Kapitel 143

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Es war eine weitere Woche vergangen und Manuel hatte sich nicht bei Vivienne gemeldet weil er einfach nicht dazu in der Lage gewesen war wirklich. Er war die ganze Woche eigentlich komplett voll gewesen. An manchen Tagen war er nur zum spritzen aufgestanden und war sonst einfach auf Ramins Teppich liegen geblieben mit den anderen. Die Nächte feierten sie in der Regel. Seinen Pflegeeltern war es schnurzegal ob er nach Hause kam solange er sie nicht beim Jugendamt verpfiff und warum sollte er das auch tun? Manu war zufrieden wenn sie ihn in Ruhe ließen und ihn nicht drangsalierten. Seit 2 Tagen ging es ihm allerdings richtig beschissen. In der letzten Dosis musste irgendwas drin gewesen sein was da nicht hingehörte und er fühlte sich miserabel. Einige der Spritzstellen waren ebenfalls entzündet und er war ständig am kotzen. Meistens liefen seine Tage dann so ab: Aufwachen, irgendwie auf die Beine kommen, H spritzen, Toilette, Alkohol kaufen wenn keiner mehr da war (währenddessen 3-5 Zigaretten rauchen), irgendwas essen und Alkohol trinken, irgendwann das Essen wieder auskotzen, hinlegen und versuchen nicht nicht zu denken bis der Stoff so richtig reinhaute und er in der Nacht so langsam wieder fit wurde. Dann feierten sie meistens, tranken mehr Alkohol, kifften, er spritze oftmals noch zwischendurch oder kokste oder irgendwas. Und irgendwann wurde ihm schwarz vor Augen bis er am nächsten Tag wieder aufwachte. Manuel verbrachte seine Tage eigentlich komplett im Suff und er konnte gar nicht mehr anders. Wenn er an den Entzug dachte musste er jedesmal beinahe kotzen weil es ihm da so dreckig gegangen war... und dabei hatte er das Gefühl das es seit dem Entzug schlimmer geworden war. Es gab keinen Tag mehr an dem er nüchtern oder clean war oder an dem er nicht rauchte. Wenn man es mal genau nahm war er seit er 13 war Raucher und seine Lungen waren vermutlich ohnehin im Arsch. Wenn er lange genug dafür leben würde dann würde er vermutlich an Lungenkrebs sterben oder an versagenden Nieren oder der Leber oder was weiß für ekligem Kram. Viel wahrscheinlicher war jedoch das ihn irgendwann eine Überdosis ins Grab bringen würde.

An diesem Abend war er mal wieder am feiern mit den anderen, hatte zwischenzeitlich mit Miriam geschlafen und war dermaßen voll das er kaum mehr wusste wo er war und kurz davor stand zu kotzen, die Toilette war aber von den beiden Bulimikerinnen, die in ihrer Clique waren, besetzt und er musste warten weshalb er hoffte das er nicht kotzen würde. Die Musik war laut und Ramin und ein paar andere Jungs saßen mit dumm grinsenden Mienen auf dem Sofa. Die waren alle zugekifft aber Heroin brauchte bislang nur er. Ramin war sein bester Freund, er hatte ihm auch schon öfters Geld gepumpt wenn er keines gehabt hatte für H oder für Alk oder Kippen. Seine Eltern waren Spießer gewesen, die vor ein paar Jahren bei einem Unfall gestorben waren von dem Ramin manchmal behauptete er hätte ihn verursacht, was Blödsinn war. Sie hatten ihm dann als er 18 wurde aber endlich ihr Geld vererbt das bis dahin die Jugendfürsorge unter Verschluss gehalten hatte und er hatte bei seiner Tante ausziehen und hierher kommen können. Zum Glück. Manuel war in dermaßen vielen Pflegefamilien gewesen aber zum Glück hatte er Ramin und seine Clique. An diesem Abend war er also mal wieder so dermaßen zu und ihm war irgendwie auch sonst nicht gut. Er fühlte sich schlapp und schwindlig und wusste nicht so recht woran es lag. Die Drogen schienen schon wieder nachzulassen und er setzte sich irgendwann auf den Teppich wobei er den Kopf an die Wand lehnte und er irgendwann nach unten auf den Boden rutschte.

Aus Erzählungen von Manu wusste ich wo ich seine Pflegeeltern finden würde. Diese hatten mir die Tür nur ganz klein geöffnet und mich angesehen als wäre ich von einem anderen Stern. "Bei Ramin wo sonst", damit hatte der Mann das Gespräch beendet während die Frau wenigstens so nett gewesen war mir eine abgetragene Jacke zu geben die wohl Manu gehörte und mir zu sagen wo ich lang laufen musste.

Seit dem stolperte ich über die Straße Richtung Ramins Haus. Ich hoffte ich würde das Haus finden, laut Beschreibung das Haus an der Ecke. Die ganze Gegend sah nach "Armheit" aus. Konnte man das so sagen??? Ich musste schnell von der Straße runter...sicher hatte man schon eine Beschreibung raus gegeben. Und so wie ich geflohen war, würde man mich für gemeingefährlich einstufen. Klar eine schizophrene Verrückte mit Fremdgefährdung war auf die gesunde Menschheit losgelassen worden. Ich rümpfte die Nase und kam schließlich an einem Vorgarten an. Aus dem Fenster qualmte es und ich vermutete darin wurde geraucht. Denn man konnte nicht rein sehen so dick war der Nebel.

Ich lief um das Haus herum, drückte das Gartentor auf und ignorierte geflissentlich das Schild "Bissiger Hund. Betreten verboten." Bitte lass hier keinen Hund kommen, schlafe schön weiter Hündchen...hast du gehört, dachte ich mir und sah dann auf die Terasse die sich mir entgegenstreckte. Auf dem Gartenstuhl saß ein Typ nur mit Boxershort, er hatte Edding im Gesicht und aus seinem Mund hing ein Sabberfaden. Ich schluckte. Was war das nur für eine Hölle hier. Ich stieg über die kaputten Flaschen und drückte meine Hände gegen die Glastür. Drinnen lagen undefinierbare Körper am Boden, eine Menge. Anscheinend war die Party früh aus gewesen oder so sah es immer aus.

Ich bemerkte das die Tür offen war und verschaffte mir schließlich Zutritt. Drinnen stank es nach allem. Kotze, Pisse, und etwas so ekligem das ich mir die Jacke vor Mund und Nase halten musste. Dann lief ich oder eher schob mich durch die Körper nach oben. Ich sah in jedem Raum nach. Oben auf der Treppe lag ein Mädchen, den Kopf am Geländer gelehnt. Sie rauchte. Weshalb ich mich zu ihr hinabbeugte. "Wo ist Manu", fragte ich extrem langsam. Das Mädchen blitzte mich durch ihre verknoteten Haare hindurch an. "Oben" war das einzige was ich raushörte und machte mich auf dem Weg.

Auf halbem Weg zu einem Badezimmer, wie ich sah da die Tür offen war und ein gefliestes Badezimmer zur Schau stellte, stolperte ich über einen am Boden liegenden Körper. Als ich auf den Knien landete und mich umsah erkannte ich ein mir bekanntes Gesicht. "Scheiße verdammte", fluchte ich und rutschte zu dem Körper. Als ich sein Gesicht vom Fußboden drehte erkannte ich Manuels Gesicht. "Hey", ich rüttelte an ihm. Seine Arme lagen frei und er sah einfach nur scheiße aus. "Verdammt"; ich blickte rüber zum Badezimmer und machte schließlich das einzige was ich wusste. Ich robbte auf dem Hintern mit ihm in den Armen zum Badezimmer.

Das Bild war sicher unbezahlbar was wir abgaben. Im Badezimmer lehnte ich ihn nur an die Tür, stand auf und kotzte fast selbst. Im Klo hing ein Mädchen, eklig. Die andere lag in der Badewanne, vollgekotzt. Ich würgte und machte einen Becher mit Wasser voll und schüttete ihn dann in Manuels Gesicht. "Wach auf...Manu. Ich bins", so hockte ich mit meiner Krankenhaustracht, einer braunen Jacke von Manu, einem grauen Pullover, einer Jeans die schon bessere Tage gekannt hatte und weiße Turnschuhe vor ihm. Zittrig griff ich nach meinem Handy. Wenn er nicht wach wurde müsste ich einen Krankenwagen rufen. Mein Blick ging dabei durch das Zimmer. "Verdammt...das ist doch keine Party. Das ist eine Drogenhalle...ein Ort an dem man sterben kann", sagte ich und war einfach nur angewidert. Wenn ich hierher jemanden rufen würde, ich könnte mir vorstellen das nicht nur Manu eingeliefert werden würde.

