*Kapitel 62 (197) Familienplanung / Rotgoldene Liebe

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Freitagmittag, 6.1.
In der Stadt
In Doktor Dariusz Psychiatrischer Praxis


F
amilienplanung

Einschneidende Erlebnisse im Leben mussten nicht immer ein Diplom oder eine Auszeichnung zur Folge haben, um einen Richtungswechsel anzukündigen. Oft reichten schon winzig-kleine Momente, um das Leben um hundertachtzig Grad zu drehen.

Ihr Moment, der dies bewirkte, war gekommen. Und zwar schon vor drei Tagen, am Dienstag. Als sie hier ihren ersten Tag zur Probe hatte absolvieren dürfen und der nette Herr Doktor sie sofort hatte einstellen wollen.

Und jetzt saß sie hier, in Doktor Dariusz Psychiatrischer Praxis, für Opfer von Straftaten, Ordnungshüter und Angehörige. Diese Begrüßungsfloskel zu erlernen war allerdings harte Arbeit gewesen. Bis gestern hatte sie ihren Schummelzettel noch vor sich liegen gehabt, damit sie nicht in der Geschwindigkeit in der sie begrüßen sollte ein Wort verschluckte, über eines stolperte oder sie verdrehte.

Der Monitor vor ihr zeigte ihr alle heute anstehenden Ereignisse an.

Im Raum hinter ihr – hinter zugezogenem Vorhang – der eigentlich für das Personal gedacht war, saßen ihr Mann und ihr Kind. Sie spielten, lachten, kuschelten oder lasen Bücher. Zweimal hatte Conrad es auch schon mit einem Kinderfilm versucht, doch Timmy war vom Fernseher nicht sehr zu begeistern.

Amanda musste zugeben, sich nicht ganz sicher zu sein, ob es eine gute Idee war Timmy hierher mitzunehmen. Doch alles war besser als der Club. Sie hatte so viel Timmy-Mami-Zeit verpasst, dass sie einiges nachzuholen hatte.

Conrad hatte noch bis einschließlich Sonntag Ferien, am Montag musste er wieder zur Schule. Was bedeuten wird, dass Timmy weinerlich sein wird, weil Dada plötzlich wieder weg war.

Montag würde also schwer werden. Aber Erika würde sich gut um den kleinen Knirps kümmern. Und auch Natalie, denn die hatte an diesem Tag frei. So wie Conrads Vater, Szymon. Der sich jeden Tag riesig freute, wenn er seinen Enkel sah.

Dass der Bankier nun für immer in der Nähe war freute Conrad sehr. Und Natalie natürlich erst recht.

Kurz quietschte ihr Kind laut hinter dem Vorhang und sie hörte Conrad lachen: "Sch, Timmy. Mama muss doch arbeiten!"

Tim lachte leise und machte ebenfalls: "Sch!"

"Ja, sch!", bestätigte Conrad und Amanda konnte ihn sich nur zu gut vorstellen, wie er in die Knie ging, den Zeigefinger an die Lippen hielt und 'Sch!' sagte.

Conrad und Timmy waren so ein unfassbar süßes Gespann. Timmy schien regelrecht verliebt in Conrad zu sein und dieser erwiderte die ungeheuer liebevollen Blicke seines Sohnes aus tiefstem Herzen.

Dr. Dariusz psychiatrische Praxis war außerdem keine Anlaufstelle für verrückte oder gefährliche Menschen. Die meisten seiner Patienten waren Polizisten und deren Angehörige, oder Angehörige von Straftätern. Und die paar Leute die zivil zu ihm kamen waren sogar noch freundlicher.

Wie Thomas.

Conrad hatte ihn erkannt und hatte sich verstecken wollen, doch da hatte auch Thomas ihn schon erblickt. Etwas beschämt hatte er Conrad gebeten nichts seinem kleinen Bruder zu verraten. Dieser hatte daraufhin geschworen seinem Kumpel nichts zu sagen.

Als Gegenleistung hatte Thomas allerdings kurz auf Timothy aufpassen müssen, weil Conrad pinkeln gehen wollte. 

Als er zurückkam hatte er lachend gesagt: "Tommy und Timmy!", weil Timothy auf dem starken Arm des fremden Mannes gesessen und gelacht hatte.

Russisches Ballett [BoyxBoy] Band IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt