Kapitel 15

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Die tiefen Bässe der Musik waren bereits auf der Straße zu hören. Jin drückte auf den Knopf der Fernbedienung und die Scheinwerfer des Wagens blinkten kurz auf, um anzuzeigen, dass dieser nun verschlossen war.

Der Mercedes fiel unter den anderen teuren Karossen hier auf dem Parkplatz nicht einmal auf.

Hätten sie doch Namjoons Auto gewählt, wie dieser erst vorschlug, hätten sie es wohl nicht einmal am Platzwart vorbei geschafft.

"So langsam habe ich das Gefühl, ich werde diese Zusammenarbeit doch bereuen.", beschwerte sich der Ermittler mürrisch, während er den großen Pfützen auf dem nass glänzenden Asphalt auswich.

Jin beobachtete ihn amüsiert dabei, wie er von links nach rechts stolperte und immerzu einen großen Bogen um junge Frauen machte, die ihn begeistert musterten.

"Du magst keine Menschen, kann das sein?", vermutete der junge Reporter.

"Ich mag keine aufgeblasenen Angeber, die mit ihrem Geld um sich werfen.", antwortete er, besah sich dabei fast schon angewidert die vielen Luxusschlitten um sie herum.

"Das heißt, du willst deine Getränke selber bezahlen?", Jin grinste noch breiter, als Namjoon genervt die Augen verdrehte.

"Du wirst sehen, wenn wir erstmal drin sind, ist es gar nicht so schlimm.", sprach ihm Jin Mut zu.

"Wenn ich mir die Schlange ansehe, wird das dann wohl morgen früh der Fall sein.", Namjoon deutete auf die unzähligen Menschen, welche sich vor dem Clubeingang brav aufgestaffelt hatten und im Nieselregen auf baldigen Einlass hofften.

Kein wirklich neuer Anblick für Jin, der sich lange genug im asiatischen Nachtleben bewegt hat und das ewige Anstehen vor bekannten Etablissements bereits selbst praktiziert hat.

"Und da kommt wieder der aufgeblasene Angeber ins Spiel.", zwinkerte Jin seinem Gegenüber zu, wurde jedoch schnell nachdenklich, als er ihn länger betrachtete.

"Was ist?", Namjoon zog die Brauen zusammen.

Jin ging einen Schritt auf ihn zu. Und war wirklich froh darüber, dass der Dunkelhaarige nicht automatisch zurückwich.

"Da du heute Nacht quasi zu mir gehörst, musst du auch so aussehen.", ohne groß darüber nachzudenken, löste er mit flinken Fingern die obersten Knöpfe von Namjoons Hemd. Die helle Haut der breiten muskulösen Brust, die darunter zum Vorschein kam, beflügelten Jins Fantasien aufs Neueste.

Er musste sich regelrecht zwingen, von seinem Gegenüber abzulassen und endlich wieder einen Schritt zurück zu gehen, ehe womöglich noch merkwürdige Fragen gestellt wurden.

"Das ist besser.", räusperte sich Jin, setzte ein verkrampftes Lächeln auf, um dem durchdringenden Blick seines Gegenübers standhalten zu können.

"Sicher, dass ich das nicht doch noch bereuen werde?", hakte dieser nach.

Jin, noch immer seine Mundwinkel zu einem grimassenhaften Lächeln verzogen, hatte absolut keinen Schimmer, was er damit meinte. War ihm die Nähe gerade unangenehm? Warum war er dann nicht vor ihm zurückgewichen?

Statt sich weiter mit Fragen zu beschäftigen, die er sowieso nicht beantworten konnte. Und deren Antwort, wäre sie negativ ausgefallen, nur noch mehr zu schaffen gemacht hätte, drehte er sich zum Eingang des Clubs um und schritt zielstrebig auf diesen zu.

"Hey, Rocky. Viel zu tun heute Abend?", fragte er den bulligen Türsteher, der wirkte, als betreibe er in seiner Freizeit Sumosport.

"Jin, du warst ja ewig nicht mehr hier.", quietschte der Muskelberg verzückt.

Aus dem Augenwinkel konnte Jin erkennen, dass Namjoon sich sein Lachen nur schwer verkneifen konnte.

Vielleicht hätte er ihn vorwarnen sollen.

Dass der optisch eindrucksvolle Türsteher dieses Clubs eine zarte hohe, fast schon mädchenhafte Stimme sein Eigen nannte, die im völligen Kontrast dazu stand.

Jin wusste auch, dass Rocky eigentlich Yun hieß und ein begeisterter Anhänger von Hello Kitty war.

"Na los, rein mit dir. Und er?", der Türsteher blickte erst finster in die Richtung von Namjoon, strahlte jedoch über das ganze Gesicht, als Jin ihm eine kleine pinke Katze vor die Nase hielt.

"Er gehört zu mir. Die ist für dich. Ganz neu auf dem Markt und laut Verkäufer angeblich superselten.", meinte er.

Erneut quietschte der Türsteher wie ein kleines Mädchen.

Was Jin dazu veranlasste, Namjoon ganz schnell in das Innere des Clubs zu schieben. Er wusste nur zu gut, was passierte, wenn jemand auf die Idee kam über Rocky zu kichern.

Erst als sie weit genug von der Tür entfernt waren, gab Jin dem Ermittler ein Zeichen, dass er das Lachen endlich frei lassen konnte.

Was er auch mehr als lautstark tat.

"Was war das denn bitte?", Namjoon schnappte schwer atemend nach Luft.

Es war schön, diese Seite an ihm zu entdecken.

"Rocky kann auch anders, glaub mir.", lächelte Jin.

"Sag mir nicht, der hatte auch den großen Traum, irgendwann eine Sängerin zu werden?", der Ermittler beruhigte sich allmählich wieder.

"Er ist in Ordnung, wenn man ihn nett behandelt. Das solltest du dir übrigens für jede Person merken, mit der du zu tun hast.", gab Jin trocken zur Antwort und legte ihm eine Hand auf den Rücken, um ihn dazu zu bewegen, den langen in schummrigem lilafarbenen Licht beleuchteten Gang zu durchqueren.

"Du hast gesagt, du kennst diese Bar, aber nicht, dass du scheinbar Stammgast bist.", stellte Namjoon fest.

Jin zuckte nur mit den Schultern, warf ihm einen wissenden Blick zu: "Alle Geheimnisse will ich dir nun auch nicht sofort verraten. Es soll ja noch spannend bleiben zwischen uns."

"Mir reicht die Spannung, die der Killer aufbauen wird, wenn wir ihn nicht bald ausfindig machen."

Jin wurde schlagartig wieder ernst: "Vielleicht finden wir ihn heute schon. Oder zumindest ein paar hilfreiche Informationen. Okay, los gehts."



Artifice //Namjin//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt