Immer wieder an den Enden des Rocks zupfend, den Gürtel richtend und mein Shirt glatt streichend, mustere ich mich misstrauisch im Spiegel, starre müden Augen entgegen. Braunen, erschöpften Augen, die sich im Glas spiegeln.
Wir hätten die letzte Nacht doch nicht so lange wach bleiben dürfen.
Irgendwie bin ich mit der Wahl meines Outfits unzufrieden und habe keine Ahnung, wieso. Eigentlich mag ich den Rock -wenn auch erst seit kurzer Zeit- und mein OneRepublic Shirt werde ich auf ewig vergöttern.
Doch mich beunruhigt etwas, stört mich, macht mich nervös. Vielleicht die Tatsache, dass dies unsere letzte wirklich schöne gemeinsame Zeit vor den morgigen Tag sein wird, oder dass ich Anne nun so offiziell treffe, sie einige unserer Freunde kennen lernen wird.
Vorher interessierte es mich nie, jedoch fühlt es sich gerade so ernst an, als würde alles von dem Besuch im Zoo abhängen.
Als würde sie entscheiden, ob ich Harry weiterhin treffen darf, ob ich ihn irgendwann heiraten und mit ihm Kinder bekommen darf. Sie bestimmt gerade, obwohl ich weiß, dass wir beide und gut verstehen und sie nichts gegen mich einzuwenden hat.
"Die schwierige Wahl des Outfits?", ertönt es plötzlich hinter mir, worauf ich mich zum Türrahmen drehe. "Oder denkst du schon wieder?"
Angelehnt an das Holz, die Hände locker in der Hosentasche vergraben, steht der Lockenkopf dort, mich leicht schmunzelnd ansehend. Seine kurzen Haare liegen wild auf seinen Kopf, während die grünen Augen mehr leuchten und strahlen als meine.
Harry sieht so gelassen und frisch aus, ohne ein kleines Problem, das ihn stört.
"Langsam werde ich wahrscheinlich verrückt", murmele ich leise als Antwort.
Seufzend beobachte ich, wie meine zitternden Finger erneut an dem schwarzen Stoff des Rock zupfen, ehe ich den Kopf schüttele, direkt auf Harry zugehe. Dieser schubst mich jedoch auf einmal sanft zurück, bevor ich an meiner Hüfte hochgehoben werde.
Erschrocken ziehe ich scharf die Luft ein, schließe vor Angst meine Augen und lausche aufmerksam den Worten des Mannes, der mich nun wahrscheinlich rücklings aufs Bett legt, da ich Kissen und Decken hinten spüre.
"Mit fünf wollte ich nie jemanden verletzen, tat es trotzdem. Jeden Tag habe ich dir im Kindergarten weh getan, wofür ich mich Zuhause schlecht fühlte", beginnt er mir von etwas zu erzählen, dass ich zuvor nie gehört hatte. "Da gab es dieses schlechte Gewissen, das ich aber immer erst Zuhause bekam. Und einmal stand ich sogar schon vor deiner Haustür und wollte klingeln, um mich zu entschuldigen."
"Was hat dich aufgehalten?", frage ich zaghaft, meine Augen weiterhin geschlossen haltend.
Die warmen Finger des Mannes halten mich weiterhin an der Hüfte, bohren sich in meine Haut, während der heiße Atem gegen meinen Hals prallt, mein Herzschlag daraufhin noch schneller wird. Seine Nähe benebelt meine Sinne.
"Angst, Honor!" Die Atmung von Harry geht schwer, als er weiter spricht: "Die pure Angst davor, dass ich mit einem Mal raus finde, wie viel stärker du bist."
"Das bin ich nicht!"
Noch nie war ich stärker als der Lockenkopf. Nicht damals, und heute ebenfalls nicht.
Häufig weinte ich, musste getröstet werden und konnte nichts. Die schweren Teekannen fielen mir immer aus der Hand, während der sechsjährige Harry sie stolz und mit einer Leichtigkeit halten konnte. Und auch heute änderte sich diese Tatsache nicht. Ich bin schwach, während er für uns beide kämpft!
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...