247-dieses Jetzt fühlt sich so endgültig an

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Ich bin ein Feigling, dich nicht schon vor einem halbem Jahr gerettet zu haben. Vor all den Katastrophen, doch am meisten vor mir.

Vielleicht kannst du mir verzeihen, vielleicht verstehst du nichts.

Aber ich möchte, dass du all die am Anfang genannten Dinge vergisst, denn sie tragen keine Bedeutung mehr. Es gibt kein Honor und Harry mehr, kein uns, weswegen diese Momente auch nicht mehr existieren.

Vergiss sie, lass sie los.

Vergiss mich. Die Taten, welche ich dir damals, so wie auch heute antat.

Beginne endlich zu leben, Honor.

H.

Wild, unkontrolliert rinnen die Tränen in Strömen über meine Wangen. Mein Kopf kann nicht denken, schmerzt, könnte jeden Moment explodieren. Mit zitternden Händen umklammere ich das Papier fest, scheinbar das Letzte, das mir von Harry bleibt.

Zusammengekauert lehne ich an der Schranktür, atme schwer, sehe unklar. Die gesamte Welt um mich herum dreht sich weiter, unbeirrt, als sei nichts geschehen, während meine ganz persönliche Welt mit einem Mal einfach stoppt.

Immer wieder las ich den Brief bereits, saugte jedes liebe, traurige, verzweifelte, verletzende Wort auf. Seine Aufforderungen, Aussagen gehe ich durch, begreife sie nicht. Wieso schreibt er solch Dinge?

Warum?

Mein Körper bibbert vor Angst immer mehr und nur mit Mühe ziehe ich mein Handy aus meiner Hosentasche, suche nach der richtigen Nummer. Wie ein gesunkenes Wrack hocke ich auf dem Boden, mein Telefon fast fallen lassend.

Mit einem Mal klappt Nichts mehr, wofür ich den Grund genau kenne.

Meine Atmung funktioniert so, wie das Zahnradgetriebe einer stehenden Uhr.
Mein Herzschlag spiegelt das Ticken eines stockenden Metronoms wieder.
Mein Körper würde wunderbar als Wackelpudding zu verkaufen sein.

Früher ging doch alles gut und nun... Mir fehlt mit einem Mal mein Antrieb, der Treibstoff, Harry. Er reißt mir mit seinem Brief einfach plötzlich den Boden unter den Füßen weg, wodurch ich in ein tiefes Loch falle.

Warum geht er einfach, wenn er weiß, dass wir schon so vieles gemeinsam überwinden konnten?

Und ich werde aus seinen Worten wirklich nicht schlaue.

An einem Punkt schreibt er, dass er mich sozusagen nie liebte, sich aber erhoffte, dass irgendwann wahre Gefühle kommen würden, an dem anderen erklärt er mir, dass irgendetwas geschehen ist und dann meint er noch, ich solle alles vergessen. Jegliche Erinnerung an ihn, quasi die Hälfte meines Lebens.

Mit die wichtigste.

"Honor?", meldet sich mit einem Mal die Stimme von der anderen Seite, welche besorgt klingt.

Wimmernd, kaum verständlich spreche ich: "Nathan?" Leicht rinnt Spuke aus meinem Mund, Tränen vermischen sich damit. Angeekelt wischt mein Handrücken all das neue Zeug in meinem Gesicht weg, nur damit die Stellen von neuen ersetzt werden können. Schon jetzt, zehn Minuten nachdem ich diesen Brief zum wahrscheinlich sechsten Mal las, benehme ich mich wie ein Baby, etwas, dass nie richtig lebte, nicht weiß, wie man dies tut.

"Honor? Was ist los?" Besorgt, hysterisch und ungeduldig klingt Nathans Stimme an mein Ohr, was ich nicht ganz klar wahrnehme, da meine Schluchzer immer wieder ertönen. "Hey."

"H... Har- Harr... Er ist einfach weg", schluchze ich, beginne nun vollkommen zu weinen.

Es schmerzt, fällt einem schwer diese Tatsache auszusprechen. Erst dann, wenn die Worte deinen Mund verlassen trifft es dich, wie ein Stein an der Stirn, trifft dich unerwartet. Erst wenn man es zugibt, zerbricht man.

Small FreaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt