Kapitel 11

247 21 0
                                    

Der Regen prasselte mit einer Lautstärke gegen die Fensterscheibe, dass man Sorge hatte, sie würde durch die Wucht der einzelnen großen Tropfen irgendwann unter der nicht enden wollenden Last zerbersten.

Jin zog sich die Decke über den Kopf und damit auch über die Ohren.

Er verabscheute Regen.

Er wollte ihn weder sehen und schon gar nicht hören.

Viel lieber würde er mit strahlendem Sonnenschein geweckt werden, der sich langsam mit wärmenden Strahlen in jede düstere Ecke vorkämpfte.

Und noch lieber wäre ihm ein sanftes zärtliches Wecken mit hunderten Küssen auf seinem Körper.

Jins Mundwinkel verzogen sich zu einem genüsslichen Lächeln.

Es war lange her, dass er solche Fantasien hegte. Und noch länger war es her, dass er sich diesen auch hingab.

Mit den Fingerspitzen strich er vorsichtig über seinen Oberkörper, fuhr die feinen Erhebungen seiner einzelnen Muskeln nach bis hinunter zum Bund seiner Boxershorts.

Erregt biss er sich auf die Unterlippe, während sich seine Hand über die deutliche Erregung zwischen seinen Beinen bewegte.

Ein Keuchen entwich seiner Kehle, als er leichten Druck auf die Spitze ausübte.

Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass er sich selbst Erleichterung verschafft hatte.

Womöglich fühlte es sich aus diesem Grund diesmal so viel intensiver an und Jin musste sich mit der freien Hand den Mund verschließen, um sich mit seinem lauten Stöhnen nicht zu verraten.

Vor seinen geschlossenen Augen blitzten Erinnerungen der letzten Tage auf. Fragmente seiner Begegnungen mit Namjoon.

Sein markantes Profil, die dunklen vollen Haare, seine fast schwarz anmutenden Augen.

Und seine Lippen. Diese vollen wie für leidenschaftliche Küsse gemachten Lippen.

Jin erhöhte automatisch das Tempo, je länger er an den attraktiven Ermittler dachte.

Es war Wahnsinn, das wusste er selbst. Aber wenigstens in seiner Einbildung konnte er ihm nahe sein.

So nah. Fast hatte er das Gefühl, ihn riechen, gar schmecken zu können.

Mit jeder harten Bewegung seiner Hand, den Rhytmus immer schneller ausführend, stöhnte er leise auf.

Nur noch wenige Augenblicke. Nur noch Sekunden entfernt. Er konnte bereits den süßen Schmerz spüren.

Jin drückte den Rücken durch, biss sich vor Erregung in den Unterarm.

Und kam.

Schwer atmend genoss er die intensiven Nachwehen, kostete jede einzelne davon aus.

Erst als das Rauschen in seinen Ohren abgeklungen war und er wieder das Prasseln des Regens an seiner Fensterscheibe vernahm, realisierte er sein Tun.

War er eigentlich verrückt geworden?

Frustriert fuhr er sich mit der Hand durch das Gesicht.

Seit wann war er so notgeil, sich wie ein pubertierender Schuljunge einen runterzuholen?

Gut, seine letzte körperliche Beziehung lag schon ein ganzes Stück zurück.

Aber seitdem hatte er so gut wie nie das Gefühl verspürt, sich selbst zu berühren.

Seufzend schlug er die Bettdecke zur Seite und setzte sich auf.

Stirnrunzelnd blickte er auf den mit grauen Wolken verhangenen Himmel über den Hochhäusern der Innenstadt.

Allmählich hing ihm dieser Anblick zum Hals raus.

Ständig Regen, nur in unterschiedlichen Mengen und Abständen.

Ob Namjoon bereits gegangen war?

Wahrscheinlich. Immerhin war es bereits weit nach acht Uhr, wie dem Reporter ein Blick auf seinen Wecker verriet.

Vermutlich war es auch besser so mit Rückblick auf das eben Geschehene.

Unvorstellbar, wenn er irgendwas davon mitbekommen hätte. Wer weiß, was er von ihm gedacht hätte.

Den Gedanken zur Seite wischend, schwang er die Füße aus dem Bett und lief mit wackeligen Knien zur Tür.

Bevor er vollends in den Wohnbereich trat, vergewisserte er sich, dass er wirklich bereits wieder allein war, indem er seinen Kopf durch den Türrahmen steckte.

Das Sofa war leer.

Auch die Decke war zusammengelegt, mehr oder weniger ordentlich.

Wann war er wohl gegangen?

Auch die Tatortfotos waren geordnet und lagen so, dass man nicht direkt die schlimmste Aufnahme sehen konnte.

Ob Namjoon das absichtlich gemacht hatte, weil Jin oft genug bewies, wie nahe ihm der Anblick doch ging?

Es wäre wirklich zuvorkommend von ihm, aber fast schon unglaubwürdig.

Der Ermittler machte nicht den Eindruck, als würde er viel Wert auf Menschenfreundlichkeit legen.

Verrückt war, dass Jin ausgerechnet diese kühle Ernsthaftigkeit so anziehend fand.

Selbst die abwertenden Blicke, die er ihm fast immer schenkte, lösten das genaue Gegenteil von Abneigung aus.

Seit wann war er so sadistisch veranlagt?

Wusste er doch, dass seine Schwärmerei sowieso im Sande verlaufen würde.

Selbst sein sonst so berühmter Radar schien bei dem Polizisten nicht zu funktionieren. Er hatte keine Ahnung, woran er war und ob es sich lohnen würde, etwas zu riskieren.

Unterbrochen wurden sein Gedankenkarusell nur vom Klingeln seines Smartphones.

Eine unbekannte Nummer. Eigentlich nichts ungewöhnliches.

"Ja?", nahm Jin das Gespräch entgegen.

"Es gibt ein neues Opfer."

Jin erkannte die tiefe raue Stimme sofort. Für einen Moment hatte er das Gefühl, sein Herzschlag setzt aus.

Woher hatte er seine Nummer?

"Was?", stotterte er, nachdem er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte.

"Das Hotel am Flughafen Gimpo.", antwortete Namjoon kühl und legte auf.

Jin starrte den verdunkelten Bildschirm seines Handys an.

Er wusste nicht, ob er sich freuen sollte oder doch eher besorgt sein.

Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt