"Honor, verdammte Scheiße komm da sofort raus und leg diese fucking Flasche weg!"
"Lass mich in Ruhe!", brülle ich, ebenso aggressiv, laut und geladen, dem Mann zurück, der immer und immer wieder mit seiner Faust gegen das dunkle Holz der Tür schlägt, immer und immer wieder meinen Namen ruft, mich bittet, endlich hier raus zu kommen, da ich bestimmt schon fünf Minuten hier drin verbringe.
Doch ich denke nicht daran raus zu kommen und Harry diesen Gefallen zu tun, ihn so leicht gewinnen zu lassen.
"Geh weg, Harry!"
"Honor!", ertönt es sofort wieder von ihm. Seine Stimme klingt schon leicht gereizt, rau. "Ich meinte es doch nicht so. Ich- Fuck, komm da raus, damit wir das endlich klären können!"
"Ich denke nicht dran!"
Die Alkoholflasche liegt auf dem Bett, vor dem ich hocke, meine Beine an meine Brust gezogen und weine. Tränen rinnen meine Wange herunter, Schluchzen verlässt meine roten, angeschwollenen Lippen. Meine Finger zittern unkontrolliert und ich zucke vor Schreck zusammen, als der schwere Körper des Lockenkopfs erneut Bekanntschaft mit der Tür macht.
In mir herrscht dieser ganze Frust den ich rauslassen will. Dieser bockige Teil in mir, will Harry eins auswischen, ihn wütend machen, genau die Dinge tun, die ich laut ihm nicht tun soll. Und irgendwie gewinnt dieser Teil die Oberhand in mir, weswegen ich mich nun mühselig aufrichte und auf dem Bett Platz nehme.
Unsicher greife ich mit beiden Händen nach der kalten Flasche, an der ein paar Tropfen herunter laufen. Die leicht gelblich-braune Flüssigkeit schwappt an dem Glas hin und her, sieht komisch aus. Nachdenklich, überlegend lasse ich mir den Gedanken durch den Kopf gehen, ob ich wenigstens mal die Flasche öffnen sollte, oder zulassen.
So viele Menschen ertrinken ihre Probleme tagtäglich in Alkohol, vergessen alles und werden lockerer, glücklicher. Warum also kann ich es nicht auch?
"Honor, bitte!"
Kopfschüttelnd lege ich die Flasche wieder zurück auf die Matratze, Schlucke den Schmerz in meinem Hals runter und hole tief Luft.
"Du wolltest doch immer, dass ich endlich lebe, Harry", rufe ich in Richtung der Tür, hinter der er weiterhin steht. Ich weiß es. "Es genieße. Die Menschen dort unten genießen ihr Leben gerade, Harry, gefüllt von Alkohol und dem Rhythmus der Musik. Wieso darf ich das also plötzlich nicht?"
"Das da unten ist kein Leben. Und das bist auf keinen Fall du!", spricht die raue Stimme, nun etwas ruhiger, da er sich erhofft, so zu mir durchdringen zu dürfen. "Honor, du bist niemand, der sich voll säuft, um glücklich zu werden, oder Probleme zu vergessen. Du lernst fleißig, gehst lieber in den Park oder regst dich über schlechte Fernsehsendungen auf."
"Sie finden mich alle komisch. Für sie bin ich nur der Freak, genau wegen diesen Dingen. Vielleicht wird mich ja endlich irgendjemand mögen, wenn ich zu einem von ihnen werde", entgegne ich, wobei mein Schluchzen mich bei fast jedem zweiten Wort unterbricht. "Vielleicht hören sie dann auf, mich Freak zu nennen. Denn ich kann das nicht mehr lange ertragen, Harry!"
Laut klopft er gegen die Tür, will meine Aufmerksamkeit gewinnen, indem er immer und immer wieder meinen Namen verzweifelt ruft und dann meint: "Hey, Honor. Erinnerst du dich noch daran, als wir beide begriffen, dass ein Freak etwas Gutes ist?"
"Niemand sieht einen Freak als etwas Gutes, Harry. Die gehören in die Psychiatrie. Wir beide haben uns damals etwas ausgedacht."
"Aber es war doch schön. Honor. Du bedeutest mir etwas, okay? Weil du nicht so, wie die anderen bist. Komm raus", dringt seine Stimme sofort, kaum dass ich gesprochen habe, durch die Tür. "Bitte."
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...