Kapitel 21

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Jin war wie erstarrt. Die junge Frau vor ihm blickte mit halb geöffneten Augen zu ihm auf, ihre Hand wanderte langsam von seiner Brust weiter nach unten.

Sie würde doch wohl nicht?

Doch nicht hier. Nicht, wenn Namjoon sich direkt hinter der Tür befand.

Mit klopfendem Herzen wartete er, was passierte.

Die junge Frau öffnete leicht die Lippen.

Und brach in schallendes Gelächter aus.

Jin starrte sie nur verständnislos an.

"Du hast doch nicht enrsthaft gedacht, dass ich das mache, oder?", lachte sie in hohen Tönen. "Na los, wir gehen uns einen Kaffee holen."

Sie ergriff seine Hand, zog ihn widerstandslos mit sich in einen kleinen angrenzenden fensterlosen Raum, der sich als Teeküche herausstellte.

"Also, wie haben Kaffee, Cappucino, Espresso und Tee.", sie blickte ihn fragend an.

Jin benötigte ein paar Sekunden, um überhaupt zu realisieren, was sie genau von ihm wollte.

"Hey, du bist doch nicht immer noch böse wegen eben, oder?", hakte sie nach. "Das war echt nur Spaß. Ich weiß doch, dass du nicht auf mich stehst."

"Kaffee.", antwortete Jin mit einiger Verzögerung. Und stellte erst nach seiner Antwort fest, dass es überhaupt nicht zur Situation passte.

Yun legte sich nachdenklich den Zeigefinger an die Lippen, musterte ihn.

"Ich glaube, ich weiß, warum Namjoon dich mag.", sinnierte sie. "Du hast dieses Unschuldige an dir, was er so mag. Wir sind uns ähnlich, du und ich. Wir sind niedlich, aber wenn die Tür vom Schlafzimmer zugeht..."

Sie beendete den Satz nicht, zwinkerte ihm stattdessen verschwörerisch zu.

Jin runzelte die Stirn. Wie kam sie darauf, dass sie sich ähneln würden?

Halt mal.

"Du bist mit ihm zusammen?", es war mehr eine Feststellung statt einer Frage.

Yun grinste ihn vielsagend an: "Gelegentlich."

Jin erstarrte. Er hätte mit allem gerechnet, aber ausgerechnet diese Frau?

Okay, er musste zugeben, dass sie süß war. Und unter dem spießigen Büro-Outfit versteckte sich sicherlich ein toller Körper.

Dennoch ärgerte es ihn. Er hatte ihr nichts entgegenzusetzen.

Yun hielt ihm freundlich eine Tasse Kaffee hin, nickte in die Richtung, in der Sahne und Zucker standen und goss sich dann selbst eine Tasse ein, den sie mit ungeheuerlichen sechs Löffeln Zucker versüßte.

Entspannt lehnte sie sich gegen die Arbeitsplatte der kleinen Küche und nippte an ihrem Kaffee.

"Du stellst es dir gerade vor, oder?", fragte sie plötzlich, ohne ihn anzusehen. Ergänzte nach einer kurzen Pause: "Joonie und mich, meine ich."

Jin räusperte sich.

Sie mochte einen etwas verrückten Eindruck machen, aber ihre Menschenkenntnis war beeindruckend, was er vorbehaltlos zugeben musste.

"In unserem Job kommt man nicht wirklich zu Freizeit. Wer will schon freiwillig mit einem Bullen auf ein Date? Also haben wir nur uns gegenseitig.", erklärte sie ruhig.

Jin rang sich nach ewigen Sekunden der Stille nun doch zu der Frage durch, die bereits die ganze Zeit in seinem Kopf geformt wurde: "Also steht Namjoon auf Frauen, ja?"

Yun zuckte mit den Schultern: "Keine Ahnung. Ich glaube fast nicht. So oft, wie er mich von hinten genommen hat."

Jin verschluckte sich vor Schreck an seinem Kaffee.

Was zur Hölle war mit diesem Mädchen los?

Sie grinste ihn an: "Ihr habt also noch nicht miteinander rumgemacht?"

"Nein!", der Reporter schüttelte vehement den Kopf. "Wir arbeiten nur miteinander."

Natürlich. Deswegen hat er dich vorhin im Club auch geküsst. Weil es zur Arbeit gehört.

Jin blinzelte ein paar Mal, um den Gedanken und besonders die Erinnerung daran schnell wegzuwischen.

"Dann bist du der Erste, der das freiwillig macht.", Yun nahm wieder einen Schluck Ihres Kaffees.

Jin legte fragend den Kopf schief.

"Naja, du hast sicher schon gemerkt, dass er etwas speziell ist.", sie verzog den Mund. "Namjoon stößt jeden von sich, der an ihn heran will. Eigentlich kann er nicht länger als 10 Minuten mit jemandem in einem Raum aushalten. Bis jetzt hat er jeden Partner, der ihm zugewiesen wurde, relativ schnell vergrault."

Interessiert hörte er zu, versuchte sich vorzustellen, dass Namjoon mit einem weiteren Polizisten freundlich alten Damen über die Straße hilft.

Ein absurdes Bild, wie er recht schnell feststellte.

"Du scheinst also irgendwas Besonderes zu sein.", erzählte Yun weiter. "Er hatte mich angewiesen, alles stehen und liegen zu lassen, um als erstes Informationen über dich in Erfahrung zu bringen. Übrigens hast du noch einen Strafzettel auf."

"Ich weiß.", er rollte mit den Augen.

Dennoch kam er nicht umhin, bei Yuns Worten zu lächeln. Etwas Besonderes also.

Immerhin, Namjoon hatte schon weitaus länger als 10 Minuten mit ihm ausgehalten.

Er hatte sogar bei ihm geschlafen. In getrennten Räumen, aber das schien mehr Nähe zu sein, als er anderen Personen bisher zukommen ließ.

Und dann der Kuss.

Jin blickte Yun von der Seite an. Sollte er ihr davon erzählen?

"Hey, Tanzmäuschen! Was ist das?", Namjoon steckte den Kopf zur Tür herein und hielt ein Foto hoch.

Jin zuckte automatisch zusammen.

Gerade spukte der Ermittler noch in seinem Kopf herum und nun war er bereits wieder hier. Das wurde langsam echt unheimlich.

Und wie hatte er ihn bitte gerade genannt?

"Meinst du mich?", vergewisserte er sich daher noch einmal.

"Ich sehe keinen anderen hier, der Singen und Hopsen gelernt hat.", Namjoon blickte ihn  vollkommenem Ernst an.

Jin ließ den Kommentar unbeantwortet, seufzte lediglich, ehe er sich das Foto ansah, dass der Ermittler ihm noch immer vor die Nase hielt.

"Das ist eine Setcard von GS Entertainment. Ich hab auch so eine, das Design hat sich kaum verändert.", erklärte er.

"Wunderbar! Dann haben wir eine neue Spur.", jubelte Namjoon. "Das hat unser männliches Opfer in seinem Koffer gehabt."

Jin stutzte: "Dann bedeutet das, er war auch kurzzeitig bei GS unter Vertrag."

Namjoon nickte: "Und der Mörder wurde auf ihn aufmerksam. Yun, ich will eine Auflistung aller Angestellten in dieser komischen Agentur."

"Aber das sind hunderte Leute. Wenn dann noch die temporär gebuchten Fotografen und Tanzlehrer hinzukommen, wird die Liste viermal so lang.", erklärte Jin fassungslos. "Da wird sie ewig dran sitzen."

Namjoon blickte erst zu Jin, dann zu Yun und zuckte schließlich mit den Schultern: "Ist ihr Job."

Und weg war er.

Yun seufzte nur und nahm ihre Tasse mit in das angrenzende Büro.

Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt