Fliegen muss etwas Schönes sein.
Die Welt von oben sehen, in all ihren Farben und Lichtern. Man fliegt durch die Lüfte, landet auf zuckerweichen Wolken, genießt die Ruhe und den Wind, der durch das Haar weht. Von London gelangt man schnell nach Hawaii oder New York. Auch nach China kann man fliegen, eine Rast auf der kilometerlangen Mauer einlegen.
Fliegen muss etwas Schönes sein. Und vor allem -problemlos.
Mit flatternden Lidern blicke ich auf den Schmetterling, der sich direkt vor meinen schwachen Augen befindet. Nur mit großer Mühe schaffe ich es sie, nachdem sie ein weiteres Mal zugefallen sind, wieder zu öffnen, mustere die feinen Außenlinien des Falters, der zwischen Brustkorb und Bauch auf der Haut meines Freundes prangt.
Aus einer kleinen Raupe, die sich jeden Tag voll frisst, durch die Blätter der Blumen meiner Mom oder die Blätter anderer Pflanzen, deren Besitzer das nicht gefällt. Meine Mutter konnte die kleinen Insekten nie wirklich leiden. Schmetterlinge hingegen fand sie wunderbar, faszinierend durch ihre verschiedenen Farben und die vielzähligen Muster.
Als ich noch kleiner war, las sie mir jeden Abend, während ich eingewickelt in meine Bettdecke lag, ihr aufmerksam, schon ein wenig müde, zuhörte und bei jedem der Bilder in meinem Kinderbuch staunte.
"Hast du auch ordentlich Zähne geputzt, meine kleine Raupe?", fragte sie mich jedes Mal, wenn sie durch meine Zimmertür kam und die Vorhänge von meinem Fenster zuzog. Danach nahm sie sich das Buch, welches an einigen Stellen schon sehr lädiert aussah, bevor sie sich zu mir ins Bett setzte, worauf ich dichter an sie heran rückte.
"Du magst doch keine Raupen, Mama", entgegnete ich ihr häufig. Dies geschah meistens an den Tagen, an denen sie zuvor einen der kleinen Kriecher zwischen ihren heiligen Rosen entdeckte.
"Da hast du recht, mein Schatz", antwortete die Frau mir dann, strich mir liebevoll über den Kopf. "Aber eines Tages, wird aus der nervigsten Raupe ein wunderschöner Schmetterling, und du, mein Engel, steckst schon in deinem Kokon drin, damit du eines Tages, der schönste Schmetterling werden kannst."
Bei der Erinnerung muss ich ein wenig schmunzeln.
Meine Mom konnte mich immer gut aufmuntern und für Dinge faszinieren. So lief es auch mit den Schmetterlingen. Schon mit vier rannte ich barfüßig durch unseren Garten, meine Arme in die Luft geregt und vergeblich versuchend einen der Falter zwischen meine Finger zu bekommen. Es gelang mir nie persönlich einen zu fangen, da fiel ich eher hin und ratschte mein Knie auf.
Jedoch gab es einen Mann, der auf mich dann zukam, die Hände vorsichtig zusammen. Dad fing jedes Mal einen Schmetterling, welchen er mir zeigte und manchmal auch versuchte zu überreichen, was meistens zu der Freilassung des Insekts führte.
Ich war eben ein tollpatschiges und ungeschicktes Kind.
Trotzdem gab ich nie auf.
Zumindest nicht, bis Harry eines Tages im Kindergarten einen Schmetterling unter einem Glas einfing und diesen danach zusammen mit Louis die Flügel raus riss. Die beiden fanden es lustig, trieben es so weit, dass sie sogar den Körper in zwei teilten. Mrs. Jenkins ließ sie darauf auf der Bank im Kindergarten sitzen, während alle anderen spielen durften.
"Also-", höre ich nun wieder die Stimme meiner Mom in meinem Kopf, die die erste Seite des Buchs aufschlägt auf der man eine bunte Raupe erkennt. "Die kleine Raupe Nimmersatt..."
"Du bist ein Lautatmer", zieht mich die raue Stimme aus den Gedanken, an die wohlbekannte Kindergeschichte und Harrys Tattoo. Leicht hebe ich meinen Kopf auf dem Kissen so, dass ich halbwegs vernünftig in das ruhige Grün blicken kann.
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Small Freaks
Fanfiction"Es fühlt sich an wie sterben!" Honor muss feststellen, dass auch sie sich in den Menschen aus ihrer Umgebung täuschen kann. Doch nicht nur sie schätze Menschen falsch ein, sondern auch Harry, der dadurch wütend wird, beginnt an einigem zu zweifeln...