Kapitel 16

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"Shang Wu get your ass over here! Don't fxcking mess with me!" Schreiend rannte Isabelle durch das Wohnzimmer und schlug mit einem Besen nach unserem Senior. Lachend wich dieser leichtfüßig jedem Schlag aus und machte sich weiterhin über ihre Kochkünste lustig. "Ich bin es wirklich satt. Ganz ehrlich. Einen Monat lang mit euch in einem Haus eingesperrt zu sein und solch inkompetente Lehrer an der Backe zu haben, zieht mehr an meinen Nerven als Thomas in einer Schürze!" Erschöpft ließ sie ihren Besen sinken und sackte selbst an Ort und Stelle zusammen.
"Ist da etwa unsere Prinzessin der verdammten Küche erschöpft? Du bekommst das Kochen und Trainieren nicht unter einen Hut- du bekommst noch nicht mal das Kochen so hin. Wer hat ihr bitte die Aufgabe übertragen? Ich und mein Magen würden gerne Beschwerde einreichen!" Lachend trat er an unseren Koch heran und schaute auf sie herab. Im Laufe der Zeit verwandelte sich das abfällige Lachen in ein belustigtes und neckendes Lachen. Isabelle war sich jedoch nicht ganz sicher, ob sie nicht lieber wieder das Abfällige zurückhaben wollte.
"Aber man kann nicht abstreiten, dass sie uns gut trainieren. Immerhin verschonen sie uns kein bisschen." Gab ich zu bedenken. James war zwar immer sehr verschlafen und Kouhei abgelenkt von allem, aber wenn wir trainiert wurden, dann richtig. Und danach konnten wir auch Tage nicht mehr ohne Muskelkater laufen, was bei Werwölfen ziemlich ungewöhnlich war. Wir waren immerhin auf Ausdauer spezialisiert. Es war ein sehr intensives Training.
"Also, als mich Kouhei alleine trainiert hatte, war das alles nie so anstrengend und ich habe von ehemaligen Schülern von James gehört, dass es nicht so schwer war wie erwartet. Tja, davon fühle ich nichts... was vermutlich daran liegt, dass ich meine Beine generell nicht spüre. Sie sind taub." Taumelnd fiel nun auch Shang und es fehlten nur Zentimeter und er wäre auf Isabelle gefallen.
"Boah, pass doch auf. Wenn du mir schon auf die Knie fällst, dann nicht auf mir." Genervt schob sich Isabelle von ihm weg und traf dabei den kleinen Wohnzimmertisch. Durch den Zusammenprall fiel jedoch Leons Tasse auf den weißen Teppich und tränkte ihn in einen braunen Ton mit Kaffearoma. Genervt schnaubt Leon, erhob sich stumm und humpelte aus der Küche.
Mein Bruder konnte sich aus irgendeinem Grund nicht in einen Werwolf verwandeln, weshalb er als Mensch kämpfen musste und es war von Anfang an klar, dass er sich nicht so gut verteidigen konnte. Wir hatten ihn oft getroffen und konnten uns auch nicht zurückhalten, da uns unsere Mentoren sonst aus dem Haus gesperrt hätten. Er trug schon immer einige Narben am Körper, aber in dem letzten Monat kamen noch viel mehr dazu, dass er nach der dreißigsten Wunde aufgehört hatte zu zählen. Auch Isabelle trug einige Narben mit sich und eine funkelte mich an, als sie ihren Kopf senkte und die Haare etwas vom Nacken freilegte. Es war eine Bissspur von Shang.
"Also, mir wäre es lieber, wenn du mir auf die Knie fallen würdest und andere Dinge mit deinem Mund tun würdest als reden." Lachend setzte sich Shang etwas auf, aber erhielt nur einen Fuß im Gesicht als Antwort.
"Was redet ihr denn da schon wieder?" Verschlafen öffnete Marco die Tür und stand nur mit einer Boxershorts und einem übergroßen Hoodie im Türrahmen.
"Keine Sorge, Markie." Rief ich ihm über die Schulter. "Xuezhang wird ihr nichts tun. Sein Herz gehört doch einzig und allein seinem Alpha." Sofort erhielt ich Isabelles Besen mit der Wurfkraft von Shang und musste mich irgendwie aus der Gefahrenzone bewegen.
"Ich steh nicht auf meinen Alpha?!" Entrüstet erhob sich Shang, sackte aber wieder etwas ab, sodass er sich irgendwo abstützen musste und dieses irgendwo Isabelles Kopf war.
