Mit eingezogenem Kopf stieg Jin aus dem Taxi.
Natürlich regnete es noch immer. Die einzige Abwechslung bestand lediglich in der jeweiligen Stärke, mit der die Tropfen vom Himmel prasselten.
Und natürlich hatte Jin schon wieder keinen Schirm dabei.
Er fragte sich, warum er vorhin überhaupt ein neues Hemd angezogen hatte, wenn er nun sowieso wieder innerhalb kürzester Zeit nass bis auf die Knochen wurde.
Nachdem er den Fahrer bezahlt hatte, verglich er zur Sicherheit nochmals die Adresse mit der, die ihm sein Informant mitgeteilt hatte.
Alles stimmte. Einer dieser riesigen Wohnkomplexe, die Jin eigentlich verabscheute.
Hunderte Menschen platzsparend nebeneinander, die sich im grunde überhaupt nicht kannten, vielleicht mal kurz im Flur begegneten, aber ansonsten komplett ignorierten.
Es war somit nicht verwunderlich, dass hier unbeobachtet ein grausames Verbrechen geschehene konnte und niemand Notiz davon nahm, ob Unbekannte das Gebäude betraten.
Ein Blick durch den Vorraum, als er in den Haupteingang trat, bestätigte ihm auch seine Vermutung. Keine Kameras.
Der Vorteil in solchen Masenunterkünften lag auch für ihn selbst darin, dass er nicht auffiel.
Eine Tatsache, die dem Mörder natürlich in die Hände spielte. Eventuell hatte er deswegen hier sein Opfer gesucht.
Jin blickte sich weiter um.
Allein die Eingangshalle spiegelte die Trostlosigkeit dieser Gegend wieder.
Die einstmals sicher schicken Bodenfliesen waren über die Jahre der Abnutzung erblindet und an vielen Stellen gesplittert.
An die Wände sollte man sich besser auch nicht lehnen, wollte man nicht Gefahr laufen, dass einem der Putz entgegen kommt.
"Es ist eine Schande. Eine Schande. So ein junges und hübsches Ding."
Überrascht hob Jin den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam.
"Ach, sie war doch selber Schuld. So wie sie immer rumgelaufen ist.", ertönte eine weitere Stimme.
Der junge Journalist lief neugierig in die Richtung, in der er die Unterhaltung vermutete.
Zwei ältere Damen standen im Treppenhaus, gestikulierten wild und zeigten immer wieder mit dem Finger ein Stockwerk höher.
"Aber ein hübsches Ding war sie. Aus der hätte bestimmt was werden können.", meinte die erste Dame wieder.
Jin hörte gebannt zu, versuchte dennoch, unauffällig zu agieren und besah sich daher in der Zwischenzeit die Wand voller Briefkästen, mannshoch aufgetürmt und unübersichtlich.
"Ach, so ein Unsinn.", schnaubte die andere Alte wieder. "Die Jugend von heute kennt doch echte Arbeit gar nicht mehr. Die wollen alle nur noch berühmt werden."
Schmunzelnd lauschte Jin der Diskussion, legte allerdings den Kopf schief, als ihm etwas auffiel.
Aus einem der Briefkästen lugte ein kleiner Umschlag.
Nichts ungewöhnliches, wenn dieser nicht pechschwarz gewesen wäre mit einer goldenen Aufschrift.
Und Jin diese Art Umschlag kannte. Besonders das abgebildete Logo darauf.
"Hast du dich in der Adresse geirrt?"
Die dunkle Stimme direkt hinter ihm ließ ihn zusammenzucken. Erschrocken drehte er sich um, obwohl sein Unterbewusstsein bereits ganz genau wusste, wer vor ihm stehen würde.

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Artifice //Namjin//
FanfictionEr, der junge Journalist, der zum ersten Mal mit der grausamen und blutigen Realität konfrontiert wird, trifft auf den ernsten Ermittler, der eigentlich lieber alleine arbeitet. Werden sie ihre gegenseitige Abneigung und die Streitereien auf Eis leg...