209-Freiraum

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"Hör auf mir mein Essen zu klauen", keife ich Ethan gereizt an, da er sich erneut ein Stück Apfel von mir klaut, den ich mir heute früh mühselig geschnitten habe und dabei fast meinen Zeigefinger verloren hätte. "Du kannst dir selber was mitnehmen!"

"Aber deine Äpfel schmecken einfach am besten", entgegnet er keck, greift sich ein weiteres Stück aus meiner Brotdose, worauf ich ihm diese einfach die Augen verdrehend hinschiebe, mich mit verschränkten Armen zurück an die Lehne des Stuhls lehne.

Die Zeit vergeht so schnell, wie die Welt sich dreht.

Schleppend, unendlich kriechend und man mag es gar nicht glauben, wenn eine weitere Minute vergangen ist.

Traurig schaue ich durch die Menge der Studenten, die es sich bequem hier draußen gemacht haben, obwohl weiterhin eisige Temperaturen herrschen. Einige hocken auf einer Bank, andere stehen an die alte Steinwand gelehnt da, während ihre Freunde sie mit irgendeinem Thema vollquatschen.

Ähnlich läuft es zwischen mir und Ethan ab, der den Inhalt meiner Dose in wenigen Minuten verputzt hat. Und was kann ich jetzt essen?

"Weißt du, ich hab mir aber nichts anderes mitgenommen!", meine ich auf seine Aussage, sehe ihn wieder an. Meine Augen starren ernst auf die Schachtel, die er mir hinhält, worauf ich sie seufzend nehme, zurück in meinen Rucksack stecke. "Du kannst einen richtig aufbauen", meckere ich.

"Du bist doch selber schuld!"

"Wieso bin ich selber schuld?" Verwirrt hebe ich eine Braue, schaue ihn fragend an.

"Weil du Harry so verarschst", antwortet er, lehnt sich dabei nach vorne, seine Unterarme auf der Tischplatte.

"Ihr habt mich doch alle unterstützt und meintet, dass ich noch unfreundlicher werden soll", rege ich mich auf, verstehe ihn plötzlich nicht. "Du selber hast mir noch quasi Schauspielunterricht gegeben."

"Naja, jetzt bin ich auf jeden Fall gegen deinen Plan", spricht er dann einfach gleichgültig aus, lehnt sich ebenso wie ich zurück an die Lehne. "Du siehst ja, was du davon hast."

Genervt ziehe ich scharf die Luft ein.

Woher sollte ich den ahnen, dass er einfach eine Nacht bei meinen beiden besten Freunden verbringen wird, um mir meinen Freiraum zu geben? Freiraum, den ich nicht benötige.

Den Donnerstag gestern fand ich grauenhaft, nachdem ich nach Hause gekommen bin und Niall mir erklärte, wozu Harry sich entschieden hatte.

Sein Rucksack fehlte im Schrank, sein Pulli, welcher gleichzeitig mein Lieblingspulli ist und ebenso fehlte der Lockenkopf in der gesamten Wohnung. Ich habe ihn nämlich gesucht. Lange.

"Du machst Scherze", fuhr ich den Iren an, nachdem er mir alles erzählt hatte, bin wütend aufgesprungen um nach Harry zu suchen, den ich nirgendwo fand. Er befand sich nicht im Schlafzimmer, nirgendswo im Bad. Die Wohnung erschien mir mit einem Mal, wie leer, obwohl Niall direkt hinter mir stand.

"Er möchte dir deinen Freiraum geben, damit du dich beruhigen kannst", erklärte der Blonde mir Harrys Beweggründe, wieso dieser nun bei Nathan und Ethan schlief. "Er denkt, du steckst in einer Phase."

Heute früh erzählte Ethan mir dann, dass Harry bei ihnen weiter über mein Verhalten sprach und auch neue Vermutungen dafür äußerte. "Vielleicht will sie sich damit nun dafür rächen, dass ich Willoughby diese scheiß Nachrichten geschrieben habe, oder für alles, was ich ihr vor vier Jahren angetan habe", soll er laut dem Braunschopf verzweifelt und traurig gesagt haben.

Mein Herz sank ganz tief an eine Stelle in meinen Körper, an der es nun drückt, schmerzhafte Blitze durch meinen Körper sendet.

Sie besitzen keine Ähnlichkeit mit denen, die ich bei einem Kuss oder einer Berührung verspüre, sind Fluch, anstatt Segen.

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