243-Chamäleon

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"Ostern, Ostern!"

Kreischend, wild rauf und runter fliegend springt Olivia seit fünf Minuten auf meinem Bett, fällt manchmal, wenn sie auf meinem oder Harrys Beinen landet, dadurch ausrutscht. In ihrer kurzen Hose und dem Oberteil mit einem pinken Chamäleon drauf sieht sie süß aus, was die lockigen blonden Haare nicht drehen können.

Murrend dreht Harry sich, seinen Kopf auf meine Brust legend und einen Arm um mich schlingend. Seine Locken fallen mir ins Gesicht, weswegen ich sie weg puste. Mit einem Schmunzeln streiche ich sanft über seinen Rücken, bis er rau und fertig murmelt: "Vergiss das mit den Kindern. Sofort!"

Ich muss lachen, frage ihn: "Wieso?"

"Weil ich das-" Mit einer Armbewegung, die wahrscheinlich zu Olivia deuten soll, will er mir klar machen, wovon er redet. Er spricht offensichtlich von meiner Tür, laut seiner Handbewegung. "Nicht dreimal im Jahr aushalte."

"Ostern?"

"Geburtstag und Weihnachten. Alleine bei einem Kind", bringt er mir seine Gedanken näher, schnaubend, die Augen geschlossen auf meiner Brust dösend. "Zwei wären noch schlimmer."

"Aufstehen!" Olivia ruft wieder laut, fällt erneut hin, da sie scheinbar auf Harrys Bein landet, der sich noch mehr an mich drückt.

Das Mädchen wirkt so glücklich, aufgeregt und zufrieden, während ihr Freund und meiner nur grummelnd weiterschlafen möchte, kein Stück bewegt. Halb sieben ist einfach nicht seine Uhrzeit.

Sanft über Harrys warme Wange streichen, ihn verträumt musternd und mit trotzdem mein Grinsen nicht verkneifen könnend, meine ich liebevoll, säuselnd zu ihm: "Bleib du noch etwas liegen. Ich helfe Olivia beim Anziehen und Zähneputzen", ehe ich mich vorsichtig aus seinem Griff löse, den schweren Kopf achtsam auf das Kissen lege und dann, mit dem Mädchen an meiner Hand, den Raum verlasse.

"Suchen wir jetzt die Eier?", erkundigt sie sich aufgeregt bei mir. Den Weg ins Badezimmer beschreitet sie hüpfend, strahlt. "Versteckt der Osterhase sie und dann suchen wir sie zusammen?"

"Nachdem du dich angezogen und Zähne geputzt hast", versichere ich ihr, öffne die Tür zum Bad.

Einverstanden damit, hastig nicken geht sie zum Waschbecken, wo sie auf mich wartet, damit ich ihr, wie jeden Morgen und Abend, die Zahnbürste gebe. Seit vier Tagen. Oft sitzen Harry und ich einfach auf dem Rand der Badewanne, oder einer von uns auf dem Klodeckel, beobachten Olivia dabei, wie sie sich quatschend die Zähne putzt, weswegen es häufig länger als fünf Minuten dauert.

Doch heute schweigt sie, schrubbt mit der Bürste in ihrem Mund hin und her, steht ordentlich am Waschbecken, spuckt nur ein paar Mal aus. Mir gefällt dieses Apriko ihres Oberteils, welches sie letztens scheinbar neu bekam.

Ihre Mutter arbeitet heute ebenfalls. Sie arbeitet immer, in meinen Augen und seit der Sache am Donnerstag, verabscheue ich diese Frau noch mehr, als damals schon im Krankenhaus. Wir helfen ihr, kümmern uns an Ostern um ihre Tochter, weil sie selber nicht fähig dazu ist und dann passiert so etwas.

Harry und ich wollten mit Olivia ins Hallenbad gehen, dort mit ihr schwimmen. Deswegen holte der Mann sich vorher bei der Frau die Erlaubnis. Er meinte, sie klang begeistert, erfreut und bedankte sich bei ihm, dass er solch ein Ereignis ihrer Tochter ermögliche.

Und dann erzählt Olivia uns, als wir ihr von unserer Idee berichten, dass ihre Mutter ausdrückliche meinte, nicht ins Schwimmbad zu dürfen.

Wir haben es sehr lange nicht begriffen, bis Harry aufgebracht abends mit ihr telefonierte. Nachdem wir trotzig doch ins Schwimmbad gegangen sind.

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