282-gedankliche Schlüssel

753 99 49
                                    

Wasser tropft von der kahlen Decke auf den harten Steinboden. Das Plätschern, wenn die Tropfen in die große Pfütze fallen schallt im gesamten Raum wieder und kurz wird das schwache, einfallende Licht der Sonne im Wasser gebrochen.

Stroh liegt auf dem Boden verteilt, sieht braun und alt aus, nicht mehr frisch. An der Wand befindet sich Moos und Dreck, während einige der alten Backsteine langsam bröckeln, nicht mehr lange ein Teil dieses Kerkers, sein werden.

Neugierig, ängstlich und orientierungslos hebe ich meinen schmerzenden, dröhnenden Kopf an, starre an die Decke über mir. Nichts. Nur dunkle Steine, von denen ab und zu Sand zu mir herab rieselt.

Licht fällt nur durch ein einziges, kleines Fenster mit Gitterstäben davor in diese Zelle, in der es nach Blut, verrotteten Ratten und Tod müffelt. Ein beißender Geruch setzt sich in meiner Nase fest, lähmt meine Gedankengänge.

Es wirkt so düster, ekelhaft und wie eine alte Gefängniszelle aus dem frühen Sechzehnten-Jahrhundert, in dem man es als Glück betrachtete in solch einer Zelle zu vermodern, anstatt sofort vor einer gaffenden Menge geköpft oder gehängt zu werden.

Nun frage ich mich, was ich hier suche, schaue mich weiter um, auf der Suche nach einem Hinweis. Sitzend, die Beine ausgestreckt lehne ich unbequem an zwei Gitterstäben, die sich tief in meinen schmerzenden Rücken bohren.

Den dröhnenden Kopf langsam bewegend werfe ich nun einen Blick auf meine Hände. Sie sind in Ketten gelegt und an einem der Gitterstäbe gebunden, damit ich scheinbar nicht frei in dieser Zelle umherlaufen kann. Ich soll leiden und sitzen bleiben.

Doch bei meinen Handgelenken stütze ich, mustere verwirrt die schwarze Tinte auf meiner Haut, die einen Anker an meiner linken Hand bildet. Weiter rauf folgen weitere Tattoos, wie eine Meerjungfrau, ein Herz und dann ein großes Schiff, welches mir vollkommen klar macht, was all diese Bilder zeigen.

Unwohl und ängstlich schaue ich an mir herab, entdecke die verschmutze, weit gedehnte Männerkleidung und ebenso diesen männlichen Körper. Was spielt sich hier ab?

Aufgeregt wackeln will ich die Fesseln loswerden, strampele mit einer Kraft, die ich selber niemals von mir erwartet hätte. Die kräftigen Beine treten voller Wut gegen den Gitterstab, das Metall klappert.

Eine kurze Haarsträhne fällt mir ins Gesicht, was mich erneut verwundert.

Irgendwie muss ich rausfinden, was sich hier abspielt, weswegen ich so dicht wie möglich zu der kleinen Pfütze krieche und es gerade so schaffe einen Blick in das Wasser zu werfen. Mein Spiegelbild erscheint und ich blicke nicht in die braunen Augen einer jungen Frau, mit langen, braunen Haaren, sondern in grüne Augen eines Mannes, dessen Wangenknochen gut definiert sind und dessen Bart mehrere Tage nicht rasiert wurde.

Er sieht grauenhaft aus. Harry sieht scheußlich, so verletzt aus und mir wird erst später klar... Ich sehe scheußlich und verletzt aus.

Blaue Flecke zieren meine Wange und ein großer bedeckt mein gesamtes rechtes Auge, was die Schmerzen beim Blinzeln erklärt. Weitere musternde Blicke auf meinen Hals zeigen mir eine Schnittwunde, Schmutz, der -sollte er nicht bald entfernt werden- für eine Blutvergiftung sorgt.

Fassungslos lehne ich mich erschöpft zurück, da das Kriechen doch mehr Kraft als erwartet von mir verlangte, schnappe nach Luft, während ich nachdenke, wie dies möglich ist. Was suche ich hier, oder Harry? Was mache ich in seinem Körper? Wieso sehe ich alles aus seiner Sicht?

Ich muss doch träumen.

"Wach auf, Honor!", befehle ich mir selber, kneife fest direkt an die Stelle in der Haut, wo sich das Herztattoo befindet, dessen Linien ich vor Jahren häufig nachfuhr. "Los! So etwas träumt nur ein Psychopath, der in eine Klinik gehört."

Small FreaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt