Nathan und Ethan neben mir stoppen ebenso abrupt, wie ich es tue. Nathan schüttelt seinen Kopf. Ethan greift nach meiner Hand, die er fest drückt, mir damit seinen Beistand mitteilt.
Ich atme schwer, kämpfe mit mir selber nicht zu weinen, sondern irgendwie einen starken Gesichtsausdruck zu besitzen, mich zu beherrschen. Mit zitternden Fingern umklammere ich Ethans Hand schwer, stark, hilflos, damit er mich nicht verlässt, ich hier nicht alleine stehe.
Dies ist meine größte Angst -nun alleine über die Wiese zu gehen.
"Wir sind bei dir", flüstert der Mann mit den blonden Haaren mir versichernd zu, bevor er sich in Bewegung setzt, sein Freund mich mit sich mitzieht, was stockend voran geht. Leider führt kein Weg an dieser Szene vorbei.
Grauenhaft schwer fällt es mir meine Augen von diesem Bild zu nehmen, wegzuschauen. Es ist ein altes, bekanntes Bild, das schmerzt und Erinnerungen hervorruft, die ich vor ein paar Monaten komplett vergessen wollte.
Für Harry wollte ich sie vergessen, damit unsere Beziehung noch besser läuft und nun kreiert er sie selbst zu etwas Neuem.
"Er besitzt tatsächlich den Verstand eines Nachtmulls", zischt Ethan wütend, dann besorgt zu mir blickend. "Mach dir keine Gedanken um ihn!"
"Eines sehr, sehr dummen Nacktmulls", fügt Nathan hinzu, nicht weniger begeistert von dieser Situation als der Jüngere.
"Vielleicht hat er sich alles vor Jahren vorgespielt und fühlt sich jetzt wieder wohl", murmele ich vor mir hin, werfe einen zaghaften Blick zu der großen Gruppe an Menschen, die lachend auf einem der Tische hocken oder auf dem Rasen im Schneidersitz sitzen.
Ganz am Rand der Tischkante sitzt Harry, die Füße auf die Bank vor dem Tisch gestellt, nach vorne gebeugt und die Lippen zu einer schmalen Linie geformt. Die Emotion in seinen Augen kann ich nicht deuten, weiß nicht, was er denkt oder fühlt, obwohl es mich brennend interessiert, ich gerne wissen würde, wie er nach seinem Brief weitermacht. Eines seiner bekannten schwarzen Shirts bedeckt den Oberkörper, wozu er eine Jeans mit großen Löchern an den Knien trägt und die braunen Boots. Mehrere Ringe befinden sich an seinen Fingern, sind eine weitere, zusätzliche Verzierung seines Körpers zu den Tattoos. Ebenso wie seine wilden Locken, von denen einige vor seinem Gesicht hängen.
Er sieht großartig aus. Am liebsten würde ich zu ihm laufen, ihn umarmen und küssen. Ich würde es sofort tun, wenn wir zusammen wären.
Neben ihm hockt Charlotte, die ihre Haare erneut färbte, dieses Mal lila. Ein kurzer Rock bedeckt ihre Beine, ein Shirt ihren Oberkörper. Doch zeigt sie deutlich ihr Dekolletee mit einem tiefen V-Ausschnitt. Zwischen uns herrscht so eine große Spalte, dass ich beginne an mir und meinem eigenen Auftreten, Aussehen selber zu zweifeln.
Was wenn ich Harry einfach nie genug war?
Die meisten Mädchen der Gruppe laufen freizügig durch die Uni, zeigen ihre Beine, alles was sie besitzen. Sie tragen Schminke, die neuste Kleidung, sind immer mit den beliebtesten Studenten unterwegs.
"Kann es sein, dass... dass Harry einfach nie glücklich mit mir war, da ich nicht Charlotte bin?", frage ich ganz schüchtern und zaghaft Ethan, der sich erschrocken zu mir dreht, hektisch, verneinend den Kopf schüttelt.
"Denke nicht einmal im Traum daran!" Seine blauen Augen formt er zu kleinen Schlitzen. "Du bist perfekt. Gena so, wie du bist. Ich will keine Schlampe als beste Freundin, sondern dich. Bitte, lass dir jetzt nicht irgendein anderes Bild einprägen, nur weil er bei diesen Weibern sitzt. Du bist tausendmal besser!"
Seine Worte berühren mich, sorgen dafür, dass ich mir nachdenklich auf die Unterlippe beiße, da ich ihn verstehe, weiß was er meint und nun ebenfalls so denke. Viele Jahre lang habe ich schon wegen Charlotte oder auch Harry an mir selber gezweifelt. Und damit möchte ich jetzt aufhören.
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...