Kapitel 104

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"Herzlichen Glückwunsch. Mir haben die Kämpfe gefallen." Mit einem sanften Grinsen trat Jason näher und reichte Jamie seine Hand entgegen.
Diese jedoch schaute nur verächtlich auf diese und schnaubte. "Natürlich habe ich gewonnen. Haben sie sich mal angeguckt, wie diese sogenannten Krieger kämpfen? Dort zu verlieren, wäre mehr als erbärmlich." Jamie zuckte mit den Schultern und ging an uns vorbei. Sie konnte sich aber nicht zurückhalten, mich nicht anzustoßen, als sie auf meiner Höhe war.
"Für eine Zehnjährige bist du ganz schön frech." Ich lachte bei meinen Worten leicht, aber stoppte sofort, als mich etwas am Hinterkopf traf. Zum Glück hatte ich den Windzug gespürt, weshalb ich dem Ding ausweichen konnte. Aber es war nur knapp.
Schnell drehte ich mich um und starrte das platinblonde Mädchen an. "Ich bin 13. Außerdem würde ich mich an deiner Stelle nicht zu weit ausm Fenster lehnen. Lerne erstmal deinen Platz in dieser Welt, ehe du deine scheiß Klappe so weit aufreißt." Ihre Stimme war so überheblich und verachtend wie immer.
"Jamie, lass das." Jason legte eine Hand auf ihre Schulter, die sie sofort wegstoßen wollte.
"Alter Mann, wenn du nicht willst, dass ich dir auch gegen den Hinterkopf trete, dann würde ich an deiner Stelle ganz schnell die Hand dort wegnehmen."
Zögernd nahm Jason seine Hand zurück und starrte Jamie eine Weile an. "Olivia hat recht. Du magst zwar Mictlans Mate sein, aber du bist und bleibst nur ein einfacher Kämpfer. Sei nicht so frech."
Ich war überrascht, als Jamie zu Jason starrte, da ich noch nie gesehen habe, dass jemand so unglaublich rot werden konnte. "Du!"
"Jamie." Ein schwacher Ruf zog sofort unser aller Aufmerksamkeit vom Streit. Überrascht weiteten sich die Augen des Jungen, als er sah, dass wir alle auf seinen Ruf reagiert haben. Verlegen hob er seine Hand und versuchte sein Gesicht hinter seinem Arm zu verbergen. "Ich wollte dir nur gratulieren. Es war sehr bewundernswert, wie du sie alle mit Leichtigkeit bezwingen konntest." Ich fand es persönlich eher erstaunlich, dass er sich so schnell daran gewöhnen konnte, nur mit einem Arm zu leben. Ich konnte mir immer noch nicht zusammenreimen, wie sie auf die grandiose Idee gekommen sind, Mictlan einen Arm abzuschneiden und seinen Rücken zu demolieren, nur damit ich wütend werde.
"Mic!" Erfreut sprang Jamie auf und ab und wirkte wie ausgetauscht. "Oder? Der Kampf war ziemlich spannend. Ich hatte wirklich Angst, dass sie mir etwas antun könnten. Kannst du dir das vorstellen? Die wollten mich, ein kleines Mädchen, schlagen!" Sie schob ihre Lippe vor und wirkte plötzlich viel hilfloser als wir sie kannten.
Jason und ich schauten uns kritisch an, als wir dabei zusehen mussten, wie Mictlan seinen Mate in den Arm nahm und etwas ungeschickt umarmte. Ihre Unschuldsmiene war wirklich gewöhnungsbedürftig.
Als ich langsam den Rückzug antreten wollte, rief Jamie meinen Namen. "Blackstorm!" Ich wollte nicht stehenbleiben, aber da ich gesehen habe, wie sie kämpfte, wollte ich sie nicht unbedingt wütend machen. "Levi Michaels hat eine Nachricht für dich."
Wie versteinert hielt ich in meiner Bewegung inme und starrte in Jamies graue Augen, die mich eindeutig von oben herab anstarrten. "Was will er?" Fragte ich leise. Levi Michaels ist an meinem Trauma schuld. Er hat mir meine Kindheit und jede Möglichkeit auf eine normale Jugend genommen. Ich trage immer noch Narben von ihm an meinem Körper und in meiner Seele. Nur durch meinen Mate konnte ich dieses Trauma überkommen und jetzt wollte er etwas von mir. Ich war nicht sonderlich erpicht darauf, mir seine Nachricht anzuhören, aber ich hätte es auch nicht einfach ignorieren können.
Ich trat etwas näher an das Gelände der Arena, an dem Jamie auf mich ungeduldig wartete. "Für den Befehl muss ich etwas ausholen. Als ihr nach Lupus Luna kamt, habe ich sofort erkannt, dass Mic mein Mate ist. Ich habe es gehasst, dass er immer nur an deiner Seite klebte, aber ich konnte dafür schnell lernen, was das zu bedeuten hatte. Das Problem war nur, dass es diesen einen Lehrer gab. Sein Name ist Vincent Brown, vielleicht kannst du dich noch an ihn erinnern. Das Problem mit ihm war, dass er jede Art der Werwolfroyalität verachtet hat. Das bedeutet, dass er die Blackstorms und Whitenights hasst und jeden Angehörigen verachtet. Dieser Hass galt nicht mir, aber dafür Mic, was eigentlich bedeutet, dass Vincent Brown auch mich verachtet hat."
Ich hob meine Hand. "Warte, wer soll Vincent Brown noch mal genau sein?"
Einen Moment starrte mich Jamie an, ehe sie genervt die Augen rollte und weitersprach. "Er ist dieser Lehrer mit den furchtbar roten Haaren. Er hat Mic, Morgan und Williams dabei erwischt, wie sie die Esche zerstört haben. Ich habe rein gar nichts dagegen, dass er Williams und Morgan bestraft hat, aber meinen Mic sollte niemand anfassen. Da er es aber getan hat, sollst du ihn finden und..." Ein breites und unheimliches Grinsen bildete sich auf ihren Lippen. "töten."
Ich schloss meine Augen und atmete langsam aus. "Ich töte nicht."
Jamie lachte, aber es war definitiv eher ein Lachen der gehässigen Art. "Das weiß ich. Du hast es nicht mal geschafft, einen Mann zu töten, der sterben wollte. Deshalb gibt es noch eine andere Option für dich."
"Warum sollte ich mich überhaupt auf einen Deal mit einem Darach einlassen?"
Jamie kniff die Augen zusammen. "Weil sie sonst alles von vor elf Jahren wiederholen werden, wenn du dich gegen die Bitten eines König sträubst. Mach das eine, das andere oder leide. Es liegt natürlich an dir, dich für eine der drei Optionen zu entschieden, aber ich würde nicht die Letzte nehmen, wenn ich du wäre."
Ich schwieg und atmete dann ergeben aus. "Was ist die andere Option?"
"Komm in vier Tagen wieder und schau dir an, was die Darachs vorbereitet haben. Du darfst es dir anschauen, aber weder etwas dagegen oder dafür tun oder damit interagieren. Mehr nicht."
Misstrauisch hob ich eine Augenbraue? "Mehr nicht? Und meine erste Option wäre es, jemandem das Leben zu nehmen?"
Jamie nickte. "Grandios, du kannst zuhören. Gratulation." Genervt rollte sie die Augen und drehte sie wieder zu meinem Neffen. "Wollen wir gehen?" Ihre Stimme schien drei Oktaven in die Höhe zu schnellen und als sie dann auch noch erfreut aufquiekte, wollte ich einfach nur schnell weg.
Als ich die Gänge entlang lief, dachte ich angestrengt nach. Als ich das letzte mal den Darachs einfach nur schweigend zuhören sollte, habe ich die Seiten gewechselt, meine Schwester verkauft und meinen ehemaligen Feinden einen strategischen Vorteil verschafft. Und dieser Deal stammte lediglich von Zolin, den ich nicht unbedingt als ein strategisches Genie bezeichnen würde. Was wohl Levi Michaels vorhatte...
"Hast du schon eine ungefähre Vorstellung, was du tun willst?" Jason holte schnell auf und öffnete mir eine Tür, durch die ich sofort schlüpfte.
"Nicht direkt. Um ehrlich zu sein, würde ich lieber jedem Deal mit diesem Rudel aus dem Weg gehen, aber ich will auch niemanden töten. Kannst du mir wenigstens verraten, warum Vincent Brown die Royalität so hasst?"
Unbehagen kratzte sich Jason am Hinterkopf. "Das ist vermutlich meine Schuld."
Ich hob langsam eine Augenbraue. "Sag mir nicht, dass du auch mit ihm geschlafen hast."
Sofort schüttelte der ehemalige Alpha seinen Kopf. "Nein, aber du bist gar nicht so weit von der richtigen Antwort entfernt. Vincent hat seine Familie sehr früh verloren und nur eine Frau hat sich erbarmt, ihn großzuziehen. Diese Frau heißt Annalise O'Malley. Nachdem ich aber eine Affäre mit ihr hatte, habe ich die beiden auseinandergerissen. Deshalb hasst er die gesamte Royalität. Ich habe ihm seine Familie genommen."
"Warum solltest du sie von ihm reißen, wenn du nur eine Affäre mit ihr hattest?"
Jason blieb stehen und starrte den leeren Gang entlang. "Sie war nicht nur eine Affäre. Annalise O'Malley hat einen wahren Alpha geboren. Sie ist Christophers Mutter."
Ich blieb wie angewurzelt stehen. "Das ist... seine Mutter? Ich soll also Christophers Familie mütterlicherseits auslöschen..." Ich wollte sofort sagen, dass das niemals in Frage kommen würde. Er hatte ohnehin schon Verlustängste und sollte Annalise erfahren, dass ihr Vincent ermordet wurde, würde sie das mit Sicherheit nicht verkraften können. Ich wollte sofort sagen, dass ich Christopher so was grausames nie antun würde, aber ich stoppte mich.
"Was ist?" Verwundert kam Jason näher, aber ich wich ihm nur aus.
"Nichts. Ich muss darüber nachdenken. Ich habe ja noch etwas Zeit. Wenn das alles war, würde ich lieber gehen. Ich habe heute sehr viel Blut verloren." Ich wollte entschuldigend klingen, aber mir war bewusst, dass ich mehr genervt als alles andere wirkte. Jason nickte nur und ließ mich ziehen.
Ich wollte Vincent nicht töten. Selbst wenn ich den Faktor Christopher aus der Gleichung nehmen würde, wäre meine Mission immer noch die Gleiche. Ich müsste einen anderen Wolf töten, der nie etwas schlimmeres getan hat, als seiner Familie hinterherzutrauern. Ich wollte niemals in meinem Leben über das Leben einer anderen Person entscheiden. Ich hatte nicht das Recht dazu. Ich traute den Darachs aber auch nicht. Wenn sie einen Deal eingehen, dann immer nur, wenn sie auch deutlich im Vorteil sind. Ich möchte eigentlich gar nicht wissen, was sie in vier Tagen geplant haben. Ich kann aber auch nicht nichts machen. Wenn die eigentlichen Kämpfer auch nur ansatzweise wie Jamie kämpfen, habe ich keine Chance. Die wahren Kämpfer der Darachs waren wie Tyra nur mit viel mehr Stärke und Schnelligkeit sowie besseren Reflexen. Gegen solche Leute will ich nichz kämpfen, da ich mit Sicherheit verlieren und wieder als Experiment enden würde. Mir blieb wohl nichts anderes übrig.

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