Es fällt mir schwer mich auf das Essen zu konzentrieren, während Harry vor mir sitzt und angestrengt überlegt, wie er mir nun endlich Alles erzählen soll. Alles umfasst, die gesamte Geschichte zwischen ihm und seinen Vater, die vergangenen Jahre, was er tat und sein Plan, der unsere gemeinsame Zukunft beeinflussen wird.
"Iss, bevor dein Essen kalt wird", bat er mich vor wenigen Minuten, da ich ihn ungeduldig anstarrte, kaum noch vernünftig atmen konnte. Weiterhin bin ich nicht in der Lage die Luft normal ein und aus zu atmen, jedoch strenge ich mich stark an, meinen Blick nicht von dem Mann nehmend.
Nachdenklich beißt der Lockenkopf sich auf die Innenseite seiner Wange, fährt sich mit seiner unversehrten Hand einmal gestresst durch die Haare. Unter dem Tisch wackelt er mit seinem Fuß, tippt in einem schnellen Tempo auf den Boden, was sehr an meinen Nerven zieht.
"Könntest du bitte stillhalten?", frage ich ihn deswegen, scharf die Luft einziehend. Mein Kopf oder mein Herz, eins von beiden wäre in wenigen Sekunden explodiert, wenn er nicht sofort bei meiner Aufforderung mit dem Wackeln aufhören würde. "Danke", seufze ich deswegen.
Um etwas für eine bessere Atmosphäre zu sorgen greife ich mir nun mein Messer und die Gabel, womit ich beginne mein Hühnchen zu schneiden. Leicht den Kopf gesenkt, den Blick auf das Fleisch gerichtet und konzentriert schneiden, möchte ich Harry die Zeit zum Wortesammeln geben.
Häufig brauche ich selber eine Weile, ehe ich weiß, wie ich mich am besten ausdrücken soll. Vor allem früher, als wir langsam in der Schule mit Vorträgen begannen musste ich immer fünf Minuten vor der Stunde alleine auf der Toilette sitzen und meine Karteikarten erneut durchgehen, die ich abends unter dem Licht meiner Schreibtischlampe schrieb.
"Weißt du", beginnt Harry nun sich räuspernd, wobei er den Kopf etwas schief legt. "Eigentlich war die Beziehung zwischen mir und meinem Vater nie besonders gut."
Mit dieser Aussage rechnete ich, weswegen ich schweigend nicke. Das klappernde Besteck lege ich zur Seite, um ihn nicht plötzlich mit Klirren zu unterbrechen, denn mich selber würde dies nervös und verrückt machen.
"Am Anfang konnte ich noch gut damit leben. Es gab ständig eine Art Wechsel der Gefühle, womit ich über die Jahre lernte klar zu kommen", berichtet Harry mir. Dabei wirkt er so, als stünde er vollkommen neben sich, würde sich sehr in Gedanken befinden. "Bis Gemma krank und mein Vater immer anstrengender wurde und begann, mir für jegliche Dinge die Schuld zu geben."
Bei dem Namen seiner Schwester trübt sich sein Blick kurz, wirkt traurig und verletzt. Er wird sie für immer vermissen, dass weiß ich, er wird immer an sie denken und sie für immer in seinem Herzen tragen. Er liebt sie, und das wird sich nie ändern. Das zeigt mir einfach nur, dass sein Vater damals Falsches sagte. So viel Falsches!
"Er schlug mich, während sie im Krankenhaus lag", erzählt Harry.
Vor meinem Inneren tauchen wieder die Bilder aus meinem Traum auf, der so wehtat, und ich sehe Harrys Rücken, der von tausenden Narben bedeckt wird. Diese Vorstellung von diese kleinen Jungen, mit den vielen Locken erscheint, wie er weinend am Boden liegt, mit der kindlichen, weinenden Stimme seinen Vater anbettelt, endlich aufzuhören ihn zu schlagen.
"Du weißt, dass er mir die Schuld für ihren Tod gab und ich dann später abhaute und Jace begegnete, weil ich es nicht mehr ertragen konnte", spricht er nun ruhig, erhält zur Bestätigung ein Nicken von mir.
"Wie hat er dich wiedergefunden, Harry?", traue ich mich nun, nachdem lange eine unangenehme Stille zwischen uns herrschte, zu fragen, wobei ich nach der Hand greife, die auf dem Tisch liegt. Meinen Teller schob ich davor zur Seite, konzentriere mich nun voll und ganz auf den Mann, der niedergeschlagen den Kopf schüttelt.
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...