"Nicht mal ein kleines bisschen? Vielleicht wärst du dann erträglicher, wenn dir mal jemand den Arsch versohlen würde." Auch Isabelle stand auf und nahm somit Shang seinen einzigen Halt. Und Shang lag wieder auf dem Boden.
Lachend drehte ich mich zu Marco, doch der drehte sich nur weg und verließ das Zimmer. Was hatte er denn? Ich schaute ihm noch etwas hinterher, ehe jemand eine Hand auf meine Schulter legt.
"Rede mit ihm. Er braucht das jetzt." Leon setzte sich neben mich, aber drückte mich parallel auch hoch. Er hatte nur Probleme zu laufen, wofür wir ihn alle beneideten. Trotzdem stand ich auf und lief Marco so schnell es ging hinterher.
"Markie?" Verwirrt lief ich durch die Wohnung. "Marco?" Erneut rief ich seinen Namen, aber diesmal mit mehr Dringlichkeit in der Stimme. Ich wusste nicht, was los war, aber wenn Leon mir sagte, dass ich mit ihm reden sollte, dann war es wohl ernst. Mein Bruder hatte schon immer die Fähigkeit gehabt, Situationen richtig einzuschätzen, da er die Emotionen spüren konnte. War Marco etwa traurig?
Schließlich fand ich ihn in seinem Zimmer, was eigentlich auch die logischste Schlussfolgerung gewesen wäre. Er schaute nicht auf, als ich das Zimmer betrat, aber ich konnte anhand seiner Körpersprache erkennen, dass er sich anspannte.
"Was ist denn, Markie? Wir machen doch nur Spaß." Vorsichtig setzte ich mich neben ihn, aber er drehte nur den Rücken zu mir, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte.
"Für euch ist das Spaß. Für euch ist alles Spaß!" Schlapp ließ er seine Schultern sinken und drehte sich leicht um. "Es zerreißt mich, in seiner Nähe zu sein. Es zerbricht immer etwas in mir, wenn er mich anschaut, aber nicht wahrnimmt. Es bricht mir das Herz beim Gedanken, er könnte sein Herz jemand anderen schenken. Aber ich kann ihm das nicht sagen. Olivia, dieses Schweigen und Hinnehmen zerstört mich." In seinen grauen Augen sammelten sich Tränen und es war das erste Mal, dass ich richtige Trauer in seinen Augen sehen konnte. Er war immer so lebensfroh, vorsichtig und zurückhaltend, aber hat sich nie unterkriegen lassen. Er hat immer mit Leon als Mensch gekämpft und hart dafür gearbeitet, dass er nicht nur seine Augen, sondern auch sein Gesicht verwandeln konnte. Er hatte gestrahlt und ist glücklich durch die Gegend gesprungen, da er einen Meilenstein erreicht hatte. Er war so hoffnungsvoll, aber in diesem Moment konnte ich nur Trauer und Schmerz in seinen Augen sehen.
"Du bist in Xueshang verliebt?" Überrascht weiteten sich meine Augen, aber ehe er sich beschämt wegdrehen konnte, zog ich sein Gesicht direkt vor meins. "Traust du dich nicht, es ihm zu sagen, weil er dich für widerlich halten könnte oder hat das einen anderen Grund?"
Marco stoppte. Sein hechelnder Atem verstummte und für einen Moment hatte ich Angst, er würde ersticken, doch ich hörten seinen regelmäßigen Herzschlag in seiner Brust hämmern. "Mein Vater..." Doch er stoppte.
Unter meinen Fingern spürte ich, wie sein zarter Körper anfing zu zittern und sein hechelnder und nach Luft schnappender Atem wieder zurück kam. Es bahnte sich eine Panikattacke an. "Markie, ich bin hier! Olivia ist an deiner Seite, mach dir keine Sorgen. Ich bin hier!" Entschlossen packte ich mit beiden Händen sein Gesicht und zwang ihn, mich anzusehen.
Und das trübe in seinen Augen verschwand. Durch den Schmerz in den Augen hatte ich es nicht sehen können, aber sein Blick war trüb und gedämpft. Das Grau, welches sonst einer strahlenden Klinge geähnelt hatte, wirkte wie ein Himmel, welcher von Wolken bedeckt war und bei dem sich ein Sturm anbahnte. Doch als er meine Stimme vernahm, mein Gesicht sah und sich zaghaft an mir festhielt, klarte dieser Himmel auf. Er konnte mich sehen. "Bleib hier." Hauchte er.
Leicht erwiderte ich diese Bitte mit einem Nicken. "Ich bleib hier, aber ich denke, wir sollten mal über das eine oder andere reden."

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt