Kapitel 90

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"Was ein Chaos." Entnervt warf Yako-Sama die Tür zu und starrte zu mir. "Kleiner Silberwolf, was ist passiert?" Verwirrt schaute sie zu den zerstörten Möbeln und dem Blut, das teilweise den Raum zierte.
Erschöpft erhob ich mich von der Couch. Es war wirklich anstrengend, jetzt noch irgendwas zu machen. "Olivia Blackstorm und Jiaki Miyarayo lassen sich auf einen Deal mit den Darachs ein und Christopher Whitenight, Maximilian Gray und Tyra Kyle sind nach Norkaru gereist, um mehr über die Drei Könige zu erfahren, die anscheinend die Anführer der Darachs sein sollen."
Nickend betrat Yako-Sama das Wohnzimmer und lief an mir vorbei. "Hast du schon gegessen?"
Etwas überrascht starrte ich ihr hinterher, als sie nach Thomas' pinker Schürze griff und in die Küche lief. "Wieso wollt ihr jetzt was kochen? Ist es nicht etwas spät dafür?" Ich starrte zweifelnd auf die Uhr, die mir verriet, dass es schon längst nach Mitternacht war. Ich saß also wirklich mehrere Stunden alleine in diesem Haus. Ich wünschte, ich hätte mir das eingebildet, da das schon etwas traurig ist. Shang hatte noch eine Besprechung mit Thomas und dementsprechend befand sich auch Alex außer Haus. Ich wusste nicht, wo Isabelle war, da sie sich die Schuld für das ganze Chaos gab und Lawrence war auch nirgendwo aufzufinden. Ohne sie war ich etwas aufgeschmissen.
"Es ist nie zu spät für gutes Essen." Lächelnd griff der junge Fuchs in eine Schublade und zog ein Messer heraus, um frisches Gemüse zu schneiden. "Was macht dein Freund?"
Ergeben lief ich ihr nach und lehnte mich an die große Kücheninsel, zu der sie mit ihrem Rücken stand. "Shang? Der ist bei Thomas Blackstorm und bespricht irgendwas. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sehr aufgeschmissen sind, da die beiden Chimären einfach geflohen sind. Der Krieg beginnt bald und eine unserer stärksten Kampfkräfte ist verschwunden. Und dabei wollten wir den Krieg doch beenden, ehe er begonnen hat." Ich spürte einen Druck in der Kehle, aber schluckte ihn runter, als Yako-Sama mir ein liebevolles Lächeln schenkte.
Mitfühlend leuchteten ihre roten Augen. "Vertrau mir, wir Füchse wären auch in der Lage, den Krieg für euch zu gewinnen. Ihr seid nicht von den beiden Mädchen abhängig." Versicherte sie mir und ich wollte ihr glauben.
Ich hatte die Füchse gesehen und was sie alles machen konnten. Sie waren zwar etwas eingeschränkt in ihrer Weltanschauung und bereiteten mir deshalb viele Probleme, aber ich konnte nicht abstreiten, dass sie sehr stark waren. Sie konnten teilweise die Elemente beherrschen, waren sehr stark und manipulativ und konnten sogar Illusionen hervorrufen. Das war verdammt gefährlich, sollten sie es beherrschen können und da Kitsune ein sehr langes Leben haben, haben sie automatisch auch sehr viel Zeit, diese Fähigkeiten lange zu trainieren und zu verbessern.
"Ich würde nicht darauf vertrauen. Meine Kojoten sind besser." Eine kräftige Hand schlug mir auf die Schulter und hätte ich nicht schon vorher den Herzschlag einer dritten Person in diesem Raum wahrgenommen, wäre ich mit Sicherheit vom Stuhl gefallen, auf den ich mich gesetzt hatte. "Es ist allgemein bekannt, dass Kojoten besser sind als Füchse." Selbstsicher schenkte mein Onkel Henry dem Erben der Watanabes ein überhebliches Grinsen.
"Kojoten können nur beißen und das nicht mal sonderlich gut. Wir Füße können sogar fliegen und unsere Gestalt ändern. Das nenne ich eine wahre Kraft." Mit einer schnellen Bewegung drehte sich Yako-Sama um und warf das Messer in Onkel Henrys Richtung, dem er locker ausweichen konnte. Es blieb hinter ihm in der Wand stecken. Er behielt ein überhebliches Grinsen. "Kojoten sind nur Kläffer."
Sofort verschwand das Grinsen auf Henry Beaumons Lippen und in einer erschreckenden Geschwindigkeit sprang er über die Kücheninsel, um Yako-Sama an ihrer Kehle in ihr frisch geschnittenes Gemüse zu drücken. "Wie war das?" Knurrte er und das erste mal in meinem Leben hatte ich wirklich Angst vor einem Kojoten. Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte kaum Respekt vor den Kojoten meines Onkels. Die meisten hatten nur eine große Klappe, aber meistens waren sie viel zu unerfahren, weshalb nie etwas dahinter steckte. Aber mein Onkel war der Anführer der Kojoten. Sein Biss bedeutete den Tod für jeden, der es in seinen Organismus bekommt.
"Onkel!" Besorgt sprang ich ebenfalls über die Kücheninsel und wollte ihn von dem Fuchs ziehen. Ich vergas jedoch, dass ich im Gegensatz zu ihm, mein Tier nicht beherrschte und nur auf meine menschlichen Stärken zurückgreifen konnte. Ich bewegte ihn kein bisschen von Yako-Sama, die aber auch nicht sonderlich schockiert wirkte.
"Mach dir keine Sorgen, die machen das immer." Eine sanfte Stimme durchdrang die chaotische Nacht und als ich mich von den beiden Feinden drehte, entdeckte ich Caliria in der Tür, die müde ihre Schuhe abstreifte. "Die beiden sind Mates. Sie werden sich schon nicht umbringen."
Entgeistert senkte ich meine Arme. Sie sind was?
"Miyarayo-Dono!" Erfreut erhob Yako-Sama ihr Stimme und drückte ohne weiteres meinen Onkel beiseite und lief auf die ehemalige Luna der schwarzen Wölfe zu. "Haben sie meinen Bruder irgendwo gesehen? Ich wollte mit ihm über das Wohlergehen unserer Akademie sprechen, aber seit dem letzten Angriff konnte ich ihn nicht mehr finden."
"Er ist mit Lawrence Morgan nach Lupus Luna aufgebrochen, um Tyler und Penelope Silverstone zu unterstützen." Beruhigend legte Caliria eine Hand auf Yako-Samas Schulter und sie entspannte sich auch sichtlich.
"Dieses faule Stück Dreck kann arbeiten? Das überrascht mich." Lachend drehte sich Henry um und schenkte seinem Mate einen Blick, der nur sagte: Du bist genauso ein Stück Dreck wie dein fauler Bruder, der nie etwas auf die Reihe bekommt und nur nutzlos mit Gras liegt.
"Du-" Doch bevor sie diesen Satz beenden konnte, ertönte ein angsterfüllter Schrei. Wir sahen uns alle überrascht an, aber bevor ich es merkte, befand ich mich schon auf dem Weg, das Haus zu verlassen.
"Was ist hier los?" Rief Caliria durch die Nacht. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie wirklich eine Antwort erwarten konnte, aber als ihre Stimme die Nacht durchdrang, verstummten alle Schreie. Leise warteten wir alle und ich musste leicht zusammenzucken, als ich sanfte Schritte im Gras hörte.
"Krieg." Es war ein einfaches Wort, das die Dunkelheit erfüllte, aber wenn ich glaubte, mich vor meinem Onkel zu fürchten, dann lähmte mich diese Stimme. Sie wirkte zwar ruhig und gelassen, aber es schwang etwas in ihr mit, das mich lähmte. Sie wirkte charmant und einladend, aber zugleich auch bedrohlich und gefährlich.
"Lauft." Hauchte Caliria. "Lauft!" Sofort drehte sie sich um und die Angst in ihren Augen nahm mir die Luft. Caliria hatte schon viel in ihrem Leben gesehen und war eines der mächtigste Wesen unserer Zeit. Sie war immer beherrscht und ließ sich nicht aus der Ruhe bekommen, da sie wusste, wie sie aus jeder Situation entkommen konnte. Caliria Miyarayo war ein Überlebenskünstler. Jedoch wirkte sie in diesem Moment so hilflos und verloren, dass ich bezweifelte, dass irgendjemand von uns diesen Angriff überleben könnte.
"Wieso sollten sie rennen? Ich bin nicht hier, um euch anzugreifen. Ich möchte nur reden." Wieder ertönte die Stimme und langsam, aber sicher erschien eine Gestalt in der Dunkelheit. Nur schemenhaft hob sie sich etwas ab, aber ich erkannte, dass es ein Mann war. "Sei doch nicht so unhöflich. Es wäre natürlich einfacher gewesen, wenn mein Sohn sich nicht verspätet hätte, da er euch hätte warnen können, aber man kann nicht alles im Leben haben."
Ich wollte sehen, wer dort immer näher an uns herantreten wollte, aber als ich mich verbeugte, streckte Caliria einen Arm aus und drückte mich wieder zurück. "Was soll das bedeuten?" Fragte sie beherrscht, obwohl ich spüren konnte, das sie am ganzen Körper zitterte.
"Er ist nach Norkaru gegangen, um sich zu versichern, was er schon angenommen hat und er liegt richtig." Die Gestalt kam immer näher und als sie nur noch wenige Meter vor uns stand, konnte ich im schwachen Schein des Mondes erkennen, wer es war. "Sein alter Herr ist ein Teil der Darachs."
"Jason Whitenight." Hauchte Onkel Henry neben mir. Jason Whitenight wirkte wie eine ältere Version von Christopher. Er hatte ein ähnliches Gesicht und die gleichen schneeweißen Haare und die porzellanartige Haut. Nur seine Augen hatten einen tiefblauen Ton, der einen in den Bann zog und nicht mehr gehen lassen wollte. Jedoch unterschied eine Sache ganz gewaltig ihn und seinen Sohn. Jason Whitenight hatte eine so bestimmte und bedrohliche Aura, dass ich schon fast glaubte, in einen unendlichen Abgrund zu starren, der mir Leid und Verderben versprach.
"Das bin ich und wenn mein Sohn nicht von meinen Leuten angegriffen worden wäre, als er gradeso noch die Wahrheit erfahren hat, wärt ihr besser auf diese Begegnung vorbereitet gewesen. Zu schade, dass er versagt hat, aber das ist nichts neues." Schulterzuckend starrte Whitenight mit seinen blauen Augen direkt zu Caliria, die seinen stummen Blick erwiderte.
"Das war ein Fehler, du Monster!" Und mit diesen Worten stürmte Henry Beaumon auf den ehemaligen Alpha der Whitenights zu, ohne auf Calirias Rufe zu hören. Schockiert hielt ich die Luft an, als Henry seine Klauen ausfuhr und auf Whitenight zuflog, der langsam seinen Kopf in die Richtung meines Onkels drehte.
Ein grelles Licht erschien und ein Schrei hinter mir ließ mich zusammenfahren. Ich drehte mich zitternd um und wie ich erwartet habe, lag dort mein Onkel. Eine Blutspur zierte die Wand, an der er heruntergerutscht ist. Was ist geschehen? Ich wollte es wissen, aber ich traute mich nicht, mich umzudrehen. Onkel Henry gehörte zu den besten Kämpfern der Allianz. Es brauchte schon eine halbe Armee, um ihn zu bezwingen. Was muss Jason Whitenight für ein Monster sein, um ihn so schnell kalt zu stellen?
"Ich habe gesagt, dass ihr laufen sollt!" Und mit diesen Worten drückte Caliria mich in Yako-Samas Arme und drehte sich nicht um, als sie ihr blaues Fell erscheinen ließ. "Du!" Knurrte sie Jason an, aber ich traute mich immer noch nicht, in seine Richtung zu schauen. "Du hast mir erst Katharina und dann meine Kinder genommen. Du wirst hier nicht so einfach davonkommen!"
"Davon bin ich ausgegangen. Immerhin haben wir nun alle Chimären auf unserer Seite und können schon bald die Hybriden erschaffen. Ich bete doch dafür, dass du mir einen guten Kampf lieferst." Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit in seiner Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. Endlich erwachte Yako-Sama aus ihrer Starre und warf mich über ihre Schulter. Sie wollte laufen. "Dann lass uns tanzen, Prinzessin." Schockiert hob ich meinen Kopf. Erst jetzt realisierte ich, dass er mit den Chimären nur Jiaki und Olivia meinen konnte. Wir hatten sie verloren!
Doch in dem Moment, als ich nach oben schaute, bereute ich es sofort.
Ich wusste, dass Christophers Vorfahren von dem ursprünglichen Whitenight abstammten. Wir haben in den letzten Wochen oft Geschichten davon gehört, wie zwei mächtige Wölfe von einem noch mächtigeren Druiden aufgenommen wurden, um die Welt der übernatürlichen Wesen zu retten. In den meisten Versionen haben Whitenight und Blackstorm wundersame Fähigkeiten von ihrem Mentor erhalten, aber in einer Version wird gesagt, sie wären nur aufgenommen worde, weil sie diese wundersamen Kräfte hatten. Man kennt die Wahrheit letztendlich nicht, aber ich habe mich trotzdem immer gefragt, was diese wundersame Kräft sein sollen. Doch nun wünschte ich mir, ich hätte diesen Wunsch, sie sehen zu wollen, nicht geäußert.
Jason Whitenight stand in der tiefsten Dunkelheit. Seine weißen Haare schwebten wie bei einer leichten Briese um sein blasses Gesicht. Er war wunderschön. Jedoch zierten tiefblaue, fast schon schwarze Adern seine porzellanartige Haut und als er seinen Mund zu einem breiten Lachen verzog, erschien ein grelles Licht in seinem Mund. Er hob lachend seine Arme und aus der tiefen Dunkelheit erschienen Wogen und Wellen von weißem Licht, die einen so starken Druck erschufen, dass Yako-Sama fast von ihren Füßen gerissen wurde. Das Licht wickelte sich um Jason Whitenights Arme und wirkte wie eine Rüstung.
Die Whitenights waren also wirklich wie das Licht selbst. Sie waren die Krieger das Tages in der tiefsten Nacht, die ihr Licht noch heller erschienen ließen. Caliria hatte keine Chance zu gewinnen.

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