245-Dear Honor.

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Ethan reicht mir mit einem kleinen, aufmunternden Schmunzeln ein Glas Orangensaft, ehe er neben mir auf der großen, begefarbenen Couch Platz nimmt, einen Arm um mich legt. "Läuft es denn wirklich so schlecht in letzter Zeit?"

Stumm nicke ich, beiße mir unwohl auf meine Unterlippe, da mich die Gedanken an die vergangene Woche auffressen. Sie tun weh, schmerzen in meiner Brust, bereiten mir Angst.

"Er sitzt eigentlich nur noch an seinem Handy", schluchze ich. Das Glas zwischen meinen Händen wackelt, der orange Saft schwappt bedrohlich hoch bis an den Rand, da ich mich nicht ruhig halten kann, meine Hände zittern. "Wir reden kaum noch miteinander und ich fühle mich, wie eine Last für ihn", erkläre ich meinem besten Freund, wie mir die letzte Woche vorkam.

Irgendetwas änderte sich, seitdem wir zurück in London sind. Und mir gefällt diese Veränderung nicht.

Am Montag begann der Tag damit, dass Harry wach neben mir lag und mit einer krausen Stirn immer wieder etwas in sein Handy tippte, mich gar nicht beobachtete, gar nicht wahrnahm. Ich kam mir wie ein Haufen ekliger, stickiger Luft vor, vor der er fliehen wollte, als er das Schlafzimmer ohne ein Wort verließ.

Kurz nach ihm, nachdem ich lange nachdachte, bewegte ich mich ebenfalls aus dem Schlafzimmer in die Küche, wo er sich jedoch nicht befand. Er machte sich schon im Bad fertig und womit ich nicht rechnete war, dass er nach fünf weiteren Minuten ohne ein Wort die Wohnung verließ, mich mit Stille und Einsamkeit zurückließ.

"Und das geht seit Montag so?", erkundigt Ethan sich einfühlsam weiter, streicht mir nun zusätzlich beruhigend über den Rücken. Nur ein Nicken bringe ich als Antwort zustande, bevor ich bitterlich einmal laut aufschluchze, meine ersten Tränen wegwische.

Dienstag begann der Tag gleich. Harry befand sich an seinem Handy, verließ mich ungefähr zehn Minuten, nachdem ich aufgewacht war. Er ging einfach aus der Wohnung, ohne überhaupt ein Wort an mich gerichtet zu haben. An diesem Tag konnte ich noch die Tränen abends zurückhalten, als er nicht nach Hause kam, scheinbar irgendwann spät in der Nacht sich erst zu mir legte. Denn erst am Mittwoch sah ich ihn wieder.

Vierundzwanzig Stunden lang war der Mann für mich, wie vom Erdboden verschluckt, einfach nicht mehr da.

Auch der Mittwoch begann einsam, still ruhig, unerträglich. Ich rechnete damit, dass Harry erneut einfach geht, was er auch tat. Trotzdem verletzte dies mich, da die Hoffnung auf Besserung in mir noch nicht gestorben war. Aber in dem Augenblick, als die Haustür laut zu knallte zerbrach sie in tausende Teile, die ich seit jeher nicht mehr zusammenflicken kann.

Harry tat es in den darauffolgenden Tagen auch nicht.

Mittwochabend kam er, wie am Vorabend, sehr spät in die Wohnung, setzte sich nur zu mir auf die Couch, legte von hinten einen Arm um mich. Nach drei Tagen berührte er mich wieder, schenkte mir ein wenig Liebe. Und wenn auch nicht viel, nutzte ich jede Sekunde aus, in der er meinen Nacken knapp küsste, in der seine Arme mich umschlungen, sicher hielten. Ein Stück von Geborgenheit kehrte zurück.

Und zerbrach sofort, als er zu mir nur monoton, plump sagte: "Gute Nacht!", bevor er schon aus dem Wohnzimmer ins Schlafzimmer verschwand, mich alleine auf der Couch vor dem Fernseher zurück ließ.

Dies war der Augenblick, an dem ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, bitterlich, verzweifelt in die Kissen weinte, die so sehr nach Lavendel und Harry rochen. Der Geruch setzte sich in meiner Nase fest, benebelte mein Gehirn, wodurch ich nur noch mehr weinen musste.

Tausende Fragen stellte ich mir, ein gekauert wie ein Embryo dort liegend. Wie soll das weitergehen? Warum verhält er sich so? Und vor allem, was habe ich falsch gemacht, dass er sich nun so benimmt?

Small FreaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt