Kapitel 60

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"Sie hassen mich, oder?" Verwundert stand mein Ehemann in der Tür und betrachtete mich, als ich das Geschirr abwusch. "Ich verlange ja nicht, dass sie mich lieben, aber ich wäre ihnen dankbar, wenn sie mich nur verstehen würden." Verzweifelt raufte Peter sich die Haare und stieß sich von der Tür ab. "Ich möchte sie doch nur beschützen. Ich habe nie etwas anderes getan."
Langsam ließ ich den nassen Teller sinken und blickte auf. Peter zeigte dieses Ich nur vor mir. Nur mir zeigte er seine Verzweiflung, seine Angst und Trauer. Als Alpha musste er immer stark und bestimmt sein, aber so war Peter nicht.
Er war ein Hitzkopf. Am liebsten wollte er mit dem Kopf durch die Wand und das, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Früher geriet er deswegen auch oft in Schwierigkeiten. Seine Eltern, Thomas und Chao-Xing, machten mich häufig dafür verantwortlich, da sie der Meinung waren, ich würde ihm den Kopf verdrehen. Zu meiner Verteidigung habe ich ihn nie dazu angespornt, aber ich fande das Verhalten äußerst niedlich.
Ich besuchte früher, als Katharina noch lebte, oft die Whitenights und Peter kam nicht darumherum, mir immer folgen zu müssen. Er konnte den Whitenight-Erben, Katharinas Bruder, nicht leiden. Die beiden stritten sich oft, mussten immer in ihrer Wolfsgestalt kämpfen und sich gegenseitig verprügeln. Es war eine Zeit des Chaos, aber ich mochte sie. Die beiden Alpha lebten damals noch in Harmonie trotz ihrer Kämpfe. Meistens brachen Kämpfe auch nur aus, weil Jason Whitenight Peter als Schande, wegen seiner Liebe zu mir, betitelte und Peter Blackstrom Jason beschuldigte, kein wahrer Werwolf zu sein, da er vor der Übernahme der Alpha-Kräfte blaue Augen als Wolf hatte. Aber meistens war das alles nur Nebensächliches. Wir hatten ein gutes Leben, bis sich alles änderte.
Peter hasste es zu töten. Aber er war der einzige Sohn der Blackstorms und musste demnach die Kräfte seines Vaters übernehmen. Thomas stellte sich erst sehr quer, da er die Beziehung von mir und Peter nie befürwortete und dafür verachtete Peter seinen Vater, aber letztendlich überließ Thomas ihm seine Kräfte.
Über 15 Jahre lebten wir im Glauben, Chao-Xing würde noch irgendwo da draußen sein, aber wie sich herausstellte, verstarb sie bei einem Massaker und Peter ist nie dazugekommen, sich für alles zu entschuldigen. Diese Gedanken plagten ihn seit ich mich daran zurückerinnere und der Hass seiner Kinder erleichtert es ihm nicht.
"Sie müssen es nicht verstehen." Ich drehte mich um und sah ihm direkt in die Augen. Er zeigte mir nicht die roten Augen des gefürchteten Alphas, sondern die braunen, ängstlichen Augen des Mannes, der nur seine Familie beschützen wollte. "Solange sie leben, brauchen wir keinen Dank oder Verständnis. Sie müssen nur in Sicherheit sein."
Er kannte diese Worte. Es war immerhin immer das Gleiche. Peter verlor die Bindungen zu seinen Geliebten und wurde von ihnen gehasst, aber er liebte sie weiterhin. Er benannte unseren ersten Sohn nicht grundlos nach seinem Vater, dessen Leben er nahm. Unsere Kinder wissen es nicht, aber wir haben sie alle nach unseren Vorfahren benannt, um ihnen unseren Respekt zu zollen.
"Jiaki Chao-Xing Miyarayo." Leicht hauchte er den Namen unserer ersten Tochter. Als er sie das erste Mal in den Armen hielt, konnte ich das Glück, die Liebe und Freude nach all den Jahren der Hoffnungslosigkeit in seinen Augen sehen. Er liebte dieses Mädchen, aber er konnte sie nicht beschützen. Er hasste sich mehr dafür, als sie ihn jemals hassen könnte. Der Verlust der Eltern ist schlimm und ein Waise leidet sehr darunter, aber kein Vater sollte sein Kind zu Grabe tragen, keine Mutter sollte ihr Kind tot in den Armen halten. Es gibt keine Bezeichnung, wie Waise, für Eltern, die ihre Kinder verloren haben, da es so etwas nicht geben sollte. Man hat ein Kind geboren und will es beschützen. Man liebt es bedingungslos und würde für seinen Erben sein Leben geben. Doch Peter konnte es nicht. Um alle anderen zu retten, musste er die Bürde auf sich nehmen und das Kind, welches er nach seiner geliebten Mutter benannte, opfern.
"Thomas Nalio Blackstorm." Ich trat an meinen Mann heran und flüsterte den Namen unseres ersten Sohnes. Thomas ähnelte mir in beinahe allen Bereichen, was Peter immer mit Glück erfüllte. Er wollte nicht, dass seine Kinder so verdorben und verhasst wie er, werden. Er wollte, dass sie so strahlend und glücklich durch die Welt gehen, als sei nichts dabei. Wir wollten nur das beste für sie und Thomas in dieser Situation zu sehen, in der ihn der Hass zerfrisst, brach uns das Herz. Er war früher so ein aufgeschlossener und glücklicher Junge, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob der heutige Thomas wirklich mein Sohn war. Ich konnte verstehen, dass er Peter hasste, aber ich verstand nicht, warum er sich von diesem Hass so zerstören ließ.
"Leonard Peter Blackstorm." Peter nahm meine Hände in seine Hand und zog mich etwas zu sich. Meine Hände waren zwar nass und wir hatten viele Gäste, aber das kümmerte ihn nicht. Als er den Namen unseres jüngsten Sohnes sagte, entstand bei mir ein Schauer. Es war immer sehr problematisch mit ihm. Ich kann mich nicht so genau an die Geburt zurückerinnern, aber ich weiß, dass er nicht geschrieen hat. Ich hatte so unglaublich Angst um ihn, da ich es nicht verkraftet hätte, noch ein Kind zu verlieren. Er sollte so stark und mächtig, wie Peters Großvater, und genauso liebend, wie Peter selbst werden. Aber abgesehen von seinem Aussehen wirkte er immer Fehl in unserer Mitte. Er war zurückhaltend, schweigsam, hatte keinerlei Präsenz und war ein viel zu guter Lügner. Ich liebte diesen Jungen, aber manchmal fragte ich mich, ob das wirklich mein Sohn war. Ich hätte nämlich schwören können, dass beide Zwillinge tiefschwarze Haare hatten, aber ich irrte mich da sicherlich nur.
"Olivia Koyira Blackstorm." Peter verkrampfte sich, als ich den Namen unserer jüngsten Tochter laut aussprach. Er liebte dieses Mädchen. Als er sie in den Armen hielt und ihre Hand halten konnte, erkannte ich meinen alten Ehepartner wieder. Nachdem wir Jiaki verloren hatten, war er nicht mehr der gleiche, doch als Olivia auf die Welt kam, schwor er sich, dass er sie beschützen würde. Das Siegel war gebrochen und die Zwillinge drohten, Chimären zu werden, was zu einer erneuten Konfrontation mit den Jägern geführt hätte, was wir verhindern wollten. Jedenfalls dachten wir es, aber wie sich herausstellte, hatten die Jäger andere Sorgen. Wir belogen sie, unterdrückten mit Gewalt ihre Nagual-Kräfte und hofften, dass es niemals zu Tage kam. Wir konnten nicht noch einen Verlust hinnehmen. Und als sie dann entführt wurde, konnte ich einen Hass in Peters Augen sehen, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Für ihn war Familie alles und wenn man einem Mann alles nimmt, sollte man sich darauf gefasst machen, dass er mit allem kämpft, was er hat, da er nichts mehr zu verlieren hat.
"Caliria Miyarayo." Überrascht blickte ich auf. "Du weißt, dass die Luna immer zurückbleibt, oder?" Vorsichtig strich er meine wirren Strähnen aus meinem Gesicht und umschlang meinen Körper. "Der Alpha wird von seinem Erben getötet und die Luna bleibt zurück. Ich will dich aber nicht mit diesem Schmerz alleine lassen. Ich möchte nicht mit dem Gedanken sterben, dass du leiden wirst!"
Ich spürte einen Schauer über meinen Rücken jagen. Er sorgte sich nicht um seinen eigenen Tod, sondern um die Verbleibenden. Wieso war er nur so? "Peter Blackstorm." Fragend gab er ein leichtes Geräusch von sich. "Ich rechne jeden Tag damit, dich zu verlieren. Wenn ein fremder Wolf den Alpha tötet, werden Frau und Kinder ebenfalls ermordet. Ich wäre bereit für dich, meine Kinder und meine Familie zu sterben und auch für sie zu leben. Mach dir keine Sorgen um mich. Solange unsere Kinder leben..."
"...müssen wir nichts fürchten."

"Das war sehr unangenehm." Leise schloss ich die Tür und legte meine Klinge beiseite. "Die Nacht wird bestimmt lang. Ich frage mich, worüber die anderen jetzt alles reden werden." Leichtfüßig sprang ich über den Boden und dann in das weiche Bett. "Wie lange es wohl her ist, seitdem wir in einem weichen Bett lagen?" Freudig schmiegte ich mich in die weichen Lacken und atmete den angenehmen Geruch von frischer Wäsche ein.
"Sieben Jahre." Das Bett bewegte sich leicht, als eine weitere Person sich auf dieses setzte. "Ich erinnere mich noch, wie außer Atem du erstmal daneben gesprungen bist und mir dann weismachen wolltest, es wäre Teil deiner Show gewesen." Ich hörte ein leichtes Lachen in ihrer Stimme und musste schmunzeln. Sie lachte viel zu selten, was wirklich schade war.
"Was soll ich sagen? In dieser Situation hätte ich auch viel seriöser wirken müssen!" Empört wollte ich mich aufrichten, aber durch die ganzen Decken und der weichen Matte, sank ich wieder zurück und landete mit meinem Gesicht voran im Bett.
"Mir gefällt diese Seite von dir viel mehr." Etwas grob packte sie meinen Arm und zog mich hoch. Sofort schaute ich in ihre großen vertrauten Augen, die beide eine andere Farbe besaßen. "Du bist 33 Jahre alt und benimmst dich wie ein kleines Kind. Es ist bewundernswert, dass du nach all den Ereignissen noch so unbekümmert lachen kannst."
Grinsend legte ich meinen Kopf schief. Ich hatte diese Bewegung nur angenommen, da Jiaki früher selbst ihren Kopf immer schief legte und ich das äußerst niedlich fand. Anfangs äffte ich nur nach, aber mittlerweile ist diese Haltung eine ganz natürliche Bewegung von uns beiden. "Wir müssen den anderen davon aber immer noch erzählen." Etwas ernster rutschte ich etwas näher an meinen Partner. "Du weißt, wovon ich rede, oder?"
"Die drei Könige." Sofort verdunkelten sich ihre Augen und ich konnte sehen, wie schmerzhafte Erinnerungen und Hass in ihr brodelten. Aber auch ich erinnerte mich an die drei Könige und das Blut meiner Geschwister, welches sie vergossen haben.
"Aber wir wollen unseren Urlaub mit solchen Dingen nicht verderben!" Sofort zuckte die Chimäre zusammen, als ich meine Stimme erhob und enthusiastisch in die Hände klatschte. Jedoch wirkte sie sofort verwirrt, da der Aufenthalt in ihrem alten Heim nicht ganz als Urlaub galt. "Lass uns lieber etwas lustiges machen." Ich packte ihren Arm und zog sie mit einer fließenden Bewegung in das Bett und warf mich selbst neben sie.
"Warum sollte ich dir diesen Gefallen erweisen?" Fragend stieß sie mir leicht in die Seite, aber starrte weiterhin die Decke an.
"Weil ich deine Frau bin und du mich liebst vielleicht?" Empört schob ich meine Unterlippe vor, aber Jiaki schenkte mir keine Beachtung.
"Das letzte Mal, als wir etwas lustiges in einem weichen Bett unternommen haben, war in unserer Hochzeitsnacht von vor sieben Jahren und da hast du nur andere Gäste mit unserem Essen beworfen, fast die gesamte Bar ausgetrunken und die Menschen mit der Miyarayo-Klinge verängstigt. Am Ende durften wir in der Polzeiwache auf unsere Entlassung warten, da du betrunken mit Autos und Fahrrädern Jenga spielen wolltest, also nein, ich habe nicht das Bedürfnis in Nalawe mit dir etwas lustiges zu unternehmen."
Ensetzt setzte ich mich auf. "Du bist so grausam. So schlimm war das gar nicht!"
Zweifelnd hob meine Frau eine Augenbraue und schenkte mir ihren altbekannten Blick, der mir sagte, ich sei dumm und solle mal genau nachdenken. "Du wolltest mit einer Decke von einem Hochhaus springen, um Superman nachzumachen, bist in einen Gulli geklettert, um gegen Alligatoren zu kämpfen und hast mit sechs Pizzen Frisbie gespielt und bist in Tränen ausgebrochen, als sie nicht fliegen wollten. Und du warst zu dem Zeitpunkt schon über 25!"
Ich kniff meine Augen zusammen und zog eine leichte Grimasse. "Und trotzdem liebst du mich."
Ein leichtes Lächeln erschien auf Jiakis Lippen. "Ja, das tue ich, Tyra."

If I hadn't met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt