Kapitel 3.

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Jin zuckte erschrocken zusammen, als er die Tür öffnete und ihm der eiskalte Regen ins Gesicht schlug.

Hatte er sich gerade erst wieder einigermaßen getrocknet und seine gefühlt eingefrorenen Glieder gewärmt, fühlte es sich jetzt nach wenigen Sekunden hier draußen so an, als hätte er bereits Stunden in einem eiskalten See treibend verbracht.

Fröstelnd klappte er den Kragen seines Mantels hoch und machte einen Schritt nach draußen.

Ein leises Klacken, gefolgt von einem Fluchen ließ ihn aufhorchen.

Der Unbekannte stand in der dunklen Seitengasse neben dem Gebäude. Geschützt vor dem Regen unter einem verrosteten Wellblechdach.

Eine Zigarette im Mundwinkel balancierend versuchte er knurrend sein Feuerzeug in Gang zubekommen.

Jin musste unwillkürlich schmunzeln.

Vielleicht würde er ja doch noch seine zweite Chance bekommen.

Langsamen Schrittes näherte er sich dem Unbekannten, der alarmiert den Blick hob, jedoch direkt wieder die Stirn kraus lag, als er sein Gegenüber erkannte.

Sehr charmant, wirklich.

"Brauchst du Feuer?", fragte Jin freundlich lächelnd und hielt ihm ein kleines silbernes Zippo entgegen.

Er selbst rauchte nicht, hatte aber immer ein Feuerzeug dabei.

Wenn er eines gelernt hatte, dann die Tatsache, dass man in der Raucherlounge die besten Gespräche führen konnte und an Informationen kam.

Egal, ob in der Welt der Promis oder lediglich vor dem nächstbesten Supermarkt.

Zögerlich und mit finsterem Blick nahm der Unbekannte das Feuerzeug entgegen. Als er dieses aufflammen ließ beleuchtete es für einen Augenblick seine dunklen, fast schwarzen Augen, die ihn unverhohlen musterten.

Jins Magen zog sich zusammen, doch er zwang sich, dem Blick standzuhalten.

"Danke.", murmelte der Unbekannte und warf ihm das Feuerzeug entgegen.

Erschrocken über die blitzschnelle Bewegung konnte Jin es gerade noch fangen, was sein Gegenüber mit einem anerkennenden Nicken zur Kenntnis nahm.

Warum fühlte er sich so merkwürdig in der Gegenwart dieses namenlosen Mannes?

Und wieso starrte er ihn schon wieder sekundenlang stumm an?

Unsicher räusperte sich Jin: "Verrätst du mir deinen Namen?"

Der Unbekannte blickte ihn ausdruckslos an: "Warum?"

Jin blinzelte verwirrt.

Warum? Warum nicht?

Was war das überhaupt für eine Frage?

"Weil ich dir auch gesagt hab, wie ich heiße.", versuchte er zu erklären, wurde dabei mit jedem Wort jedoch immer unsicherer.

"Hat dich doch keiner gezwungen.", kam es als Antwort.

Innerlich verdrehte Jin die Augen. War es ernsthaft so schlimm, wenn er ihm einfach seinen Namen verriet?

Was war schon dabei?

Würde die Welt in Stücke gerissen werden, wenn er ihn laut aussprach?

Er wollte gerade wieder zum Reden ansetzen, als er jäh unterbrochen wurde.

"Hör mal, ich hab keine Ahnung, was du eigentlich von mir willst.", begann der Unbekannte mit sonorer dunkler Simme, die Jin durch Mark und Bein ging. "Es ist mir auch egal, ob du irgendein Groupie von der Kleinen bist und dich gebührend verabschieden willst.", er machte eine Geste in Richtung des abgesperrten Tatorts.

Jin wurde hellhörig.

Groupie? War das Opfer etwa irgendeine Bekanntheit?

Wenn dem wirklich so sein sollte, spielte ihm das direkt doppelt in die Karten.

Nachdenklich schaute er auf den regennassen Parkplatz, der nun vollkommen verlassen vor ihm lag.

Nur die gelben Absperrbänder der Polizei erinnerten noch an ein Verbrechen.

Eine Bewegung vor seinen Augen ließ ihn zusammenschrecken.

Der Unbekannte schnipste direkt vor seiner Nase mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Verwirrt blickte er in dessen Richtung.

"Sollte ich dich nochmal in meiner Nähe entdecken, lasse ich dich verhaften.", erklärte der Schwarzhaarige kühl.

"Mit welcher Begründung?", hakte Jin überrascht nach.

Der Unbekannte zuckte mit den Schultern: "Behinderung von Polizeiarbeit."

Mit großen Augen schaute Jin zu seinem Gegenüber auf.

Er war also wirklich Polizist.

"Erfahre ich dann deinen Namen, wenn du mich verhaftest?", grinste er amüsiert.

Der Unbekannte musterte ihn finster.

"Fahr nach Hause in deine hübsche Designerwohnung. Nicht, dass du noch deinen schicken Mantel ruinierst. Das hier ist nichts für dich."

Mit diesen Worten ließ er den verblüfften Jin stehen und verschwand in der regnerischen Nacht.










Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt