Kapitel 122 (257) Zirkusdirektor

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Dienstagmittag, 24.1.
Russland, Sankt Petersburg
In Wladimirs Herrenhaus

Zirkusdirektor  

Caseys Zimmermädchen hatten frühmorgens das Wohnzimmer betreten und einen schlafenden Calvin am Boden vorgefunden, das allerdings war nicht was sie erschrocken hatte. Nein, es war das Reh gewesen, das dicht an ihn gekuschelt bei ihm gelegen hatte, ohne, dass er es dazu festhalten musste. Es schien sich freiwillig an den schlanken Körper gekuschelt zu haben. Schutzsuchend. Sie hatten von Master erfahren wieso ein Reh im Haus war und durften es tagsüber mit Milch füttern.

Wladimir hatte ihnen das dann beim Frühstück erzählt, bei dem Calvin das Reh bei sich behalten hatte, welches zu seinen Füßen auf einer Decke gelegen hatte und gepresstes Futter aus einem Haustier-Nahrungsgeschäft gefressen hatte, welches Konrad in aller Früh aufgesucht hatte. Dass es offen gehabt hatte war reines Glück gewesen, sonst hätte das Reh noch länger nichts Festes zum Essen bekommen. Aber es konnte auch nicht ewig von gepressten Pellets leben, allerdings sollte es vorerst reichen, bis der Tierarzt wieder zu ihnen kam und ihnen Futter für das Wildtier brachte.

Gerade bauten die Butler Konrad und Greez draußen einen Unterstand samt Futterkrippe auf.

Cevins Lehrer hatte heute nur den Vormittag mit ihm verbracht und ihm für den Rest des Tages frei gegeben. Allerdings hatte er wieder eine Übungsaufgabe bekommen.

Weil er frei hatte stand Cevin nun vor der Bürotür von Nikolaijs Vater und klopfte.

"Herein!", sagte er auf Russisch, was Cevin zwar noch nicht aussprechen aber verstehen konnte. Er steckte seinen Kopf durch den Türspalt und lächelte Wladimir an.

"Ah Cevin!", freute der sich, "Setz dich!", sagte er und strengte sich an fehlerfrei Deutsch zu sprechen, "Wie war Schule?"

Artikel lagen ihm allerdings nicht. Das machte aber nichts. Seine Sätze ergaben dennoch einen Sinn.

Cevin bedankte sich, trat ein, nahm gegenüber dem Mann Platz und sagte: "Es war gut, hat Spaß gemacht. Wir haben über die Transsibirische Eisenbahn gesprochen, ich habe einen Text bekommen letztens, den ich versucht habe zu lesen. Ich glaube ich habe es gut gemacht. Aber ich habe eine Bitte, weswegen ich auch hier bin."

Wladimir nickte, schien zufrieden mit ihm zu sein, beugte sich vor und bat ihn mit einer simplen Geste weiterzusprechen.

Cevin nickte und wählte seine Worte sorgfältig: "Ich weiß, dass Nikolaij Casey abholt, weswegen ich gerne währenddessen zum Theater möchte. Ich will es schaffen, dass sie ihn unter Vertrag nehmen."

"Aber er hat ihnen abgesagt."

"Ich weiß", sagte er traurig und verzweifelt, "Das hat er wegen mir gemacht. Er hat Angst, dass unsere Beziehung kaputt geht und er hat mich gebeten es ruhen zu lassen. Aber ich kann es nicht. Wladimir ich es kann es nicht. Ich will nicht, dass er das wegen mir verliert. Es ist das Bolschoi, Wladimir. Bitte hilf mir!"

Wladimir sah ihn kurz an, dann sagte er: "Bevor ich antworte, ich will, dass du weißt, dass ich finde es grandios, dass du versucht hast Nikolaij dort hin zu bekommen. Das war tolle Leistung. Große Liebe von dir. So etwas meine Frau hätte auch von mir bekommen können", die Umlaute hatten gut geklappt. Er übte fleißig.

Cevin nickte, Wladimir fuhr fort: "Aber wenn Nikolaij sagt ab, dann macht Nikolaij das, weil er das will. Ich aber verstehe, wenn du nicht gleich willst einsehen und kleinbeiwerden."

Cevin lächelte: "Kleinbeigeben, Wladimir."

"Du gibst klein?", fragte er verwirrt.

"Ja, nein. Ja, klingt doof, das ist richtig. Man wird klein, aber man gibt klein bei."

Russisches Ballett [BoyxBoy] Band IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt