Harry schaut starr, schweigend zu mir, den Mund offen stehend.
Ratlos, bestürzt, fassungslos schaut er in meine Augen, seine Hand weiter über meinen Rücken bewegend. Diese Position hier vor der Toilette wird unbequem, unbehaglich, doch ich stehe nicht auf, schlucke hart, weil ich Angst vor seiner Reaktion bekomme, wenn er mich so schweigsam anschaut.
"Harry?", versuche ich krächzend eine Antwort von ihm zu erhalten, drehe mich auf den Fliesen so, dass ich mit meinem Oberkörper zu ihm gewandt bin. "Sag, bitte, etwas."
"Wie hast du darauf reagiert?"
Unbeholfen beiße ich mir auf meine Unterlippe, weil ich eher mit einem lauten Schrei, einer wütenden Handlung oder Morddrohungen für Leonard gerechnet habe. Doch dieses zurückhaltende Fragen gefällt mir nicht und ich weiß nicht, wieso.
"Ic-ich hab ihn auf die... Also, ich hab ihn auf die Wange geschlagen", gebe ich zaghaft zu, schaue verlegen zu Boden, auf unsere Hände die von mir verschränkt auf seinen Oberschenkeln ruhen. "Und ihn weggeschubst!"
"Hat er verdient", brummt er, leicht schmunzelnd. Scheinbar gefällt ihm der Gedanke, dass ich Leo geschlagen habe. "Wirklich. Auch deinen Schlag auf seine Nase", meint er weiter, schmunzelnd und amüsiert.
"Er ist zu weit gegangen", antworte ich ernst.
Leonard hat eine Grenze überschritten -zum zweiten Mal. Und wenn er meine Bitten nicht versteht, muss ich vielleicht anders mit ihm kommunizieren. Dazu kam noch ein bisschen Wut und Energie, die sich dann anstauten.
"Ich bin stolz auf dich."
"Warum reagierst du so, Harry?", frage ich ihn auf seine lobende Entgegnung, bei der er einen Arm um mich legt, locker und gelassen wirkt. "Normalerweise drehst du durch, schlägst deinen Boxsack Windelweich und jetzt sitzt du hier, als wenn du hundert Jahre lang meditiert hast."
Als habe er mehrere Jahre bei Buddhisten verbracht, meditiert, seinen inneren Geist gefunden, sitzt er hier vor mir, die Ruhe in Person, während ich schon wieder wütend auf Leonard werde.
So viel zerstört er jedes Mal und ich verabscheue es, dass er es immer wieder schafft.
"Du spukst, siehst erschöpft aus und ich habe gemerkt, dass ich manchmal zu sehr überreagiere. Dir gefällt es nicht, wenn ich fluche und deswegen will ich mich ändern."
"Mich stört dein Fluchen nicht. Wenn du wütend bist, dann mache ich mir sorgen ja, und ich mag es nicht, wenn du deine Wut an den falschen Gegenständen und Personen auslässt", erkläre ich ihm ehrlich. Er besitzt einen Boxsack und soll einfach nur die Vasen meiner Mom in Frieden lassen. "Aber du sollst dich nicht ändern!"
Seufzend reibe ich mir kurz erschöpft über mein Gesicht, bevor ich hervorbringe: "Vor einem halben Jahr verliebte ich mich in einen mürrischen, leicht reizbaren, fluchenden Lockenkopf und genau den, möchte ich für immer behalten."
Harry umarme ich nun, drücke mich an ihn, mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergrabend. Er soll sich nicht ändern. Und wenn er wütend ist, vor allem jetzt wegen Leonard, dann darf er sich auch aufregen, dann soll er gegen das schwarze Leder des in unserem Schlafzimmer hängenden Sacks schlagen, seine ganze Wut rauslassen.
Ich kenne ihn nicht anders, will ihn nicht anders erleben!
"Und was meintest du mit: Du spukst?"
"Dass du dich vielleicht, wegen der ganzen Aufregung und allem übergeben musstest", erzählt er mir, womit er recht haben könnte, da dies schon öfters geschah.
Wenn ich alleine an meine Nervenzusammenbrüche vor einem Vortrag zurückdenke, dann muss ich ihm einfach sagen, dass er so was von richtig liegt.
DU LIEST GERADE
Small Freaks
Fiksi Penggemar"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...