Kapitel 67

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"Wir müssen uns beeilen.", trieb Namjoon den Reporter an. "Ich weiß nicht, wie lange Yun die Spurensicherung zurückhalten kann."

Jin überwand die Treppen, indem er immer gleich zwei auf einmal nahm.

"Es sind gerade mal zwei Tage vergangen. Der Mörder scheint mutiger zu werden.", sinnierte er während, sie durch das enge Treppenhaus stürmten.

Namjoon bremste ab, gab ein Zeichen zum Stehenbleiben und sprach leise nach einigen Sekunden, als sie ihren Weg fortsetzen konnten: "Yun meinte, diesmal ist es anders. Das einzige Indiz, was passt, ist die Blume."

"Ein Trittbrettfahrer?", fragte Jin flüsternd.

Der Ermittler verneinte: "Kein Außenstehender weiß von den Blüten. Und wenn du nichts in einem deiner Artikel erwähnt hast?", er sah sein Gegenüber forschend an.

Jin schüttelte vehement den Kopf.

"Eine Standpauke von dir hat mir gereicht, danke."

Namjoon verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen, wurde aber rasch wieder ernst, als sie scheinbar im richtigen Stockwerk angekommen waren und der Ermittler unauffällig in den langen dunklen Gang mit dutzenden Türen links und rechts blickte.

"Hier wohnt er?", hakte Jin nach. Er folgte Namjoon langsam, registrierte den zerfledderten Teppich unter seinen Füßen, die teilweise großflächig abgerissene Tapete. Und den unglaublich penetranten Uringeruch, der in der Nase stach.

"Nicht jeder kann sich ein Luxus-Appartment leisten.", merkte Namjoon trocken an.

"Da seid ihr ja endlich.", Yun kam aufgeregt auf sie zugerannt. "Wisst ihr eigentlich, wie gruselig es ist, so lange mit einem Toten im selben Raum zu verbringen?"

"Wie bist du auf ihn gestoßen?", fragte Namjoon der jungen Frau folgend, die sie zur letzten Wohnungstür des schmalen schlecht beleuchteten Flurs führte.

Jin konnte noch immer nicht nachvollziehen, dass scheinbar niemand der Nachbarn irgendwas bemerkt haben soll. Allein auf dieser Etage mussten sich gut und gerne fünzig Wohnungen befinden.

"Nachdem ich den Durchsuchungsbefehl endlich in der Hand hatte, bin ich zu seinem Arbeitsplatz gefahren.", erklärte Yun mit ruhiger sachlicher Stimme. "Die haben mir gesagt, dass er wohl seit fast einer Woche unentschuldigt fehlt."

"Vermisstenanzeige?", fragte Namjoon. Er zog die altbekannten Einweghandschuhe über und reichte auch Jin ein Paar.

Yun schüttelte den Kopf: "Negativ. Laut Kollegen kein Kontakt zur Familie und Freunde wohl nur oberflächlichliche Bekanntschaften. Er hat dadurch wohl immer freiwillig Sonderschichten geschoben, was die anderen ganz praktisch fanden."

Jin stutzte: "Und trotzdem wohnt er hier?"

Normalerweise hätte er sich mit dem dazu verdienten Geld zumindest etwas gemütlicheres als so eine Absteige leisten können.

"Ich nehme an, dass er den zusätzlichen Verdienst für seine Sammelleidenschaft ausgegeben hat.", zuckte die junge Polizistin mit den Schultern.

"Sammelleidenschaft?", Namjoon blickte sie stirnrunzelnd an, ehe er die nur angelehnte Wohnungstür öffnete.

Hörbar schnappte Jin nach Atem.

"Mickey Mouse. Überall.", stellte er schockiert fest.

Hunderte Augenpaare starrten sie bereits im Flur an.

Überall standen, hingen oder lagen Figuren, Plüschtieren und anderer Nippes mit der grinsenden Maus darauf.

"Gruselig.", merkte Namjoon an, schlich durch den eh schon engen Flur und versuchte, nichts von den vielen Teilen zu berühren. Seinem Seufzen nach zu urteilen, war der Wohnbereich wohl ähnlich vollgepackt.

Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt