haben zwar keine Krieger hinter uns, aber diese Variität der Kräfte kann in einem Krieg der sieben Familien bestimmt nützlich sein. Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber als Adoptivtochter der Blackstorms ist es für mich eine Selbstverständlichkeit für euch zu kämpfen. Es mag zwar bekannt sein, dass ich ebenfalls ein Whitenight bin, aber diese Familie hier ist für mich alles."
Schockiert stoppte ich, als sich Christopher mit einem knarrenden Stuhl erhob. "Das gilt auch für mich. Ich weiß nicht, inwiefern mein Vater mit diesen dunklen Druiden involviert ist, aber ich habe damit nichts zu tun. Olivia Blackstorm ist mein Mate und wenn ihr jemand etwas antut, werde ich für sie bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen. Selbst wenn ihr mir nicht vertrauen solltet, werde ich mein Alles für sie geben."
"Wie herzzerreißend." Es war das erste Mal, dass der Watanabe-Junge etwas sagte. Aber nun wünschte ich mir, er hätte weiterhin geschwiegen. Er wirkte so desinteressiert und gelangweilt, dass ich bezweifelte, er würde mit uns kämpfen. "Setz dich wieder hin, Kleiner. Ein einzelner Mann kann keinen Krieg gewinnen."
Ich spürte, wie Christopher sich auf den Tisch werfen wollte, um diesem Watanabe-Erben das Gesicht zu polieren, aber Tyra war schon aufgesprungen und richtete ihre Klinge auf seine Kehle. "Der Fuchs hat recht. Es war wirklich sehr herzzerreißend, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass du ein Whitenight bist und bleibst. Im Gegensatz zu der kleinen weißen Wölfin bist du nicht bei den Blackstorms großgeworden. Ich werde nicht eher ruhen können, ehe du nicht angekettet am Boden liegst."
Ein tiefes Knurren entstand in Christophers Kehle, aber er widersprach ihr nicht. "Ich stimme zu." Diese Worte ließen Tyras Klinge sinken. "Ich werde mich anketten lassen und ihr könnt mich solange aushören, wie ihr wollt. Aber sollte in dieser Zeit irgendwas mit Olivia geschehen, gebt mir Bescheid."
Alle schwiegen und ich hörte Peter empört schnauben. "Setz dich und schweig, Whitenight." Und zu meinem Erstaunen hörte mein Cousin auf den fremden Alpha.
Als Christopher wieder saß, steckte Tyra ihre Klinge wieder in die Scheide. "Ich bin der letzte Jäger der Kyles und kann dementsprechend nur für mich sprechen. Ich bin ein egoistischer Mensch und so ist auch mein Grund zu kämpfen. Ich will Rache für meine Familie, Jiaki und für mich selbst. Ich werde mit euch kämpfen, aber wenn ich die Mörder meiner Familie gefunden habe, kann ich nicht garantieren, dass ich euch weiterhin unterstützen werde."
"Das gilt auch für mich." Mit einem ernsten Blick starrte Jiaki zu Peter. Ihr Blick sprühte nicht vor Hass, aber ich konnte dennoch die Anspannung spüren. "Ich werde für die Rache kämpfen. Ich bin zwar nicht der einzige Miyarayo-Erbe in diesem Raum, aber in meiner Spezies kämpft jeder für sich. Es gibt nur uns." Sie sprach von den Naguals, als wäre es ihr einziges Erbe. Ich wusste, dass sie eine Chimäre war, aber dennoch sah sie sich nur als Nagual an. Ich hörte ebenfalls, dass sie sich als Jiaki Miyarayo vorstellte und nicht als Jiaki Blackstorm. Sie schien ihren Vater zu verachten.
Max und Auralia schwiegen. Es war für sie eine Selbstverständlichkeit, mit den Blackstroms zu kämpfen. Immerhin war ihr Vater der persönliche Druide und Berater des Alphas. Es war für mich auch sehr unangenehm, noch mal extra erwähnen zu müssen, dass ich für sie kämpfen würde, aber ich hatte das Gefühl, es wäre wichtig, da ich nun als Whitenight und nicht mehr Blackstorm bekannt war.
"Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll." Nachdenklich drehte Lawrence eine Gabel in der Hand. Aber was sollte er schon sagen? Er gehörte zu den seltenen Wendigowak. Sie waren die seltenste Spezies von allen, wenn man mal von den Jägern absieht. Ihm würde kein Artgenosse beistehen. "Aber Shang, Marco, Alex und ich wurden sehr spontan in die gesamte Angelegenheit hineingezogen. Shang ist der Beta der Whitenights und Marco ist ein Erbe der Beaumons, aber Alex und ich haben eigentlich nichts mit dem zu tun." Unsicher ließ er die Gabel fallen und starrte entschuldigend zu mir. Warum guckte er so? Ich konnte es komplett verstehen. Es hatte nichts mit ihm zu tun und er würde Alex niemals in Gefahr bringen wollen. Er würde die Entscheidung nicht einfach für sie fällen, aber ihre Sicherheit bedeutete ihm alles.
"Schon okay." Aufmunternd nahm Alex seine Hand, was ihn stoppen ließ. Er war also wirklich bereit gewesen, uns zu verlassen, um Alex zu schützen. "Wir werden mit und für euch kämpfen. Ich wollte schon immer mal die alten Weisen der Iren zusammenschlagen." Lächelnd schlug sie eine Faust gegen ihre Handfläche und strahlte uns an. "Meinetwegen können wir gerne ein paar Wölfe schlagen gehen."
Ich musste leicht lachen, aber es war eine richtige Erleichterung, Alex an unserer Seite zu haben. Jedoch sorgte ich mich um Liv. Sie hatte den ganzen Abend nichts gesagt, was für sie ungewöhnlich war, da sie besonders beim Abendessen viel zu erzählen hatte. Aber dieses Mal schwieg sie nur und starrte hoffnungslos ihr ungerührtes Essen an. Aber konnte man es ihr verübeln?
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If I hadn't met you
Hombres LoboVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...