228-ein Herz mit tausenden Löchern

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"Honor?"

"Ja?" Suchend laufe ich durch das große Haus, halte Ausschau nach dem Mann, der mich rief. "Wo bist du?"

"Wir sind hier!", ruft er und ich erkenne anhand des Schalls, dass er sich im Badezimmer befindet, wo ich hinlaufe, etwas dabei lache.

Langsam drücke ich den Türgriff zum Badezimmer runter, entdecke den Mann und das kleine Mädchen, in der Wanne sitzen. Schützend drückt er sie an seine Brust, damit sie nicht unter das Wasser rutscht, ertrinkt.

Sie ist sein Ein und Alles und wird jeden Tag von ihm beschützt.

Unser kleiner Lockenkopf strampelt etwas mit den Füßen, plantscht mit den winzigen Füßen, die kleiner als Harrys Hände sind, im Wasser, kichert dabei, so gut sie es halt kann. Für ihre vier Monate arbeitet sie jeden Tag aktiv mit ihrem ganzen Körper.

"Ich denke, dass da jemand raus möchte", meint Harry, worauf ich jedoch meinen Kopf schüttele, mich mehr zu der großen Badewanne bewege.

"Sie will nicht raus." Schnell suche ich die gelbe Ente, mit der blauen Mütze, die wir vor sieben Jahren bei unserem Trip an die Küste kauften. Klara liebt sie.

Der Urlaub brachte zwar keinen Erfolg, was Harrys Gedächtnis angeht, da er sich an nichts erinnerte. "Ich spüre Liebe in mir, die ich wegen dir spüre, aber ich habe keine Erinnerungen an das, was sie hervor rief und an alte Dinge zwischen uns. Ich weiß nicht einmal, warum du mich fragtest, ob ich dein OneRepublic Oberteil peinlich finde."

Wir erhielten keinen Erfolg, doch er blieb bei mir.

Wir kämpfen jeden Tag seit sieben Jahren gegen die Lücken in seinem Kopf und damit unserer Beziehung an.

Am Strand weinte ich dann viel, während der Mann mich an seine Brust zog, keine Ahnung besaß, wie sehr er mich damit beruhigte, weil er nicht mehr weiß, dass ich es ihm einmal erklärte.

"Hier. Quietsche damit mal vor ihrem Gesicht", fordere ich ihn auf, überreiche die Ente an ihn, bevor er damit vor den Augen unserer Tochter rum quietscht, die nun freudig auflacht. Wild streckt sie, ihre Hände nach vorne, versucht das Tier zu greifen, welches Harry ihr nun langsam gibt. "Siehst du", lache ich, streiche dabei ein paar der kleinen, lockigen Strähnen aus ihrer Stirn.

Es war mir schon an dem Tag bewusst, an dem ich erfuhr, dass ich schwanger bin, was für Haare und Augen meine Tochter besitzen wird. Braune Locken und diese grünen Augen, die sie nur von einem Mann geerbt haben kann.

Harry weiß nicht mehr, welche Wirkung seine grünen Augen auf mich besitzen, er weiß nur, dass etwas jedes Mal in mir passiert, wenn er mich ansieht.

Fünf Minuten vergehen, in denen ich vor der Wanne knie, meinem Mann und Tochter beim Baden zu sehe, bis es zu lange für das Baby wird, weswegen ich ihr pinkes Handtuch hole, in das ich sie einwickle, nachdem der Lockenkopf sie mir überreichte.

Der Schaum in der Wanne ist mittlerweile auch verschwunden und man erkennt alles bei Harry. Verlegen schaue ich weg, obwohl in sieben Jahren viel zwischen uns geschah.

"Ich geh sie anziehen", teile ich ihm mit, hebe meine leicht schlummernde Tochter auf meine Arme, ehe ich in ihr Zimmer gehe, wo sich alles befindet.

Harry richtete es wunderbar ein, gestaltete es wunderschön.

Den Wunsch etwas mit Mathematik zu machen, gab er sofort auf, nachdem er aus dem Krankenhaus kam. Er wollte dann unbedingt Architekt werden, was er umsetze. Mein Traum Erzieherin zu werden setze ich selber in den Sand, weil er sehr lange eine Betreuung brauchte.

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