Nicht von dieser Welt?

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~Jappo~

Müde schleppte ich mich um den Auensee.
Wo war sie hin?
Was hatte sie plötzlich so aus der Bahn geworfen?
Was war passiert?
Unwillkürlich musste ich an meinen Pflegeeltern denken, sie hatten nie mitbekommen was aus mir geworden ist, dass ich felsenfest im Leben stehe.
Zu gerne würde ich sie noch einmal sehen, wie in den alten Zeiten.
Die guten alten Zeiten, die nie wieder kommen.
Wer waren eigenlich meine leiblichen Eltern?
Wieso kamen sie mich nie besuchen?
War ich ihnen egal?
Wütend kickte ich einen kleinen Stein in den See auf dessen Oberfläche sich der Mond silber widerspiegelte.
Wieso war eigentlich alles so schwer?
Die Jungs hatten sie auch noch nicht gefunden, kein einziges Lebenszeichen erhalten.
Eine aussichtslose Suche, sie wollte nicht gefunden werden.
Bestimmt ist die Kleine weit weg, ein Ort worauf keiner kommt.
Leise schlugen die Wellen rhythmisch gegen das Ufer.
Es war doch zum Haare raufen!
Ein leises Schlurzen durchdrang die nächtliche Stille.
Alarmierend schaute ich mich um und erkannte eine Trauerweide hinter mir, die mir zuvor gar nicht aufgefallen war.
Sollte ich?
Doch mein Körper ist schneller gewesen, er drang bereits durch die Äste.
Da saß sie, auf der Bank, die Beine dicht an sich gezogen und die Arme schützend drum gelegt, der Kopf lag auf den Knien.
Ein weißer Brief schimmerte in der Dunkelheit neben ihr.
Wenn man sie so betrachtete, könnte man nicht glauben, dass in ihr drinne ein gefährlicher Drache wohnte.
Sie wirkte so verletzlich.
Vorsichtig näherte ich mich ihr, wollte sie nicht erschrecken.
Wenige Meter vor ihr blieb ich stehen, wartete auf eine Reaktion von ihrer Seite aus.
Langsam hob sie ihren Kopf, die Augen rot und geschwollen.
"Jappo?", fragte sie unsicher.
"Ja, ich bin es", meinte ich beruhigend.
Mein Herz beruhigte sich ein wenig, Vanessa war nicht mehr verschollen.
Ich möchte nicht wissen was Sushi gemacht hätte, wenn sie nicht aufgetaucht wäre.
"Was ist los?", fragte ich, "Wir machen uns alle Sorgen um dich. Du bist einfach so abgehauen."
Wortlos reichte sie mir den weißen Brief.
Unsicher nahm ich ihn entgegen, dass schien der Grund zu sein.
Schockiert stellte ich fest, dass er von Gervais stammte.
Vanessas bester Freund.
Er hatte sie von ihrer Welt begleitet und stand seitdem an ihrer Seite.
Bedrückt laß ich die Zeilen, wobei Tränen meine Augen verließen.
Tot, seit einem Monat.
Ich verstand sie nur zu gut.
Mitfühlend legte ich eine Hand auf ihren Rücken.
Überrascht legte sie sich gegen mich.
"Er ist einfach gegangen", wisperte sie.
"Ich weiß wie du dich fühlst", verwundert schaute sie zu mir, "Ich wurde adoptiert und meine Pflegeeltern starben vor drei Jahren bei einem Verkehrsunfall."
Es kam mir überraschend leicht von den Lippen und eine unsichtbare Last fiel mir von den Schuldern.
"Oh, dass wusste ich nicht", meinte die Kleine, "Das tut mir Leid."
"Es weiß auch keiner", rutschte es aus mir hinaus.
"Und was ist mit deinen leiblichen Eltern?", fragte sie.
Ich schluckte schwer, war es doch nach wie vor ein heikles Thema.
"Ich weiß nur, dass sie Mel und Steven hießen", ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
Ihre Augen weiteten sich.
"Was?", unbeholfen musterte ich sie.
"Ich kenne glaube deine Eltern", meinte sie überrascht, "Sie sind Krieger von uns gewesen. Mel erzählte jeden Tag wie schrecklich es sei, sein eigenes Kind weggeben zu müssen und es nicht sehen kann, auch Jahre lang danach. Sie vermisste es unheimlich. Doch der Krieg forderte Opfer und Kinder sind nicht ausgeschlossen. Sie waren wundervolle Menschen, doch der Krieg holte auch sie zu sich."
Warme Tränen rannten über meine Wangen.
Meine Eltern wollten mich nie weggeben, sie wollten mich nur beschützen.
Dankend nahm ich sie in die Arme, auch wenn ich sie nie persönlich treffen werde.
"Wir sollten zurück", meinte ich, "Sonst dreht Sushi noch durch."
Sie lachte herzhaft und stand dann von der unbequemen Bank auf.

Zerbrochene Welt (Eskimo Callboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt