Die Eiswürfel klirrten leise, immer wenn sie aneinander prallten und sich so langsam auflösten.
Sicherlich schmeckte der Whiskey dadurch nun schon komplett verwässert. Aber das war Jin egal.
Mitlerweile hatte er so viel getrunken, dass er den Geschmack sowieso nicht mehr wahrnahm.
Er wusste nicht mal, wie lange er schon hier saß.
Oder wieviel er getrunken hatte.
Ihm war warm, fast schon heiß.
Und bei jeder noch so kleinen Bewegung seines Kopfes setzte der Schwindel ein.
Dafür war alles wie betäubt. Was gut war.
Weder spürte er noch seinen Körper. Wichtiger war jedoch, dass jegliches Gefühl in ihm abgestumpft wurde.
Namjoon hatte ihn vom Tatort verwiesen, quasi rausgeworfen.
Eigentlich war es total albern, weshalb Jin immer wieder vor sich hin kicherte.
Dieser dämliche Idiot wollte ihm einfach keine Chance geben, sich irgendwie zu erklären. Dabei wollte er sich doch nur entschuldigen. Und alles wieder gut machen. Irgendwie.
Warum war dieser elende Bulle auch so verdammt stur?
"Ich finde es ja wirklich nett, dass du dir extra meine Lokalität ausgesucht hast, um in deinem persönlichen Meer aus Selbstmitleid zu ertrinken.", Taehyung lehnte sich neben Jin an die Bar, stützte seinen Ellenbogen auf dem Tresen auf. "Insbesondere, weil du dir dafür die Getränke ausgesucht hast, die ich zu völlig überzogenen Preisen anbiete."
Mit müden Augen blickte der Blonde auf.
"Aber als Freund kann ich das wirklich nicht mit ansehen.", meinte der Clubbesitzer stirnrunzelnd.
"Wir sind Freunde?", Jin runzelte die Stirn, was einen neuerlichen Schwindelanfall hervorrief und er so automatisch die Augen schloss. Was das Ganze allerdings nur verschlimmerte.
Taehyung zuckte mit den Schultern: "Du hast recht, eigentlich will ich dich nur loswerden. Es ist spät, du bist der letzte Gast und ich bin müde."
Der Reporter lachte trocken auf: "Soll ich dich ins Bett bringen?"
"Wirklich ein verlockendes Angebot. Vor ein paar Wochen wäre ich diesem sicher nicht abgeneigt gewesen.", gab der Blauhaarige zu. "Aber aktuell bin ich nicht nur exquisit versorgt, sondern muss ebenso zugeben, dass mich die Tatsache, dass dein Polizist eine Waffe besitzt, doch ziemlich verunsichert."
"Er ist nicht mein Polizist.", murmelte Jin müde.
Warum konnte das eigentlich keiner verstehen?
Und aktuell war er ja sowieso nicht einmal ansatzweise irgendwas.
Taehyung verzog die Lippen zu einem wissenden Lächeln, beugte sich zu seinem Gegenüber, um leise zu flüstern: "Dafür ist er nach meinem Anruf aber ziemlich schnell hier aufgeschlagen."
Es dauerte mehrere Sekunden, bis Jin überhaupt den Inhalt dieses Satzes begriff.
Und trotzdem blickte er den Clubbesitzer nur verständnislos an.
"Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst nach Hause fahren?"
Erschrocken zuckte Jin zusammen.
Die Stimme ging ihm durch Mark und Bein. Besonders aufgrund das Tatsache, dass genau zu hören war, wie genervt, fast schon wütend Namjoon wirkte.
"Anstatt meine Anweisungen zu befolgen, benutzt du mein hart erarbeitetes Geld lieber, um dich zu betrinken.", es war weit weniger eine Frage. Mehr eine Feststellung.
Jin rührte sich nicht.
Wie erstarrt saß er auf dem unbequemen Barhocker, das fast leere Glas vor ihm im Blick.
Mit jeder Faser seines Körpers spürte er die Anwesenheit des Ermittlers neben sich, konnte den Duft seines Parfüms wahrnehmen.
Und alles schien darauf zu reagieren, sich nach ihm zu verzehren.
Flach atmend antwortete Jin leise: "Du bekommst es zurück."
"Das möchte auch sein. Inklusive Zinsen.", entgegnete Namjoon prompt. "Irgendeinen Vorteil muss ich ja daraus ziehen, dass ich dich mitten in der Nacht aus irgendeiner Spelunke holen muss."
"Das will ich mal nicht gehört haben.", schaltete sich nun Taehyung ein. "Immerhin kommst du nun in den Genuss eines willenlosen Partners."
Jin schnappte hörbar nach Luft, verschluckte sich beinahe.
Namjoon hingegen schnaubte lediglich: "Bewegung ist mir lieber."
Er umfasste Jins Hüfte, zog ihn von dem Hocker und zu sich heran. Was den Reporter erneut nach Atem ringen ließ.
Nicht nur aufgrund der Äußerung des Ermittlers.
Die Nähe. Die Tatsache, dass seine Glieder so eingeschlafen waren, dass er sich der körperlichen Überlegenheit Namjoons nicht mal ansatzweise erwehren konnte.
Ohne ein weiteres Wort wurde Jin mitgezogen.
Erst nach und nach, als sie bereits das Purple Heart verlassen hatten, schien wieder einigermaßen Leben in die Beine des Reporters zu kommen. Zumindest spürte er diese wieder und erlangte Kontrolle darüber.
Und realisierte, was hier eigentlich vor sich ging.
"Lass mich los.", bat er leise, fast tunhörbar.
Namjoon reagierte erst auf die zweite deutlich nachdrücklicheren Bitte und blieb stehen.
Jin schob sich von ihm weg.
Verlor allerdings den Halt und stolperte nach hinten. Wahrscheinlich wäre er unelegant auf dem Hintern gelandet, hätte Namjoon ihn nicht blitzschnell wieder an sich gezogen.
"Ich kann alleine laufen.", stotterte der Reporter unbeholfen.
"Das sehe ich. Willst du vorher noch ein paar Kniebeugen machen, bevor du losziehst?", fragte der Ermittler süffisant.
Jin konnte nichts erwidern.
Sein Körper war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht jeden Moment durchzudrehen.
Er spürte Namjoons Wärme, dessen Herzschlag.
Und es war so ein Kampf, nicht einfach den Kopf zu heben und ihm seine Lippen aufzudrücken.
"Ich vermisse dich.", gestand Jin, seine Stirn an die Brust seines Gegenübers gelehnt. "So sehr, dass es weh tut."
Namjoon atmete tief ein: "Du bist betrunken."
"Das ändert trotzdem nichts an meinen Gefühlen!", blaffte der Reporter ihn an. Er spürte, wie ihm heiße Tränen in die Augen stiegen, versuchte diese wegzublinzeln. "Alles in mir verzehrt sich nach dir und ich würde alles tun, um wieder bei dir zu sein."
Ohne Vorwarnung schlang er die Arme um Namjoons Nacken, vergrub das Gesicht in dessen Halsbeuge.
Obwohl er es nicht sollte, entspannte er sich automatisch. Jin wusste, dass es falsch war, aber dennoch genoss er die Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete.
"Steig ins Auto.", bat Namjoon leise.
Wahrscheinlich lag es am Alkohol, dass Jin sich einbildete, der Ermittler würde ihn an sich drücken. Sicher bildete er sich nur ein, dass er seinen Nacken streichelte.
Aber das war ihm egal.
Selbst wenn seine Fantasie ihm derlei Streiche spielte, wollte Jin es einfach nur genießen.
Diesen Moment auskosten und von ihm zehren, wenn er wusste, er wäre wieder allein.
Wenigstens diesen kurzen Augenblick wollte er alles vergessen und einfach nur die Augen schließen.
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Artifice //Namjin//
FanfictionEr, der junge Journalist, der zum ersten Mal mit der grausamen und blutigen Realität konfrontiert wird, trifft auf den ernsten Ermittler, der eigentlich lieber alleine arbeitet. Werden sie ihre gegenseitige Abneigung und die Streitereien auf Eis leg...