Fest den Verbandskasten haltend und ebenso den Schlüssel, laufe ich mit zitternden Beinen auf Harry zu, starre unbegreiflich auf das Handtuch, welches er auf seine Hand drückt. Dad kniet vor ihm, schaut zu ihm auf, als erhoffe er sich dadurch ein Gefühl von Harry zu erfahren, da dieser sehr verbissen schaut.
Schnell eile ich weiter auf die Beiden zu, stolpere dabei einmal, fast.
Genau in dem Moment blickt der Mann mit dem Schweißbedeckten Gesicht zu mir auf, hebt seine unverletzte Hand. "Bleib da stehen!"
"Wieso?", rufe ich ihm entgegen. Abrupt stoppe ich, verstehe ihn nicht. Wieso soll ich stehen bleiben? Ich will ihm mit dem Verbandskasten helfen, dafür sorgen, dass er ins Krankenhaus kommt und sich ein Arzt seine Verletzung ansieht.
"Weil du das nicht sehen musst."
Ist er verrückt?
Stur laufe ich weiter, höre gar nicht auf seine wütenden Worte, sondern knie mich neben Dad, die Hand mit dem Ankertattoo schon längst zu mir ziehend. "Verdammte Scheiße, Honor!", flucht Harry, worauf ich nicht achte.
Gerade baue ich einen Schild um mich auf, der ihn ebenfalls schützen wird, lasse seine Worte an mir abprallen, was mir früher nie gelungen war. Wenn ich ihm jetzt nicht zu höre, dann wird diese blöde Situation für uns beide gut enden.
Fest das angespannte Handgelenk umklammernd, nehme ich achtsam das durchblutete Handtuch von der Wunde, bekomme nur schwach Harrys Fluchen mit. "Fuck! Sir, könnten Sie ihr vielleicht mal sagen, dass sie rein gehen soll!", fährt er Dad an.
"Gib mir den Autoschlüssel." Seine Hand über meine Schulter legend, verlangt mein Vater den Autoschlüssel, welchen ich aus meiner Hosentasche ziehe, ihm überreiche. "Du machst das hier fertig, ich hole den Wagen raus", teilt er mir mit, ehe er sich schon zur Garage bewegt.
"Was zum? Honor geh rein! Du musst dir das hier nicht ansehen und-"
"Halt bitte -ich weiß, dass du Schmerzen hast. Aber bitte, halt für fünf Minuten deine Klappe, damit ich das hier-" Energisch deute ich auf die klaffende Wunde. "-versorgen kann und du nicht wegen einer Blutvergiftung stirbst! Ja, fünf Minuten!"
"Du-", will er etwas auf meine ernsten, ungewöhnlichen Worte entgegnen, jedoch unterbreche ich ihn zischend: "Wir haben so viel überstanden! Und ich will dich nicht verlieren!"
Schnaubend meint er, mit dem kläglichen Versuch seine Hand aus meinem Griff zu ziehen: "Du übertreibst!"
"Denkst du!", lache ich spöttisch auf. "Was denkst du, wie viele Menschen schon an einer kleinen Schnittwunde gestorben sind, da sie diese nicht untersuchen lassen haben? Genau, eine Menge!"
Er schweigt, sieht mich, mit einem eingeschüchterten Gesicht an, während ich endlich dieses nasse, blutgetränkte Handtuch vollkommen entfernen kann, um mir seine Verletzung anzusehen. "Und jetzt schenke mir bitte fünf Minuten Ruhe, ehe du mit Fuck und Scheiße nur so um dich werfen kannst", bitte ich.
Das Handtuch landet auf dem Boden und ich öffne den Verbandskasten, welchen ich, um besser einen Blick rein werfen zu können, auf die Oberschenkel des Mannes vor mir stelle, der bei meiner ersten Berührung schmerzhaft sein Gesicht verzieht. "Es sieht schlimmer aus, als es ist."
Allein deswegen würde ich ihn gerne einen meterlangen Text erzählen, da er alles immer runterspielen muss. Klar, will er seinen Mann stehen, vor allem vor Dad, aber manchmal könnte er es mir auch einfacher gestalten, indem er zu gibt, wo und wie stark er Schmerzen verspürt.
"Und ich bin Tinkerbell, die jetzt schnell mit ihren magischen Fingern zaubert damit du wieder arbeiten kannst. Vielleicht hackst du dir dann einen Finger ab", zische ich sarkastisch.
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Small Freaks
Fanfic"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...