Als wir ankamen, waren wir fast die ersten. Das war echt ungewohnt für Carlo, der sonst immer als letztes ankam. Als wir hinter den Bühnenbereich kamen, zog er mich zur Seite. „Kein Wort darüber zu irgend jemanden. Und bild dir darauf ja nichts ein. Hast du mich verstanden?" Ich nickte schnell. „Ja, natürlich. Tut mir leid, das mit gestern..." „Schon ok, passiert halt. Aber untersteh dich, es noch ein mal zu versuchen. Ich suche mir meine Freundinnen selber aus, klar?" „Ja... tut mir leid." „Ist jetzt auch egal. Ich hab gleich ein Interview." Er ging an mir vorbei und ich ging zu Sofia. „Ist alles okay?" „Ja, alles gut. War nur wegen Lilly." „Okay... sicher?" „Und möglicherweise habe ich versucht, dich mit ihm zu verkuppeln." gestand ich peinlich berührt. „Du hast was?! Nicht dein Ernst." „Ich wollte dir nur was gutes tun, ehrlich!" Sie seufzte. „Ich finde das ja echt lieb von dir, aber erstens hat er eine Freundin und zweitens... Um ehrlich zu sein, seit gestern habe ich irgendwie ein bisschen das Interesse verloren." „Was? Wie das denn?" „Jungs sollten beschützen können, finde ich. Und nicht mich mit Dingen abschmeißen und wegrennen." Ich musste lachen. „Ja, da hast du wohl recht. Der mutigste ist er nicht gerade." „Es ist einfach besser so. Ich weiß, du hast es nur gut gemeint, aber sowas muss ich einfach alleine klären." „Ja, klar. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor, versprochen. Ich glaube ich geh mal die Toiletten suchen." Ich drehte mich um und ging, wobei ich gegen Jojo stieß. Er sah mir für den Bruchteil einer Sekunde tief in die Augen, dann sah er schnell weg und wurde leicht rot. „Sorry." murmelte er und ging weiter. Ich tat es ihm kopfschüttelnd gleich. Was ist nur aus uns geworden? Ich ging gar nicht die Toiletten suchen. In Wahrheit wollte ich einfach nur kurz alleine sein und ungestört Benno anrufen. Zum Glück ging er ran.
B: Hey, na? Seid ihr schon da?
I: Ja, eben angekommen. Carlo hat grad ein Interview.
B: Ah stimmt, mit ‚Vice', richtig? Danach hat er noch eins mit ‚HipHop.de' und dann eine Stunde Pause vor dem Soundcheck.
I: Was bist du? Sein Terminplaner?
B: Jep. Und zwar in beiden Hinsichten.
I: Wann kommst du eigentlich?
B: Diesmal gar nicht. Es gibt hier im Büro einfach zu viel zu tun. Ich schaffe es nicht. Warum gehst du nicht mal zu den anderen?
I: Zu wem denn? Sofia und Carlo sind sauer auf mich und Jojo... keine Ahnung was mit dem los ist.
B: Wieso sind die sauer auf dich?
I: Sofia steht auf ihn und ich wollte die beiden miteinander verkuppeln. Ging nach hinten los und jetzt hassen sie mich.
B: Was machst du nur für Sachen... Ihr werdet euch schon wieder vertragen, du wirst sehen.
I: Ja... irgendwann. Warum kannst du nicht einfach herkommen?
B: Wegen der Arbeit. Und das weißt du. Ach verdammt, ich muss jetzt auch auflegen. Hab dich lieb.Ich seufzte und steckte mein Handy weg. Ich beschloss, ein wenig über das Gelände zu gehen und mich ein bisschen umzusehen. Überall liefen gestresste Menschen rum, riefen etwas in ihre Walkie-Talkies, telefonierten oder standen einfach nur herum. Ich ging immer weiter. Das Gelände war riesig. Irgendwann klingelte mein Handy. Ich sah kurz drauf. Carlo. Er schien fertig zu sein. Ich steckte mein Handy wieder weg und ging weiter, bis ich an der Grenze ankam. Ein großer Zaun kennzeichnete das Ende. Ich machte mich langsam wieder auf den Weg zurück. Bis mir plötzlich Carlo entgegenkam. „Was machst du hier?" fragte ich perplex. „Ich hab dich gesucht. Sofia meinte, du wärst auf der Toilette, aber du warst jetzt über eine Stunde weg. Ich dachte schon, du hättest dich verlaufen! Warum bist du nicht ans Handy gegangen?" Scheinheilig sah ich ihn an. „Du hast angerufen?" „Ja! Ich hab mir schließlich Sorgen gemacht." „Natürlich hast du das." murmelte ich, aber er hatte es gehört. Er stellte sich vor mich und hielt mich fest, sodass ich ihn ansehen musste. „Ich habe mir Sorgen gemacht! Ja ok, das war nicht in Ordnung von dir. Aber du bist immer noch meine Schwester und ich mache mir eben eben Sorgen, wenn du auf einmal spurlos verschwunden bist. Darf ich das etwa nicht?" Ich seufzte. „Doch..." brummte ich. „Also. Jetzt komm, ich hab Soundcheck." sagte er jetzt sanft und zog mich hinter sich her.