321-Skepsis

534 72 31
                                    

Überglücklich springe ich den beiden Männern gleichzeitig um den Hals, ziehe sie so stark zusammen, dass sie sich fast ihre Köpfe stoßen. Lächelnd wuschele ich dem Braunschopf durch die Haare und danach seinem blonden Freund, der mich an der Hüfte sicher festhält.

"Hi", begrüße ich die beiden, eventuell etwas zu laut, in ihre Ohren, bis ich mich dann langsam von ihnen löse, breit strahlend beide mustere. Wie lange hab ich sie jetzt schon nicht gesehen? Zwei Wochen?

Und das wäre für unsere Verhältnisse wirklich lang.

"Habt ihr Anne schon kennengelernt?", beginne ich sofort hektisch zu plappern, bin total aufgedreht. "Sie ist Harrys Mom."

Die Frau kommt nun langsam auf die beiden Jungs zu, schüttelt erst die Hand des Älteren, danach des Jüngeren, der sich verlegen durch die Haare fährt. Seine leicht gebräunte Haut strahlt durch das klare Weiß seines Oberteils, auf dem sich ein buntes Dreieck befindet. Dazu trägt er passend eine schwarze, enge Hose, mit Löchern an den Knien.

Sein Freund steckt in einem Hemd, dessen Knöpfe sehr spärlich zugemacht wurden. Auch er trägt eine enge Jeans und Boots dazu.

Beide erinnern mich zu sehr an Harry, was ich aber schnell bei Seite schiebe.

Er wird sich melden, da bin ich mir sicher. Schließlich hat er es mir versprochen, versichert und ich vertraue ihm. Nach diesem Tag heute wird alles gut werden, wir endlich glücklich und frei sein. Nie wieder muss er hiernach ein Wort mit seinem scheußlichen Vater reden.

"Nathan. Ethan!" Kreischend kommt Olivia aus dem Wohnzimmer gelaufen, springt direkt in die Arme der beiden Männer, die das kleine Mädchen liebevoll umarmen, fest umschließen.

"Hi", kommt nun endlich eine Antwort von dem Blondschopf, der sofort Skepsis in mir wach ruft. Er klingt angespannt, so als stünde er unter Zeitdruck. Mit einem unwohlen Blick setzen die beiden Olivia auf den Boden, die sich an meine Beine nun drückt, müde meine Hand hält.

"Kannst du mir einen anderen Film einlegen?", fragt sie mich bittend, worauf ich nicke, ihr sanft durch die blonden Haare streiche.

"Geht ihr schon in die Küche. Ich komm gleich nach", teile ich beiden mit, bevor ich mich mit dem Kind ins Wohnzimmer begebe, dort den offen stehenden Laptop entdecke, den ich zuklappe. Ihr Gespräch mit ihrer Mutter scheint vorbei zu sein.

In unserem DVD-Schrank suche ich verzweifelt nach einem Film, der für das Kind geeignet sein könnte, bin jedoch nicht erfolgreich. Deshalb nehme ich mir einfach den Laptop von Harry, stecke diesen an den Fernseher an und kaufe einen Zeichentrickfilm im Internet, der nun abgespielt wird.

Irgendetwas stimmt mit meinen beiden besten Freunden nicht, und das ist gerade die Tatsache, die mich fertig macht. Was ist bei den beiden los? Haben sie sich gestritten? Warum sind sie überhaupt schon zurück?

"Wenn du uns suchst, Olivia, dann findest du uns in der Küche", teile ich ihr unruhig mit, schon an der Tür stehend und diese nach einem Nicken des Kindes, hinter mir schließend.

Aus der Küche höre ich niemanden außer Anne sprechen, die Ethan und Nathan zu erzählen scheint, wo Harry sich gerade befindet und was er dort tut. Sie selbst klingt besorgt und nicht so ruhig, wie sie sich gibt. Doch sie nimmt es besser, als ich, bleibt lockerer und zuversichtlicher, während ich jedes Mal die schlimmsten Bilder vor meinem Inneren sehe, wenn ich nur an den Lockenkopf oder seinen scheußlichen Erzeuger denke.

"Und Niall ist mit ihm", beendet Anne ihr Rede, den Wasserkocher von der Theke nehmend, um heißes Wasser in die Tassen der Jungs zu füllen, in der sich jeweils ein Teebeutel befindet. Auch mir stellte sie eine hin, weshalb ich davor Platz nehme.

Small FreaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt