So gestaltet es sich, dass ich hinter Maja alleine her trotte, immer wieder nur darauf warte, dass einer der Verantwortlichen mich mustert und dann laut vor allen anderen fragt, wo mein Partner sei.
Diese Frage kann ich ihnen dann selber nicht so genau beantworten, weiß nur, dass er scheinbar meinetwegen verschwand.
Schon zum vierten Mal müssen wir zurück zum Eingang, uns ordentlich, stramm und gesittet in einer Reihe aufstellen, stolz die Köpfe heben und genau auf den fünften Takt der Musik mit dem Einmarsch beginnen, wobei ich mir sicher bin, Harry würde diese Einweisung nicht schaden.
Eine Frau mit Brille und Klemmbrett, einen engen Bleistiftrock und Bluse tippt mit ihrem Fuß auf den Boden, beäugt uns alle kritisch, um jegliche Fehler sofort festzustellen. Die blauen Augen schauen leicht über den Brillenrand hinweg, mustern nun mich, bis ich an ihr vorbei bin und erleichtert aufseufze.
Immer noch verstehe ich nicht ganz, wieso Harry einfach verschwand und was er mit seinen Worten meinte. Sie verwirren mich, weniger als der Brief, aber gut genug, dass ich Maja aus Versehen in den Hacken laufe und sie vor Schmerzen leise auf quiekt. Sofort nuschele ich, peinlich berührt, ein Entschuldigung, schaue verlegen auf den Boden.
Unser ganzer Trupp wird von der Schülersprecherin angeführt, auf der gleich Charlotte folgt. Ihre Eltern spenden jährlich einen Haufen an Geld an die Uni. Vielleicht hat ihre Führungsposition etwas damit zu tun oder es liegt daran, dass ihr Studium zu den unwichtigen und kleinen gehört.
Um ehrlich zu sein, habe ich keinen blassen Schimmer, was sie überhaupt studierte, kenne nicht einmal mehr den fachmännischen Namen dafür. Ein Studium für Tussis scheint wohl aber noch nicht zu existieren.
"Warum ist Harry abgehauen?", zischt Maja mir zu, erneut den Rückweg antreten. Wir sollen, laut einem alten Mann mit gestreiften Pollunder und grauen Bart, die Treppe nicht im Takt der Musik hoch gegangen sein. Deshalb wird dies erneut geübt. Natürlich ganz von vorne.
"Frag ihn das lieber selber", entgegne ich ihr, unwissend mit den Schultern zuckend.
"Ihr habt aber wieder miteinander gesprochen?", fragt sie mich weiter aus. Ihre Augen strahlen dabei neugierig. "Stimmt's?"
"Wenn du es als miteinander sprechen bezeichnest", zucke ich mit den Schultern, da ich diese Art von Konversation, die ich mit Harry führte, nicht einmal als solch eine bezeichnen würde. Eher als ein Austausch von wütenden, sowie unverständlichen Worten nach mehreren Jahren.
Er verwirrt mich einfach zu sehr.
Erschöpft lasse ich meinen Kopf hängen, hole tief Luft und versuche an etwas anderes, als die Schmerzen in meinen Füßen und Nacken zu denken, was mir aber nicht leicht fällt. Das Ziehen in meinem Hals tut weh, breitet sich bis in meinen Kopf aus, wodurch mich auch noch Kopfschmerzen plagen. Meine Füße brennen, sodass ich nicht mehr stehen, sondern nur noch liegen möchte.
Und wenn es auf dem schmutzigen Boden stattfindet, auf dem wir nun schon zum sechsten Mal laufen -es stört mich nicht.
"Worum ging es denn?" Maja dreht sich wieder, in einem unbeobachteten Moment, um. "Habt ihr über den Brief gesprochen?"
"Sozusagen", meine ich bloß, worauf sie genervt ihre Augen verdreht, aufstöhnt. "Also ich habe ihm ein wenig meine Meinung dazu gesagt. Eher ging es jedoch, um die Sache mit Jonathan, da er davon Wind bekommen hat."
"Jonathan hat von Harry Wind bekommen?", erkundigt Maja sich, durcheinander ihr Gesicht verziehend. Irgendwie sieht es lustig aus, doch ich kann nicht drüber lachen, da ich ihr die Sache mit Harry und dem eingebildeten Mann erklären muss.
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...