248-Paradox

768 102 30
                                    

Wärme und Zufriedenheit werden durch Kälte und Trauer ersetzt, Helligkeit tauscht mit Dunkelheit den Platz, gesellt sich an meine Seite, wie seine beiden Freunde.

Rechts von mir befindet sich die Trauer, die Kälte schlingt von hinten ihre Arme um mich und die Dunkelheit sitzt links, direkt an meinem Herzen, neben mir. Sie werden mich nicht, wie andere, verlassen.

Es ist lustig wenn man begreift, dass Gefühle, Wahrnehmungen auf die man verzichten könnte einen nie verlassen, nur die Menschen, die man unbedingt in seinem Leben braucht. Paradox.

Dunkelheit, Trauer, Kälte und Schmerz sind scheinbar ein neuer Teil meines Lebens geworden, welches ich leben soll. Harry möchte es so. Ich soll die Dunkelheit meine beste Freundin nennen, die Trauer meine Luft, die Kälte mein Zuhause und den Schmerz meine Medizin.

Und zusammen bilden sie ein Geschöpf, welches rote Wangen und Augen besitzt, mit geknickten Kopf, zusammengekauert und verwuschelten Haaren durch die dunkle Welt streift. Sie erstellen Etwas, doch keine wahre Person. Jemand, der Schmerzen empfindet, sich verlassen, schwach fühlt, einsam. Sie bilden mich.

Kaum noch Mensch, kaum noch Leben.

Seit einer Stunde bewege ich mich in Nathans Armen nicht mehr. Kaum atme ich, schluchze bloß lediglich wimmert, leise, meine Finger in seine Haut krallend. Ich liege an seiner Brust, lausche dem unbekannten, unangenehmen Herzschlag. Es ist nicht Harrys, nicht der bekannte Beat, sondern Nathans eigener. Eine Stunde lang.

Meine müden Augen halte ich halb offen, schaue nur schwach durch den kleinen Spalt zu Ethan, der vor der Couch kniet, liebevoll durch meine Haare streicht, welche ich in meinem Nervenzusammenbruch stark durcheinander brachte.

Es gab einfach diesen Punkt an dem alles in mir aufgab, ich mir selber sagte, dass es Nichts mehr gibt um noch irgendwie zu kämpfen, während ich mich gleichzeitig für diese Ansicht schämte. Und deswegen brach ich zusammen, schrie laut, qualvoll, meine Haare raufend, kniend zu Boden, den Mund weit offen und einen hochroten Kopf.

Der Geist, der Körper, der Verstand gaben auf, nutzten all ihre letzten Kräfte, ehe der Mann mit den blonden Haaren mich ins Wohnzimmer trug, wo er sich mit mir setzte, eine Decke über meinen bibbernden Körper zog und nun so seit einer Stunde hier mit mir sitzt. Der besorgte Ethan direkt vor uns, eine Hand ruhig auf meinem Bein liegend.

Manchmal möchte einer der beiden etwas sagen, einen Versuch starten mich aufzumuntern, doch sie geben selber auf, lassen es sein. An mir, meiner schlaffen Haltung, den hängenden Kopf und Schultern, dem trüben Blick sieht man, dass es keinen Sinn hat.

Ich höre kaum etwas, auf Grund des lauten Rauschens von Blut in meinen Ohren.

Mühselig rackert mein Körper sich ab, mich mit den letzten Ressourcen zu versorgen, die er auftreiben kann. Der wahrscheinlich letzte Versuch irgendetwas zu retten, wo es nicht mehr viel gibt.

Wie in einem Vakuum fühle ich mich leer gesaugt, zusammengezogen. Ebenso herrscht in mir die Atmosphäre. Dunkelheit, Kälte.

Die dicke Decke bringt auch keinen großen Nutzen, sorgt nur kümmerlich für ein wenig Wärme, so etwas wie ein Temperaturanstieg.

"Rub?" Vorsichtig weckt Ethan meine Aufmerksamkeit, streicht eine Strähne zärtlich aus meinem Gesicht. "Möchtest du vielleicht etwas zu trinken?"

Schweigend schüttele ich zäh meinen Kopf, blinzele müde mit meinen Augenlidern. Auch wenn meine Kehle sich trocken wie die Sahara anfühlt, verspüre ich keinen Drang etwas Wasser zu mir zu nehmen oder wenigstens meine spröden Lippen anzufeuchten.

"Was essen?", fragt Ethan mich weiter, erneut ein Kopfschütteln erhaltend.

Das Loch in meinem Magen trägt eine andere Bedeutung und selbst wenn es der Hunger sein sollte, bekomme ich nicht viel herunter. Da gibt es keinen Antrieb mehr etwas zu essen, keinen Grund oder die Kraft etwas zu halten, mich wegen so etwas zu bemühen.

Small FreaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt