Jin blickte zu ihm auf.
Sein Herz raste und er hatte das Gefühl, die Zeit würde im Gegensatz dazu weitaus langsamer vergehen. Sekunden zogen sich in die Länge wie Kaugummi.
Namjoons Gestik veränderte sich für einen kurzen Moment. Eine minimale Alternation in seiner Mimik, ein kurzes Aufflackern in seinen Augen.
"Ist das so?", fragte er tonlos.
Mit einem stummen Nicken antwortete Jin.
Alles in ihm zog sich zusammen. Je länger er in Namjoons Umarmung verweilte, umso mehr Hoffnung schöpfte er.
Könnte es sein? Hatte der kurze Kontakt, den sie zueinander aufgenommen hatte, wirklich etwas gebracht?
Immerhin war er hier. Warum sollte Namjoon sonst einfach so hier auftauchen, wenn nicht doch irgendwo tief in ihm noch Gefühle bestanden?
Warum sonst würde er jetzt hier in seinen Armen sein, wenn er nicht wenigstens noch ein Stück Bedeutung für ihn übrig hätte?
"Du bist betrunken.", meinte Namjoon, schob ihn so weit von sich, dass Jin nicht einmal die Möglichkeit einer zufälligen Berührung gehabt hätte.
Selbst wenn er es noch wäre. Spätestens bei diesen Worten hätte augenblicklich die Nüchternheit eingesetzt.
Der Reporter musste sich zusammenreißen, dass ihm nicht der Kiefer herunterklappte, so fassungslos starrte er sein Gegenüber an.
"Der Schlüssel?", fragte Namjoon erwartungsvoll.
"Sicher.", Jin unterdrückte ein Kopfschütteln, fuhr sich stattdessen durch die vollkommen zerzausten Haare, die noch leicht feucht waren. Scheinbar hatte ihn der Albtraum ins Schwitzen gebracht.
Allerdings wohl eher nur der erste Teil.
Von diesem tauchten nun einige Fragmente in Jins Erinnerungen auf, was ihn doppelt aufwühlte, da der Hauptprotagonist dieses Traums nur wenige Meter von ihm entfernt stand.
Und keine Ahnung hatte, was alleine diese Anwesenheit in dem Blonden auslöste.
"Wolltest du nicht gestern zum Friseur?", fragte Namjoon plötzlich.
Vor Schreck fiel Jin der Autoschlüssel aus der Hand.
Erinnert an seine dümmliche Lüge traute er sich nicht, sich zu rühren, geschweige denn sich zu dem Ermittler umzudrehen.
"Ich...", krampfhaft überlegte er, was eine schlüssige Ausrede wäre. "Ich bin nicht dran gekommen?"
Er konnte das Mahlen von Namjoons Zähnen bis zu ihm hören und wusste sofort, dass seine Antwort nicht den gewünschten Erfolg erzielt hatte.
"Es ist eine Straftat, die Polizei anzulügen.", meinte der Dunkelhaarige kühl.
Jin stöhnte genervt auf und drehte sich zu ihm um: "Es ist auch eine Straftat, in fremde Wohnungen einzubrechen."
"Wieso fremd? Ich war oft genug hier.", zuckte Namjoon mit den Schultern. "Und ich hab dir bereits gesagt, dass es war, weil ich dich habe keuchen hören."
"Und wenn ich jemanden hier gehabt hätte?", blaffte der Reporter ihn provokativ an.
Die Augen verengt musterte Namjoon ihn.
"Hattest du das vor?"
Jin riss erschrocken die Augen auf: "Nein, was hälst du denn von mir?"
Der Ermittler ging nicht weiter darauf ein, runzelte lediglich die Stirn und fragte erneut: "Wo warst du gestern?"
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Artifice //Namjin//
أدب الهواةEr, der junge Journalist, der zum ersten Mal mit der grausamen und blutigen Realität konfrontiert wird, trifft auf den ernsten Ermittler, der eigentlich lieber alleine arbeitet. Werden sie ihre gegenseitige Abneigung und die Streitereien auf Eis leg...