Unsicher schaute ich mich um. Seitdem Isabelle das Haus verlassen hatte, blieb es stumm. Keiner sagte was und das konstante Ticken der Uhr machte mich nervös. Vater saß einfach nur da und schwieg in die Runde. War es ihm wirklich so wichtig, dass wirklich alle die Wahrheit erfuhren oder was war der Grund, warum er auf Isabelle wartete, nachdem er sie so beleidigt hatte?
Doch dann wurde die Tür aufgerissen und eine ernst dreinblickende Isabelle stand in der Tür. Ihre goldenen Augen glänzten wie kaltes Metall und als sie beiseite trat, erschien ein schneeweißer Wolf neben ihr. Aus irgendeinem Grund hatten die Beiden ein ähnliches Auftreten, was mich bei der Adoptivtochter der Blackstorms und dem Alpha der Whitenights etwas irritierte.
"Dann können wir beginnen." Laut klatschte mein Vater in die Hände und erhob sich, als Isabelle die Tür schloss und sich Christopher Whitenight zurückverwandelte in den jungen weißhaarigen Mann. "Was wisst ihr alle über Hybriden und Chimären?"
Nichts. Die Masse schwieg und nur meine Mutter schien zu wissen, worauf mein Vater hinauswollte. Ich hatte zwar in der Tierwelt von Hybriden gehört, aber bei uns war das nicht möglich, da wir ein dominantes und ein rezessives Gen besitzen und das immer. Und Chimären sind Kreaturen aus der griechischen Mythologie und haben dementsprechend eher weniger mit uns zu tun. Worauf wollte mein Vater hinaus?
Doch dann hob ein Junge vorsichtig seine Hand. "Ich habe so etwas im Ballsaal gesehen."
Von oben herab schaute mein Vater zu dem zierlichen jungen Mann, welcher ein schwarzes Samtkleid trug. "Wieso trägst du ein Kleid?" Verwirrt hob er eine Augenbraue und ich musste ungewollt an Olivia denken. Das war eine so typische Bewegung meiner kleinen Schwester, dass es schon schmerzte, das zu sehen.
Verwirrt blickte der Junge zurück. "Warum tragen sie kein Kleid? Spielt das wirklich eine Rolle oder darf ich dem Herren meine Beobachtungen berichten?"
Überrascht schlug ich mir meine Hand vor den Mund. Ich hatte zwar davon gehört, dass gewisse Wölfe sich nicht dem Alpha beugten, aber das von einem zierlichen Jungen zu hören, der ein Kleid trug, war sehr absurd.
Mein Vater schien nicht sonderlich amüsiert zu sein, aber er ließ ihn fortfahren. "Als die Massenhysterie ausbrach, versuchten alle, das Gebäude zu verlassen und haben es daher nicht gesehen, aber an den Wänden stand etwas geschrieben und wenn ich mich nicht irre, dann wurde diese Nachricht mit Blut verfasst."
Misstrauisch starrte der Alpha der Blackstroms durch die Runde, aber keiner schien so etwas gesehen zu haben. "Und was besagte die Nachricht?"
"Die Ära der Hybride hat begonnen. Ergebt euch oder sterbt. Lebt eure letzten Tage, Kinder der Chimären."Es war so unglaublich dunkel und still. Ich hasste es.
Ich erinnere mich noch gut an die Tage der Ungewissheit, als ich entführt und als Experiment missbraucht wurde. Ich wartete Tag ein Tag aus nur darauf, dass man mich dem Licht näher brachte. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war mir der Schmerz egal. Ich wollte nur nicht mehr in der Dunkelheit gefangen sein. Ich hasste die Dunkelheit und die damit verbundene Stille. Ich hörte nur das Rauschen meines Blutes und meinen nervösen Herzschlag, bis laute Schritte die Stille durchbrachen.
Es waren die Jäger!
Meine Atmung wurde flacher. Ich wusste, was jetzt geschehen würde. Sie würden mir die Augenbinde abnehmen und mir zeigen, dass ich zurück war. Ich war wieder in dem nackten, weißen Raum, in dem ich gefoltert werde und aus dem es diesmal kein Entkommen gibt.
Eine warme Hand streifte mein Gesicht, als der Knoten gelockert wurde und ich musste mich beherrschen, diese Hand nicht zu beißen oder ihr jeden Knochen zu brechen.
Aber als ich spürte, dass mir die Augenbinde abgenommen wurde, ließ ich die Augen geschlossen. Ich war für das Leid nicht bereit. Ich wollte noch etwas in der angenehme Dunkelheit verweilen, ehe mich dieser Schmerz übermannt.
"Öffne die Augen." Die Stimme war neu. Ich würde mich an jede Stimme von damals erinnern. Sie haben sich in mein Gehirn eingebrannt und würden mich nie wieder loslassen, aber diese Stimme kannte ich nicht. Sie war zwar rau und tief, aber ich erkannte, dass sie einer Frau gehörte.
Ich zögerte und die Stimme erklang erneut, als sie mir wieder befahl, meine Augen zu öffnen. Warum zwang sie mich nicht?
Ich atmete tief ein und öffnete meine Augen einen Spalt. Ich konnte mich nicht vor dem hellen Licht schützen, das mich sofort blendete, da meine Arme hinter meinem Rücken verbunden waren.
Doch als ich endlich etwas erkennen konnte, erblickte ich vor mir die Frau mit der tiefen Stimme. Sie hatte blonde, kurze Haare und wenn ich mich nicht irrte, heißt der Haarschnitt Undercut. Ihre Kleidung wirkte wie vom Militär, aber mich erstaunte viel mehr, dass sie tiefschwarze Augen hatte. Sie wirkten nicht animalisch, sondern viel mehr wie die eines Menschen. Waren das doch nicht die Jäger von damals? Ich kann nämlich mit Sicherheit sagen, dass die Jäger von damals Gestaltwandler waren.
"Sie ist wach!" Die Frau, die vermutlich Anfang dreißig war, erhob sich und ging etwas zur Seite. Ich wagte es nicht, meinen Kopf zu drehen, weshalb ich weiterhin gradeaus gegen eine nackte Wand starrte. Ich hörte erneut Schritte, die aber viel weicher und leichtfüßiger klangen. Das waren die Schritte eines Wolfes und nicht die eines Menschen. Warum sollten aber Wolf und Mensch zusammenarbeiten? Wo befand ich mich hier und wer waren diese beiden?
"Guten Abend, Olivia Blackstorm. Es tut mir leid, dass wir dich so unkonventionell einladen mussten, aber unsere Umstände ließen keine andere Möglichkeit zu." Die zweite Person war ebenfalls eine Frau. Doch als sie sich vor mich hinhockte, schloss ich die Augen. Ich wusste nicht warum, aber irgendwie wollte ich sie nicht ansehen.
Die Frau schwieg.
Ich wusste nicht, wie lange wir so saßen, aber irgendwann übermannte mich meine Neugier und ich öffnete leicht meine Augen.
Die Frau vor mir besaß schwarze, lange Haare, die zu einem Dutt gebunden waren. Auch sie trug diese Militäruniform und wirkte sehr erfahren in Kampf und Krieg. Doch ich musste stutzen, als ich ihr Gesicht genauer betrachtete. Eine riesige Brandnarbe begann an ihrem entblößten Schlüsselbein, wenn nicht sogar noch tiefer, und zog sich über ihre gesamte rechte Gesichtshälfte.
Aber als ich sie so genauer betrachtete, fiel mir auf, dass sie wie James zwei verschiedenen Augenfarben besaß. Ihre rechtes Auge hatte ein warmes Grün und ihr linkes Auge strahlte in einem klaren Blauton.
"Wer seid ihr?" Wagte ich dann endlich zu fragen. Eigentlich wollte ich nicht mit ihnen reden oder mich auf sie einlassen, aber da sie nicht die Jäger von damals waren, fürchtete ich mich nicht so sehr. Außerdem kamen mir ihre Augen so vertraut vor.
"Die Frau dort drüben ist Tyra Kyle." Die gebrandmarkte Frau zeigte auf die Frau neben mir und ich traute mich, meinen Kopf zu drehen und zu dieser Tyra zu schauen. Sie betrachtete mich aus wachsamen Augen, aber lächelte mich dennoch an. Und als ich wieder zu der Gebrandmarkten schaute, sah ich für einen Moment eine schmerzliche Erinnerung in ihren Augen aufflackern. Aber sobald sie mich sah, setzte sie wieder ein Lächeln auf und legte ihre Hände auf meine Oberschenkel. "Und mich kannst du Jiaki nennen."
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If I hadn't met you
WerewolfVerstehst du denn nicht, dass es die einzige Chance ist? Töte ihn und ich komme zurück. Töte ihn und ich kümmere mich um das Rudel. Töte ihn und wir werden diesen Feind ein für alle mal los. Es spielt jetzt auch keine Rolle mehr... auch wenn er dein...