Manuel war entweder bewusstlos oder am Schlafen gewesen. Ehrlich gesagt wusste er nicht was mit ihm Tag für Tag passierte. Vermutlich schlief er, aber er war dermaßen durch alles betäubt das es fast einer Bewusstlosigkeit gleich kam. Das Vivienne ihn ins Badezimmer schleifte bekam er nicht mal mit. Er regte sich erst schwach als man ihm Wasser ins Gesicht schüttete und er sich zur Seite auf die kalten Fließen rutschen ließ, weil ihm die Kraft fehlte um aufrecht zu sitzen. Er hustete schwach und bekam die Augen ein wenig auf, sah aber nichts, weil diese so verquollen und die Pupillen so von den Drogen zusammengezogen waren, dass er bei dem schwachen Licht nichts sehen konnte. Plötzlich würgte es ihn und er stützte sich schwach mit einer Hand auf dem Boden ab um den Kopf und die Schultern ein wenig aufzurichten und sich halb zur Seite zu drehen. Sein Atem hörte sich irgendwie gruselig schwach an aber er war zu schwach und oder betäubt um den Ernst seiner Lage mitzubekommen. Traurigerweise war das hier auch fast sein Normalzustand, abgesehen von den entzündeten Stichwunden mit denen sein Körper noch kämpfen musste.

Manuel reagierte kaum wie ich bemerkte. Er drehte sich schließlich nur und würgte, es kam anscheinend auch einiges heraus und ich fühlte seine Stirn. Er war ganz heiß und dann auch wieder kalt an den Armen. Er sah aus als würde sein Kopf explodieren wenn es gehen würde. Ich entschied mich nun einfach den Krankenwagen zu rufen. Ich hob das Handy und rief an. "Ja er ist kaum bei Bewusstsein", sagte ich als sie mich fragten wie es um ihn stand. Auf die Frage wer denn da anrief, konnte ich nicht antworten. Sie würden mich früh genug finden. Erstmal brauchte Manu Hilfe. Ich stand auf und öffnete die Fenster, hier musste Frischluft rein. Das würde helfen. Vielleicht. Ich hatte noch nie so eine "Party" gesehen. Ich kniete mich neben Manu und schlug leicht gegen seine Wangen. "Manu hörst du...der Krankenwagen kommt jetzt...du musst wach bleiben hörst du", ich sah mir seine Arme an. Einige Stellen sahen sehr entzündet aus. Ich musste doch was tun. An Mama erinnerte ich mich das man entzündungshemmende Cremes benutzen konnte. Ich suchte im Schrank danach und fand ein zwei Tuben die helfen würden. Ich begann damit die Wunden einzuschmieren und mit dem verstauben Erste Hilfe Kasten Wundpflaster draufzukleben da sonst nichts drin war. Verdammt..."Manu ich bins Vivienne...Hörst du...Ich hab versucht dich zu erreichen...." er musste wach bleiben, ich kippte noch einen Rest Wasser über sein Gesicht. Es tat mir im selben Moment Leid.

Er übergab sich kurz darauf etwas und sackte dann wieder zu Boden. Das er dabei in seiner eigenen Kotze lag störte ihn nicht und das war auch nicht sein erstes Mal. Manuel war schon oft in der Kotze anderer oder seiner eigenen aufgewacht. Das sich Vivienne so um ihn bemühte bekam er kaum mit. Nach einigen Momenten erkannte er sie dann aber doch. "Viv..nne.", murmelte er undeutlich und runzelte die Stirn. Sie verband ihm die Arme und wenige Minuten später verzog er das Gesicht als er Sirenen hörte. Die waren so entsetzlich laut. Erneut spürte Manuel Wasser im Gesicht und prustete. Dann hörte er einen Ruf, den er nicht richtig verstand und mehrere polternde Schritte.

Die Sanitäter waren schließlich angekommen, ich bettete Manus Kopf auf meine Jacke, oder seine Jacke die es war und stand dann auf. Auf dem Treppenabsatz rief ich runter. "Hier oben." Die Sanitäter begannen die Leute am Boden zu kontrollieren. "Schnell bitte!" Haben Sie angerufen? fragte eine Frau und kam nach oben zu mir. "Ja, ein Freund von mir liegt hier. Er verliert fast immer sein Bewusstsein. Seine Einstichstellen am Arm haben sich entzündet...es sieht schrecklich aus", ich wurde schlussendlich beiseite geschoben als die Sanitäter nun bei Manu angekommen waren. Sofort abtransportieren lautete der Befehl der Frau und sie begannen ihn fertig auf die Liege zu legen. Mit Lampe ins Auge schauen, Infusion legen. Ich stand auf. "Ich möchte mit" und bekam nur ein leichtes Nicken. Beim Runter gehen hörte ich einen Polizisten in ein Walki Talki sprechen. Ja unbedingt Verstärkung. Ca. 12 Personen im fast komatösen Zustand. Dann ging es los.


Malachai Parker - Engel? Eher PsychopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt