252-seine Augen

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Den Koffer hinter mir herziehend eile ich zu Gleis 4, schnaube schon erschöpft. Verzweifelt erhoffe ich mir den Zug noch rechtzeitig zu erreichen, damit ich nicht eine Stunde warten muss.

Ausgerechnet mir passiert so etwas wieder, da ich Tollpatsch die letzte, überlebende Vase in der Wohnung runter gehauen habe, als ich nach meinem Ticket suchte, aus der dann das gesamte Wasser lief, sich über den Boden des Wohnzimmers schön verteilte, weswegen ich die Sauerei noch aufwischen musste und nun meinen Zug um wahrscheinlich wenige Minuten verpasse, wenn ich nicht einen Zahn zulege.

Hastig greife ich den Griff des Gepäckstücks, trage es die Treppen runter, die mir wie tausende erscheinen. Ganz unten, gleich vor der letzten Stufe befindet sich eine Pfütze, über die ich rüber springe. Fast rutsche ich aus, kann mich jedoch gerade noch so aufrecht halten und weiter rennen, durch die mir entgegen kommenden Menschen.

Einem alten Mann bin ich bestimmt schon aus Versehen auf den Fuß getreten, den er sah mich so wütend an und regte sich mit einem lauten 'Autsch' auf, worauf ich nur weiterlaufend zurückrief: "Entschuldigung!"

Die Räder meines Koffers, welchen ich nun wieder ziehe, hallen durch den gesamten Tunnel und der Rucksack auf meinem Rücken wackelt nervig hin und her. Es nervt, jedoch sage ich mir selber, dass es umso schneller endet, umso schneller ich laufe. Also erhöhe ich mein Tempo erneut, spüre die Erleichterung in mir, als ich das Schild erblicke, welches Gleis 4 sagt.

Erneut hieve ich meinen Koffer hoch, nehme manchmal zwei Stufen auf einmal, bevor ich zu dem Zug über den Bahnsteig renne, es gerade noch so durch die Tür schaffe, die sich hinter mir augenblicklich schließt.

Schnaubend, erst mal Luft holend sehe ich mich um, weiche schnell dem Blick eines jungen Manns aus, der mich belustigt mustert, wie ich hier stehe und bestimmt ganz kaputt aussehe. Meine Haare richte ich ein wenig, indem ich mit meiner Hand rüber streiche. Am liebsten würde ich auf was gegen meine roten Wangen unternehmen, greife dann aber einfach nach meinem Koffer und bewege mich von dem Mann mit den braunen Haaren weg, suche mir einen freien Platz.

Nicht besonders viele Menschen befinden sich in dem Gefährt, weswegen ich schnell einen Sitzplatz finde, auf dem ich mich erleichtert fallen lasse, meinen Rucksack vorher absetze. Während die grüne Landschaft mit den Bäumen und Seen draußen an mir vorbeizieht, wir uns immer mehr von London entfernen, tippe ich eine Nachricht in mein Handy, die ich meiner Mom schicke.

Sie weiß mittlerweile Bescheid, dass ich schon heute komme und bat mich darum, ihr zu schreiben, wenn ich im Zug sitze.

Bin im Zug, tippe ich also, hole tief aus der Lunge Luft. Hauptsache alles läuft gut. Ich möchte nicht ständig an Harry denken, sondern mich auf mich, meine Familie und den Kindergarten konzentrieren können. Vor Mom und Dad in Tränen auszubrechen kommt ganz und gar nicht gut.

"Wunderbar. Hast du Hunger?", nuschele ich leise Moms Antwort, der noch ein grinsender Smiley folgt. Diese Dinger benutzt sie immer öfters. Manchmal auch nur noch, wo ich mich dann manchmal frage, was sie damit meint.

Nicht wirklich...

Zuhause aß ich eine Banane, da die Äpfel leer sind, ehe ich mich ans Packen machte. Großen Hunger verspüre ich jetzt aber nicht gerade, weswegen meine Mutter sich keine Umstände machen soll. Bis zum Abend überlebe ich locker.

Wenn du angekommen bist, frage ich dich nochmal.

Schmunzelt antworte ich auf ihre Nachricht: Mit etwas anderem habe ich auch nicht gerechnet, bevor ich mein Handy wieder wegstecke, seufzend aus dem Fenster blicke.

Bestimmt werden öfters Fragen bezüglich, Harry aufkommen, die ich dann abwehren oder irgendwie geschickt beantworten muss. Mom wird sich um mich kümmern, ständig zu viel -wie immer- kochen und ich werde viel im Kindergarten helfen. Solange ich dann abgelenkt bin.

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