Jins Knie fühlten sich noch immer wie Pudding an. Immer wieder hatte er Sorge, dass seine Beine einfach nachgaben.
Kaum zu glauben, dass er es tatsächlich geschafft hatte, sicher fahren zu können.
Obwohl er dabei immer wieder unauffällig zu Namjoon auf dem Beifahrersitz geschielt hatte. Der seelig lächelnd schlummerte.
Zumindest konnte sich Jin jetzt denken, wie es der Ermittler schaffte, nie wirklich müde auszusehen. Wenn er immer wieder kleine Nickerchen über den Tag verteilt machte.
Bei Jin hingegen war an Schlaf gar nicht zu denken.
Er war aufgekratzt, voller Energie. Und verdammt glücklich.
Beinahe musste er sich zwingen, nicht die ganze Zeit über breit zu grinsen. Aber da sie nun wieder im Revier angekommen waren, musste natürlich eine gewisse Seriösität an den Tag gelegt werden.
Nichtsdestotrotz hätte er lieber Namjoons Hand genommen, ihn einfach an sich gezogen und darum gefleht, er möge das aus dem Auto wiederholen.
Jin stutze, als er ein ihm sehr bekanntes Lachen vernahm.
"Jimin, was machst du denn hier?", fragte er überrascht, als er auf den jungen Silberhaarigen in Namjoons Büro traf.
Yun war ebenso anwesend. Wahrscheinlich hatte sie ihn eingelassen.
Der lehnte gemütlich in dessen Drehstuhl, die Füße auf dem Schreibtisch und hielt grinsend einen großen braunen Umschlag hoch.
"Da du nicht in der Presseagentur warst, bin ich schnurstracks hierher gefahren.", erklärte er schulterzuckend.
Jin blickte auf den Umschlag.
"Wieder offen?", hakte er vorwurfsvoll nach.
Erneut zuckte Jimin mit den Schultern: "Du kennst meine Schwäche."
Der Reporter schüttelte nur den Kopf, nahm ihm den Umschlag ab und warf einen kurzen Blick hinein. Wie erwartet die Fotos vom letzten Tatort am Hangan-River. Und eigentlich gar nicht geeigenet für die Augen eines Unbeteiligten.
"Ich hab in meinem Schrank einen Ordner mit den ekligsten Tatortfotos, die du dir vorstellen kannst.", schaltete sich nun auch Yun ein.
Jimin war direkt Feuer und Flamme, blickte sie mit großen leuchtenden Augen an: "Krass! Zeigst du mir den?"
"Bist du doof? Das ist verboten.", erwiderte Yun. Ihr Augenzwinkern dabei ließ allerdings vermuten, dass sie später dennoch mit Jimin zusammensitzen würde, um sich zertrümmerte Körper und abgetrennte Gliedmaßen anzusehen.
Jin runzelte die Stirn bei dem Gedanken daran.
"Wo kommt ihr eigentlich jetzt erst her?", fragte Jimin neugierig.
Yun beugte sich grinsend zu dem Silberhharigen vor, als wolle sie ihm etwas zuflüstern.
Da sie ihre Stimme jedoch kein Stück dämpfte, konnte jeder ihre Worte hören: "Die hatten sexy Time. Ich hab es am Telefon gehört."
Mit hochrotem Kopf schlug sich Jin die Hand vor den Mund.
Er hatte sich doch extra Mühe gegeben, keinen Ton von sich zu geben.
"Dann war es wahrscheinlich eher eine harte Zeit.", lachte Jimin zweideutig.
Namjoon hatte sich das kleine Schauspiel die ganze Zeit über besehen, rollte nur mit den Augen.
"Die beiden zusammen sind eindeutig mehr Folter, als das, was unser Killer durchzieht.", meinte er trocken, als er sich in Bewegung zu seinem Schreibtisch setzte.
Ohne ein weiteres Wort schubste er Yun unsanft von der Tischplatte, auf der sie gesessen hatte.
Jimin dagegen blickte er nur auffordernd an.
"So ein dominanter Augenaufschlag zieht bei mir nicht.", grinste er frech.
Namjoon erwiderte nichts, schob lediglich seine Lederjacke zur Seite und gab so den Blick auf die schwarz glänzende Waffe in seinem Holster frei.
Abrupt sprang Jimin auf: "Okay, das wirkt schon mehr."
Der Ermittler setzte sich in seinen Stuhl, schob die aufgetürmten Aktenberge zurecht. Schließlich schenkte er Jimin einen durchdringenden Blick: "Wieviel weißt du durch deine Neugier schon über den Fall?"
Unwillkürlich wanderten Namjoons Augen kurz zu Jin, der unter der plötzlichen Aufmerksamkeit zusammenzuckte.
Das muss wohl auch Jimin aufgefallen sein, der sofort verteidigte: "Er kann nichts dafür. Ich hab mir auch nur die Fotos angesehen.", stotternd fügte er nach einigen Sekunden jedoch hinzu: "Und die Notizen in Jins Laptop."
"Jimin!", schnappte der Reporter nach Luft.
"Was denn? Ich kenne dein Passwort.", erklärte der Jüngere gelassen, als ob es sich hier nicht gerade um eine Straftat handelte.
"Wenn du nicht willst, dass ich die deswegen einbuchte, wirst du mir einen Gefallen tun.", lehnte Namjoon sich in seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme.
Nicht nur Jimin starrte ihn verblüfft an.
"Wie jetzt?", fragte er.
"Yun, du zeigst ihm, wo er hin muss.", Namjoon warf eine Blick auf seine Armbanduhr. "Vor einer halben Stunde ist der Letzte gegangen, der Wachmann ist also komplett alleine."
"Joonie, was hast du vor?", erkundigte Yun sich besorgt.
Der Ermittler sah ernst auf: "Wir brauchen diese Akten, das weißt du genauso gut wie ich."
Die junge Polizistin knabberte nervös an ihrem Daumennagel: "Wenn die euch erwischen..."
"Das werden sie nicht, wenn ihr eure Sache gut macht.", Namjoon klang vollkommen ruhig.
"Werde ich vielleicht auch mal in deinen großen Plan eingewiesen?", beschwerte sich Jimin, schaute immer wieder zwischen den einzelnen Anwesenden hin und her.
"Wir beklauen die Polizei.", seufzte Yun.
"Ihr wollt was?", keuchte Jin erschrocken. "Das ist doch Wahnsinn!"
Hatte das immer noch mit diesen elenden Akten zu tun? Gab es denn wirklich keinen anderen Weg, um da ranzukommen?
"Nein, das ist Wahnsinn.", Namjoon zeigte auf die Pinnwand, die mittlerweile so gefüllt war, dass man kaum noch die Untergrundfarbe erkennen konnte. "Und das ist aktuell die einzige Chance, wie wir es endlich beenden können."
"Aber...", Jin rang mit sich. Er versuchte, irgendein Argument zu finden, dass fähig war, den Ermittler davon abzuhalten.
"Da draußen läuft ein Mörder rum, der junge Menschen abschlachtet und wir stehen nur daneben und können zusehen, weil eine einzige Abteilung so tut, als wäre sie was Besonderes.", knirrschte Namjoon wütend mit den Zähnen.
"Also.", er blickte Jin durchdringend an. "Kann ich dir vertrauen?"
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Artifice //Namjin//
FanficEr, der junge Journalist, der zum ersten Mal mit der grausamen und blutigen Realität konfrontiert wird, trifft auf den ernsten Ermittler, der eigentlich lieber alleine arbeitet. Werden sie ihre gegenseitige Abneigung und die Streitereien auf Eis leg...