"Geht es dir denn gut, mein Schatz?", erkundigt meine Mutter sich bei mir durch den Hörer. Sie klingt besorgt, was ich verstehen kann, nachdem ich ihr mitteilte, eine Menge mehr nun über Harrys Vater zu wissen. Wenn auch nicht alles.
Sie rief vor einer halben Stunde bei mir an, um nochmals über die Geheimnisse und Missverständnisse zu reden. Mom mag es nicht, wenn in unserer Familie dicke Luft herrscht, weswegen sie erneut mit mir diese Dinge besprechen möchte. Und ich mag Streit und ein Gefühl von Misstrauen zu meinen Eltern oder Großeltern ebenfalls nicht.
"Mir geht es gut, ja. Mom, bitte", antworte ich ihr ehrlich auf diese Frage. "Harry hat einen Plan."
Bei diesen Worten ertönt ein scharfes Einziehen der Luft, bevor ich die Frauenstimme meiner Mutter nuscheln höre: "Er hat einen Plan."
"Ist Dad etwa auch da?" Die Augen verdrehend und lauschend, verfolge ich, wie die zischenden Stimmen an der anderen Seite erklingen, meine Eltern miteinander diskutieren. "Mom, ich kann euch hören!"
In den letzten drei Jahren passierte es häufig, dass einer der beiden bei mir anrief und der andere heimlich im Hintergrund lauschte. Mir fiel dies eine Zeit lang nicht auf, bis sie sich durch Rascheln und besorgte Anweisungen meiner Mom verrieten.
"Hallo Schatz", meldet sich mein Vater zu Wort.
"Hi, Dad", seufze ich als Antwort.
Mom scheint so unruhig zu sein, so dass sie sofort wieder spricht, kaum dass wir einen Satz wechseln konnten. "Also, erzähl mal. Worum geht es in Harrys Plan!" Man hört die Neugier und die Gier, weil sie wissen möchte, wie Harry nicht nur sich selbst, sondern auch mir helfen möchte.
Es geht hierbei um eine Menge.
"Das weiß ich nicht genau, Mom", muss ich aber leider zugeben, da der Mann mir noch rein gar nichts, nicht einen Punkt seines Plans verriet. Anne kennt ihn, aber ich besitze keinen blassen Schimmer darüber.
Findet es bald statt? Wo und wann genau? Was wird Harry tun? Was werde ich als Aufgabe zugewiesen bekommen? Sind meine Eltern oder jemand anderes durch den Plan gefährdet? Wird es gut enden? Was, wenn Harry sich in Gefahr begibt?
Tausende Fragen schwirren nun wieder durch meinen Kopf, auf die ich gerne eine Antwort bekommen würde. Jedoch befindet der Lockenkopf sich gerade bei seinem Nachbarn, von dem ich ihn erst in einer halben Stunde abholen soll.
Es gefiel im ganz und gar nicht, dass er dem alten Herren helfen soll, doch irgendwann verließ er, nachdem ich erneut mit ihm diskutieren musste, die Wohnung. Vorher klärten wir noch, dass ich ihn gegen halb zwölf abholen und danach zusammen essen gehen werde. "Irgendwo", meinte er zu mir. "Irgendwo, wo es schön ist und ruhig."
Die Idee mochte ich, worauf ich sofort zusagte. "Eine Art Date, nach diesen grauenvollen Jahren", scherzte Harry dann noch, ehe meine Wohnungstür ins Schloss fiel.
"Mom?", wecke ich nun wieder die Aufmerksamkeit meiner Mutter, muss dieses Gespräch langsam beenden. Ein wenig tue ich dies auch, da ich ihre Fragen nicht beantworten kann und sie damit nur verunsichern würde. "Wir können ein anderes Mal weiter telefonieren."
"Musst du schon Schluss machen?"
"Harry und ich treffen uns gleich zum Essen und davor will ich mich etwas frisch machen", erkläre ich ihr, einen Blick zu dem Thermometer an dem Küchenfenster werfend. "Draußen herrscht eine riesen Hitze."
"Ja, bei uns sind es schon sechsundreißig Grad", teilt sie mir mit, verabschiedet sich dann von mir. "Pass bitte auf dich auf, mein Schatz", ertönt es noch, ehe ich auf den roten Hörer drücke und auflege.
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...