Kapitel 10

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Es hatte natürlich weitaus länger gedauert als beabsichtigt.

Konnte ja keiner ahnen, dass er sich noch bereits erklären musste, fast ein Drei-Gänge-Menü für die beiden zu kredenzen.

Irgendwann musste er wirklich mal lernen, endlich Nein zu sagen.

Aus den erhofften 10 Minuten wurde fast eine ganze Stunde.

Jin schnaubte wütend, als er seine Wohnungstür entriegelte.

Wahrscheinlich war Namjoon schon weg. Verdenken könnte er es ihm nicht. Wer wollte schon ewig warten?

Jin betrat seine eigenen vier Wände und betätigte den Lichtschalter.

Als er um die Ecke zu seinem Wohnbereich blickte, hätte nicht viel gefehlt und er hätte aufgequietscht wie ein kleines Schulmädchen.

Erstens, weil er sich erschreckte. Und zweitens wegen dem Grund seines Erschreckens.

Namjoon war noch da.

Mehr oder weniger.

Er saß in sich zusammengesunken auf dem Sofa und schlief.

Jin musste automatisch lächeln, ging langsam und äußerst bedacht, keinen Lärm zu machen, auf ihn zu.

Neugierig betrachtete er seinen schlafenden Gast.

Mit geschlossenen Augen und der gleichmäßigen Atmung wirkte er friedlich, regelrecht freundlich. Keiner würde vermuten, dass er im wachen Zustand abweisend und wenig charmant agierte.

Ob sie sich jemals annähern?

Jin wünschte es sich. Verdammt, er wollte wirklich, dass dieser mürrische Polizist ihn mag.

Nachdenklich blickte er ihn an, verfolgte mit den Augen die feinen Gesichtszüge, registrierte den ganz leichten Bartschatten und fixierte schließlich seine Lippen.

Er registrierte den Schwung, die Fülle. Die gleichmäßige Bewegung bei jedem Atemzug.

Je länger Jin den schlafenden Polizisten betrachtete, umso intensiver wurde das Ziehen in seiner Magengegend.

Nervös fuhr er sich durch die Haare.

Vermutlich hatte er beim Kochen zuviel genascht. Anders konnte er sich das Ziepen in seinem Bauch nicht erklären.

Mit einem Seufzen holte er eine Decke neben der Couch hervor, faltete sie auseinander und bedeckte Namjoon damit.

Dieser gab kurz ein leises Murren von sich und öffnete verschlafen ein Auge.

Jin verharrte in seiner aktuellen Position: über den Dunkelhaarigen gebäugt und nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt.

"Du bist eingeschlafen.", flüsterte Jin beinahe lautlos.

Namjoon runzelte die Stirn: "Selbst dein teures Gangnam-Sofa ist bequem.", beschwerte er sich ebenso leise und ließ seinen Oberkörper zur Seite fallen, um nun richtig auf dem Polster zu liegen. "Ich hoffe für dich, dass ich morgen wenigstens Rückenschmerzen bekomme, um es dir ewig vorzuhalten."

Jin schmunzelte: "Zur Not kannst du auch mein Bett benutzen."

Namjoon öffnete nochmals ein Auge, um ihn zynisch anzugrinsen: "Das würde dir gefallen, was?"

Mit geröteten Wangen deckte Jin seinen Gast wieder zu, der direkt wieder friedlich einschlief.

Er bezweifelte, dass Namjoon wirklich wusste, was er da gerade von sich gegeben hat.

Oder sich morgen früh noch daran erinnern würde.

Moment mal, wollte er ernsthaft hier übernachten? Bei ihm?

Also in seiner Wohnung. Nicht in seinem Bett.

Ruhelos kaute er auf seiner Unterlippe. Er sollte wirklich aufhören mit diesen Gedankengängen.

Jin ließ sich träge vor der Couch auf den Boden rutschen.

Hätte ihm vor einem Monat jemand gesagt, dass er mal einen attraktiven Polizisten auf seinem Sofa schlafen lassen würde, hätte er trocken aufgelacht.

Und jetzt? Jetzt hockte er hier und wollte nur noch hysterisch grinsen, weil er Namjoons warmen Atem in seinem Nacken spürte.

Wie sadistisch war er eigentlich, dass er hier saß und die Lider aufeinander presste, während er sich vorstellte, dass der Polizist...

Nein!

Panisch sprang Jin auf, warf beinahe die Tassen vom Tisch.

Er sollte ins Bett gehen. Jetzt. Sofort.

Und vielleicht vorher duschen. Kalt.

Mit zittrigen Beinen torkelte er zu seinem Schlafzimmer, warf sich bäuchlings auf die Matratze, sobald er die Tür hinter sich ins Schloss geworfen hatte.

Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Und er sollte schleunigst aufhören, sich irgendwas einzubilden.

Ansonsten würde er Namjoon nicht mehr in die Augen sehen können.

Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt