September 1998

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Krieg, Verwirrung, Tote. Diese Gedanken schwirrten dem großen Harry Potter durch den Kopf, als er seinen Patensohn auf den Arm nahm und das wimmernde Baby an seine Brust drückte. Ja, der Krieg gegen Voldemort hatte viele Opfer gefordert. Fred, Tonks, Remus und noch viele andere hatten ihr Leben gelassen, nur um ihn zu beschützen. Er spürte, wie er leicht erzitterte bei dem Gedanken daran. Er sah sich um; der Fuchsbau wirkte verlassen, obwohl doch alle da waren. Harrys Blick glitt auf Teddy. Dem Bezwinger Voldemorts rutschte ein leichtes Seufzen aus der Kehle. Der arme kleine Teddy würde genau wie er, ohne Eltern aufwachsen nur mit dem Unterschied, dass Teddy eine glückliche, schöne Kindheit haben würde. Harry strich dem Kleinen durch die türkisen Harre. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. ,,Hey.", hörte er die leise Stimme von Ginny, ,,Alles in Ordnung bei dir?"

Der Grünäugige drehte sich um, sodass er dem Mädchen direkt in die Augen sah. ,,Es geht schon. Wie geht es dir?", flüsterte er schon fast. Ginny senkte den Blick und ein paar kleine Tränen fanden den Weg über ihre Wangen. ,,Mein Bruder ist tot.", wimmerte sie. Ihre Füße traten fast schon von selbst auf den schwarzhaarigen zu. Dieser legte den freien Arm um Ginny und zog sie zu sich. Die Rothaarige begann, bitterlich zu weinen, ihre Tränen durchnässten Harrys Shirt. Als sie sich halbwegs beruhigt hatte, hob sie den Kopf und sah Teddy an. ,,Wirst du ihn bei dir behalten?", fragte sei leise. Harry ließ sich mit beiden aufs Sofa sinken und überlegte kurz. „Ich bin fast mit der Ausbildung zum Auror fertig. Ich dachte, dass ich ihn in der Zeit noch zu Andromeda gebe, ihn an den Wochenenden zu mir hole und ich ihn, wenn ich mit der Ausbildung fertig bin, ganz zu mir hohle. Ich möchte, dass er eine bessere Kindheit hat als ich. Dadurch, dass ich nur die letzten beiden Monate der Ausbildung machen muss, wird das schnell gehen.", antwortete er schließlich, legte sein Kinn auf Ginnys Kopf ab. Die junge Hexe strich Teddy über die Wange. Er hatte die Augen geöffnet und sah sie traurig an. Ginny zog die Beine an und schmiegt sich an Harry. „Bill und Fleur kommen heute.", erzählte sie gedankenverloren, „Sie bringen das Baby mit. Es ist in der Nacht geboren, in der du Voldemort besiegt hast. Sie haben sie Victoire genannt, das ist französisch für Sieg." Harry lächelte. Wenigstens Fleur und Bill hatten Glück. „Was hast du jetzt vor? Wiederholst du das Schuljahr?", fragte Harry und strich Ginny über die Haare. Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab ein Angebot von den Holyhead Harpies bekommen. Zu so einem Angebot sagt man doch nicht nein oder?"

„Nein, hast Recht. Tut man nicht.", murmelte Harry. „Und was für Pläne hast du, außer der Ausbildung natürlich.", Ginny schloss genüsslich die Augen, als Harry begann, ihren Rücken zu kraulen. „Ich weiß nicht. Dich heiraten?", meinte Harry und vergrub das Gesicht in Ginnys Haaren. „Meinst du das ernst?", flüsterte sie. „Ja, tue ich.", nuschelte er. Ginny lächelte glücklich. Die beiden blieben noch eine Zeit lang mit Teddy in ihrer Mitte sitzen und genossen die Nähe des anderen. Aber auch dieser schöne Moment wurde irgendwann zerstört, nämlich als Ron die Treppe hinunterkam und im Wohnzimmer stehen blieb. Er betrachtete seine Schwester und seinen besten Freund kurz und setzte sich dann zu ihnen. „Na.",brachte er tonlos heraus. „Hi.",gab Harry zurück. Teddy hatte sich inzwischen wieder an Harrys Brust gekuschelt und schlief nun friedlich. Auf Rons Gesicht stahl sich ein winziges Lächeln, als er den Kleinen so sah. „Er hat es gut.", murmelte er leise. Ginny drehte ihren Kopf mit einem Ruck zu ihrem Bruder und fragte aufgebracht:„Wie bitte?"

„Ich meine ja nur. Er wird sich später an nichts erinnern können."

Ginny öffnete den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn aber sogleich wieder. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen den dreien aus. Sie saßen einfach nur da und starrten in die Flammen des Kamins. So würde es noch lange Zeit weitergehen, das spürte der Schwarzhaarige. Es würde lange dauern, bis alle die Verluste des Krieges verkraftet hatten. Und so lange würde eine erdrückende Stille über allen liegen. In diesem Moment kam auch Molly ins Wohnzimmer. Sie sah aus, als hätte sie geweint, was auch verständlich war, schließlich war einer ihrer Söhne ums Leben gekommen. ,,Kommt ihr? Bill und Fleur sind da.", sagte sie mit der üblichen Fröhlichkeit in der Stimme. Molly war diejenige, die dafür sorgte, dass wenigstens etwas Freude im Fuchsbau zu finden war. Die drei standen auf und folgten der Frau. Ginny hatte ihrem Freund das Kind abgenommen. Teddys Haare hatten sich dunkelblau gefärbt, was bedeutete, dass er schlief oder müde war. Als sie die Küche betraten, sah Ginny ihren Bruder sofort. Er stand ans Fenster gelehnt und hatte seine Tochter im Arm. Fleur saß auf einem Stuhl, die Hände fest um eine Tasse heiße Schokolade mit Marschmellows und Sahne geschlungen. Bill drehte sich um, als er die sich nähernden Schritte wahrnahm. Er gab Fleur das Baby und auch Ginny gab Teddy wieder an Harry. Dann ging sie auf ihren großen Bruder zu und innerhalb von Sekunden hielten sich die Geschwister im Arm. Ginny hatte die Hände in Bills Hemd gekrallt und weinte schon wieder. Bill hatte den Kopf an Ginnys Schulter vergraben und hielt seine kleine Schwester fest im Arm. Harry musste sich zusammenreißen, damit er nicht auch anfing, zu weinen. Es brach ihm das Herz, seine Ginny so unglücklich zu sehen. Sein Blick wanderte wieder zu dem Baby auf seinem Am, dann wieder zu Ginny, die sich von ihrem Bruder gelöst hatte und nun auf ihn zukam. Sofort legte er den Arm um sie und hielt sie schützend fest. Mit dem anderen Arm drückte er Teddy sanft an sich. Er würde nicht zulassen, dass ihm oder Ginny etwas passierte. Wenn es sein musste, würde er dafür auch sterben. Die meisten Todesser wurden nach Askaban gebracht, aber eben nur die meisten. Es waren immer noch einige von ihnen da draußen und Harry hatte Angst, dass sie versuchen würden, an Ginny, Teddy oder irgendjemand anders aus der Weasley Familie heranzukommen, um sich an ihm zu rechen. Nachdem Bill all seine Geschwister begrüßt hatte, ging er auf Harry zu. Auch ihn nahm er in den Arm. ,,Danke, dass du so gut auf Ginny aufpasst.", flüsterte er ihm ins Ohr, bevor Harry auch von Fleur umarmt wurde. Harry erwiderte die Umarmung vorsichtig. Victoire lachte glücklich, als Bill sie wieder an sich nahm und ihren Bauch kitzelte. ,,Gut gemacht, Brüderchen.", Ron klopfte seinem Bruder auf die Schulter. Harry betrachtete das Baby in Bills Armen genauer. Sie hatte die gleichen blonden Haare, mit dem leichten Silberschimmer und dieselben tiefblauen Augen, wie ihre Mutter. Sie schien sehr nach Fleur zu kommen. Ein ungewolltes Lächeln stahl sich auf Harrys Lippen. Seine Augen schweiften zu Teddy, der sich an seine Brust schmiegte und ihn anlächelte. ,,Ry?", fragte er leise. Seine Haare wurden leicht grünlich. Harry strich ihm durch die Haare und trat mit ihm wieder auf Bill zu. Die Augen des kleinen Jungen weiteten sich, als er Victoire entdeckte. Teddy beugte sich leicht zu dem Mädchen und streckte seine Hand nach ihr aus. ,,Was machst du denn da, hmm?", Bill sah Teddy lächelnd an. Teddy aber legte seine Hand auf Victoires Wange. Sobald das kleine Mädchen ihn ansah, wurden seine Haare am Ansatz rosa und er versuchte vergeblich, sich im Pullover seines Paten zu verstecken. George, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte, wurde von einem Lachkrampf geschüttelt, sodass sein Gesicht ganz rot wurde und ihm kleine Tränen über die Wangen liefen. ,,Oh Gott, wie süß!", prustete er, ,,Teddy ist total verlegen!"

Teddy schien die ganze Situation total unangenehm zu sein, da er seinen Kopf nur noch fester gegen Harry drückte. Auch Fleur konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. ,,Oui. Er scheint sie su mögen.", stellte sie fest. Auch alle anderen mussten sich eingestehen, dass der kleine Junge es etwas peinlich fand, wenn ihn alle so ansahen. Harry ging mit Teddy , der immer noch rosa Harre hatte, zurück zu Ginny, die dem kleinen sofort sanft über den Rücken strich. ,,Was ist denn los mit dir, mein Schatz?", sie sah den Kleinen lächelnd an. Teddy senkte den Blick und begann mit der Silberkette der rothaarigen Hexe zu spielen. Ginny schmiegte sich gegen Harry. Wenn sie sich jetzt so um Raum umsah, fehlten ein paar Familienmitglieder, wie Charlie, der in Rumänien war und Percy, der seiner Pflicht als Auror nachgehen musste. Und dann war da noch Fred. Das er fehlte, merkte man deutlich. Sonst waren er und George durch das ganze Haus getobt und hatten dafür gesorgt, dass alle ununterbrochen lachten. Jetzt saß George fast den ganzen Tag in seinem Zimmer und aß kaum noch etwas. Die einzigen, die ab und zu mal zu ihm durften, waren Molly und seine Freundin Angelina Johnson, welche nach den Ferien mit ihm Weasleys Zauberhafte Zauberscherze leiten würde. Ja, die Ferien, in denen noch so viel passieren sollte. Harry und Ginny hatten beschlossen, in den nächsten Tagen anzufangen, das zerstörte Haus von Harrys Eltern wiederaufzubauen, natürlich mit Zauberei, es aber in eine Art Villa zu verwandeln und zusammenzuziehen. Auch Ron und Hermine wollte in der Nähe ein Haus bauen. Ginnys Blick schweifte zu Harry, der sie sanft anlächelte und ihr mit einer Hand über den Arm strich. Bill wandte sich nun an Ginny ,,Hey Gin. Willst du deine Nichte mal nehmen?", fragte er. Ginny nickte. Bill legte seiner Schwester Victoire in den Arm und ging zu Fleur. Seine Hände glitten sanft über die Schultern seiner Frau , die ihn einfach nur glücklich anlächelte. Ginny strahle über das ganze Gesicht, als sie ihrer Nichte ins Gesicht blicke. Victoire musterte sie mit aufmerksamen großen Augen und streckte die Hand nach ihrer Tante aus. Diese gab dem Mädchen ihren Finger und Victoire steckte ihn in den Mund. Ginny spürte, wie etwas an ihren Haaren spielte. Als sie den Kopf drehte, blickte sie in Teddys braune Augen. ,,Na.", meinte sie sanft. Teddy streckte die Arme nach ihr aus. ,,Teddy weißt du, Ginny kann disch gerade nischt auf den Arm ne'men. Willst du su mir?", Fleur warf ihren Zopf über die Schulter. Teddy jauchzte begeistert und ließ sich von Harry auf Fleurs Schoß setzen. Fleur lächelte und begann dann Teddy auf ihren Beinen auf und ab zu wippen. Dabei sang sie ein Kinderlied, welches anscheinend auch in der Zauberwelt bekannt war. ,,'oppe 'oppe Reiter, wenn er fällt, dann schreit er, fällt er in die Graben, fressen ihn die Raben. Fällt er in die Sumpf dann mascht der Reiter plumps.", bei den letzten Worten ließ sie Teddy fast von ihrem Schoß fallen. Teddy quiekte begeistert und sah zu Harry und Ginny. ,,Ich glaube, dass gefällt ihm.", lachte Molly mit einem Blick auf den kleinen Jungen, der sich an Fleurs Hose hochzog und wieder auf ihren Schoß kletterte, nur um das ganze Spiel nochmal zu spielen. Harry beobachtete seinen Patensohn mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Er freute sich, das Teddy nicht auch noch von der bedrückenden Stimmung runtergezogen wurde und sich einfach verhielt, wie ein glückliches kleines Kind. Der schwarzhaarige strich seiner Freundin durch die Haare und bettete sein Kinn auf ihrer feuerroten Mähne. Nach einer weiteren halben Stunde in der sie sich unterhalten hatten und Harry und Ginny von ihren Plänen erzählt hatten,machten sich Bill und Fleur zusammen mit Victoire auf den Heimweg. Harry Ron und Ginny verdrückten sich nach draußen um dort etwas frische Luft zu schnappen und zu reden.

,,Sag mal, wann kommt Mine eigentlich. Du hattest gesagt, sie würde noch Ende der Ferien kommen.", Ginny ließ ihre Hände in ihre Jackentasche gleiten und betrachtete ihren Bruder fragend. ,,Sie kommt auch. Aber erst in vier Tagen. Sie meinte, sie bräuchte etwas Zeit, um ihren Eltern alles zu erklären und dann würden sie kommen.", der Rotschopf fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ließ seinen Blick in die Ferne wandern. Harry blieb, im Gegensatz zu den anderen, recht still. Sein Blick war auf Teddy gerichtet, der in seinem Kinderwagen lag und versuchte, seinem Stofftier, einer Giraffe, das Ohr abzubeißen. Die Gedanken in Harrys Kopf fuhren Achterbahn. Eine der größten Fragen war, wann es wohl wieder halbwegs normal sein würde. Auch wen Voldemorts Niederlage schon knappe vier Monate zurücklag, saß die Trauer doch bei allen noch sehr tief. Harry würde es helfen, bald mit Ginny und Teddy allein zu sein. Dies war schon mal ein guter Anfang für ein neues Leben, ohne die ständige Angst, umgebracht zu werden. Teddy hatte mittlerweile den Mord an dem Plüschtier aufgegeben und nuckelte nun ruhig am Giraffenbein. Harry schüttelte grinsend den Kopf. ,,Harry?" Der schwarzhaarige zuckte zusammen, wandte sich aber dennoch seinen Freunden zu. ,,Was gibt's?", er sah sie fragend an. ,,Glaubst du, wir werden das alles irgendwann verarbeiten können?", stellte Ron die Frage, die seinem besten Freund nun schon seit geraumer Zeit die Nerven raubte. ,,Ganz ehrlich,",Harry sah ihn fest an, stützte sich dann auf den Griff des Kinderwagens, ,,ich hab' keine Ahnung. Ich hoffe es inständig. Ich meine, Sirius Tod konnte ich nach einer Weile auch verdauen. Klar, manchmal bin ich deswegen immer noch unendlich traurig aber es tut irgendwann nicht mehr so doll weh."

In den 19 Jahren dazwischen (Laufend)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt