Um meine Angst diesem Menschen nicht zu zeigen, gucke ich verlegen auf den Boden, klammere mich fest an Ethans Hand, der dem Kerl breit angrinst. Der Braunschopf wirkt entspannt und seelenruhig, als würde er gerade einen alten Freund nach Jahren wiedertreffen.
Auch Nathan neben mir scheint die Sache locker zu sehen, lässt seine Hand da liegen, wo sie sich gerade befindet.
"Was wollt ihr da drin?", fragt der Mann nun, knurrt dies eher und verschränkt seine Arme nur noch mehr, uns drei skeptisch ansehend. "Ihr seht nicht gerade wie jemand aus, der etwas da drin wollen würde."
"Ey, nicht frech werden", keift Nathan ihn an, zieht empört eine Braue nach oben. "Ich könnte auch sagen, dass du nicht gerade wie jemand wirkst, der seinen Job ordentlich ausführt."
"Da muss ich meinem Partner Recht geben", fügt Ethan hinzu, einen Mundwinkel hebend. "Dort drin wartet ein Kunde ungeduldig auf dieses Prachtexemplar und du lässt uns nicht rein." Bei Prachtexemplar deutet er mit seinen Fingern auf mich, die nur hilflos aufblickt.
"Ich kann die Kleine auch selbst rein bringen", kommt es von dem Kerl, der schon nach meinem Arm greifen will, was Nathan verhindern kann, indem er seine Hand ausstreckt.
"Unser Kunde besteht auf reinliche Produkte und nur eine kleine Auswahl darf sie anfassen. Außerdem, siehst du nicht, wie eingeschüchtert sie ist? Sie spricht unsere Sprache nicht und ist zum ersten Mal in diesem Land. Stimmt es, Kleine?"
Auffordernd, dass ich sprechen soll, nickt Nathan mir zu, worauf ich haspelnd und ängstlich den Satz runter rattere, den Ethan mir sagte: "Menja ni gawariet po ruski jasukje."
Es fühlt sich an, als würde sich nur durch die Worte ein Knoten in meiner Zunge bilden. Hoffnungsvoll blicke ich etwas zu dem Kerl auf, versuche etwas durch die schwarzen Gläser der Sonnenbrille zu erkennen. Doch der Kerl ist vollkommen verschlossen!
"Ich werde fragengehen, ob jemand auf euch wartet", meint er dann, was mich hektisch einen Blick zu Ethan werfen lässt.
"Wenn er reingeht und sagt, dass wir hier stehen, dann ist Harry so was von in Gefahr!", zische ich ihm leise zu. Meine Angst um den Lockenkopf steigt mit jeder Sekunde stetig.
"Unser Kunde wäre empört, wenn er extra gucken kommen müsste. Außerdem vertrödeln wir damit kostbare Zeit", hält mein Freund ihn sofort auf, einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk werfend.
"Und läuft da drin nicht gerade ein Kampf. So etwas findet jeder interessanter, als einen Türsteher", mischt Nathan sich ein. "Der seinen Job zu allem noch nicht einmal richtig macht."
Ich will endlich zu Harry und ihn daraus holen. Sein Vater betrügt ihn, gab ihm falsche Anweisungen, damit er mit Absicht die Abmachung nicht einhalten kann und somit weiterhin für ihn arbeiten muss. Er will den Mann niemals gehen lassen, ihn für immer quälen und kontrollieren.
Ein Vater sollte sich niemals so verhalten!
In mir steigt immer mehr der Pessimismus, der mir sagt, dass wir nicht mehr oder nicht mehr rechtzeitig hinter diese Tür kommen werden und alle Bemühungen umsonst sein werden. Ich verliere gerade all meine Hoffnung, fühle mich schwach und so handlungsunfähig.
Unfähig Harry irgendwie zu helfen oder zu befreien, stehe ich hier draußen, sehe aus, als sei ich durch den schlimmsten Regen gelaufen, und schweige, während meine beiden besten Freunde mich als eine Prostituierte versuchen auszugeben.
Warum muss es immer, jedes Mal, so verdammt schwer sein?
"Wie alt ist die Kleine?", fragt der Kerl nun, mit seiner Hand, die ebenso Muskeln wie sein Arm besitzt, auf mich deutend. Er kann einem wahrscheinlich die Finger bei nur einem einzigen Händeschlag brechen.
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...