Kapitel 95

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Jin war wie erstarrt, konnte sich nicht rühren, als der blutüberströmte Mann immer näher kam.

Und dessen lautes Schreien umso ohrenbetäubender wurde.

"Hilfe! Ich brauche Hilfe!", schrie er immer wieder.

"Was ist passiert?", Namjoon war der erste, der reagierte. "Sind Sie verletzt?"

Der Mann schüttelte den Kopf: "Ich nicht. Mein Freund. Da hinten."

Noch ehe Jin es überhaupt registrieren konnte, hatte der Ermittler sich mit der Waffe im Anschlag in Bewegung gesetzt, rannte in die Richtung, aus der der Unbekannte gekommen war.

"Ist er ein Gangster?", schnappte dieser erschrocken nach Luft.

Jin blickte sein blutiges Gegenüber verwirrt an: "Nein, er ist Polizist."

Wie konnte man bitte glauben, Namjoon wäre ein Krimineller? Alles an diesem Mann strahlte förmlich Gesetzestreue aus.

Der Reporter wischte den Gedanken beiseite, besah sich stattdessen sorgenvoll den unbekannten Mann. 

Dieser wirkte auf den zweiten Blick deutlich jünger als erst angenommen.

"Was ist genau passiert?", fragte Jin mit sanfter Stimme.

"Mein Freund. Ich war mit ihm hier.", der Unbekannte zeigte auf das Purple auf der gegenüberliegenden Straßenseite. ""Wir wollten feiern, dass seine Band bei der nächsten Awardshow auftreten darf. Und dann haben wir getrunken. Wirklich gutes Zeug. Der Barkeeper da drin ist Wahnsinn. Aber mein Freund verträgt eigentlich nichts. Nur zwei Soju und der ist schon komplett betrunken. Das war schon immer so. Aber heute wollte er mir beweisen, was er für ein Kerl ist. Also haben wir getrunken. Echt viel."

Jin hörte sich alles geduldig an, versuchte die ganze Zeit über, aus den unzähligen Informationen das Wichtigste zu filtern.

Und dieser Typ redete echt viel.

"Wir hatten Bier und Cocktails. Und so kleine Gläser mit...", sprach der Unbekannte weiter, wurde allerdings nun doch von dem Reporter unterbrochen.

"Schon klar. Viel getrunken. Was ist dann passiert?", hakte er nun etwas fordernder nach. Immer wieder blickte Jin in die angrenzende dunkle Gasse, in die Namjoon verschwunden war.

Je länger er hier stand, umso größer wurde seine Sorge.

Der Freund des Unbekannten war Mitglied einer Band, demanch wahrscheinlich ein Rookie.

Es war also einfach, eins und eins zusammenzuzählen.

"Mein Freund ist dann raus. Wollte Luft schnappen.", stotterte der Zeuge weiter. "Ich glaube, der musste kotzen und wollte es mir nur nicht zeigen. Weil dann hätte ich ja recht behalten. Und wenn ich recht habe, mag der das überhaupt nicht. Dabei hab ich eigentlich ganz oft recht."

Jin atmete tief ein.

Er versuchte wirklich, sich zu beruhigen. Aber allmählich spannte sich auch bei ihm der Geduldsfaden.

"Und dann?", fragte er einigermaßen freundlich, die Lippen zu einem dünnen Strich gepresst.

Der Unbekannte kratzte sich am Hinterkopf, als würde er überlegen, was es gestern zum Abendessen gab: "Ich bin irgendwann raus, weil ich ihn auslachen wollte. Aber er war nicht da. Hab überall gesucht. Erst hier, dann in der Gasse da hinten. Und da geht es zu einem Park. Ich dachte erst, da ist er nicht, weil das Tor zu war. Aber wo ich näher ran bin, hab ich gesehen, dass es nur angelehnt war. Also bin ich rein. Ich mache sowas ja eigentlich nicht. Hab noch nie mit der Polizei zu tun gehabt. Ehrlich. Naja, aber mein Freund ist halt so ne Pussy und steht auf Gärten und sowas. Der hat daheim auf seinem Balkon auch einen Kräutergarten. Total schwul. Aber das Essen wird durch das frische Gestreue wirklich besser."

Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt