Über den Dächern Moskaus

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~Vanessa~

Ruckelnd setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung um gleich wieder stehen zu bleiben.
Die Lampen an den Seiten erloschen augenblicklich.
Es hab eine Sache die ich auf der Welt hasste.
Und dies waren enge Räume, die verschlossen waren!
Genau wie dieser Fahrstuhl!
Nervös blickte ich zu Till, der seine Handytaschenlampe angeschaltet hatte.
„Nur ein kleiner Stromausfall“, meinte er gelassen.
Wie konnte er bloß so ruhig bleiben? „Alles in Ordnung?“, fragte der Riese besorgt.
„Ja, alles bestens“, antwortete ich sarkastisch, „Wenn man auf enge Räume steht!“
Till lachte leise.
„Der gefährlichste Drache hat Angst vor engen Räumen“, kicherte er weiter.
„Jeder hat doch vor etwas Angst!“, maulte ich zurück.
„Wir könnten auch einfach durch die Wände gehen, doch dann wüsste jeder, dass ich auch ein Drache bin“, schlug er brummend vor.
„Nein, nein es wird schon gehen“, winkte ich ab, „Sag mal hast du Netz?“ Er schüttelte den Kopf, wodurch die Panik schneller durch meinen Körper kroch und allmählich die Oberhand gewann.
Ich wollte hier raus!
Definitiv!
Sucht überhaupt jemand nach uns? Autonom begann mein Körper zu zittern.
Tills grüne Augen musterten mich besorgt, während er sich an der metallischen Wand hinuntergleiten ließ.
„Komm her“, der Berg breitete freundlich seine Arme aus.
Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen im schwachen Schein der Handytaschenlampe.
Zögernd stand ich vor ihm, bis ich mich in seinen Schoß setzte und meinen Kopf auf seine Brust betete. Beschützend schlang er seine Arme um meinen bebenden Körper.
Wir hangen irgendwo zwischen dem zweiten und dritten Stock. Wer sollte uns schon in dieser Lage sehen? Seinen Brust hebte und senkte sich gleichmäßig, was mich langsam beruhigte.
Sanft strich er mit seiner großen Hand durch meine Haare.
Wie lange sollten wir eigentlich noch hier drinsitzen?
Wie aus heiterem Himmel öffnete sich plötzlich die Luke auf dem Fahrstuhl und ein heller Lichtschein drang hinein, danach tauchte ein Kopf mit Helm auf.
„Hier sind sie!“, rief er nach oben.
Till hob mich vorsichtig an den Hüften hoch zu dem Feuerwehrmann, der mich auf dem Dach des Fahrstuhls in ein Seil hängte.
Endlich stand ich im Flur, wo die Eskimos erleichtert ausatmeten. Meine Beine waren wie Pudding, hätte mich Sushi nicht sofort in eine Umarmung gezogen wäre ich wahrscheinlich hingefallen.
Suchend richtete ich meine Augen auf die aufgestemmte Tür bis eine schwarze Gestalt auftauchte.
„Was ist eigentlich hier los?“, fragte ich neugierig in die Runde.
„Der Strom ist ausgefallen“, antwortete Simon, „Der Strom wird auch noch für ein paar Stunden wegbleiben. Ein Trafo hat seinen Geist aufgegeben.“
„Gut, dass wir draußen sind“, lachte Till. Der Rest schaute ihn verwirrt an. Wussten sie doch nichts von meiner Platzangst, dass sollten sie auch nicht. Ich musste ihnen ja nicht alles erzählen.
„Wie geht es eigentlich dem Rest?“, versuchte ich unbemerkt das Thema zu wechseln, was auch klappte.
„Die schlafen ihren Rausch aus“, zuckte David mit den Schultern. „Wollen wir noch irgendetwas erledigen oder schon ins Bett?“, fragte Danskimo in die Runde.
„Also wir gehen schon mal ins Bett“, zog Kevin Pascal in das Zimmer und schloss die Tür.
Kopf schüttelnd blickten wir ihnen nach.
Quietschend öffnete sich eine Stahltür aus der Richtung von Daniels Handylicht.
„Ich glaube diese Treppe führt zum Dach“, rief er durch den fast dunkeln Flur, die Handytaschenlampen waren die einzigen Lichtquellen.
„Hat wer Höhenangst?“, scherzte der Bassist.
Leicht wurde ich in die Rippe gestochen und ich wusste genau wer es war.
Till lächelte mich amüsiert an, doch ich schüttelte mit dem Kopf.
Die Metalltreppe ächzte bei jedem Schritt.
Behutsam schlich ich hinter David her, hinter mir erklimmte Sushi die Stufen.
Ein kühler Wind wehte uns auf dem Dach entgegen, während wir in den Sternenübersäten Himmel blickten. So viele Sterne hatte ich noch nie gesehen. Kein Wunder, wenn die Lichter erloschen waren. Vereinzelt standen Kerzen in den Fenstern. Verträumt lehnte ich mich an meinem, der die Arme um mich schlang.
„Es ist wunderschön hier“, flüsterte Daniel, „Ich verstehe nicht wieso die anderen Beiden nicht mitwollten. „Die sind anderweitig beschäftigt“, kommentierte Danskimo kühl.
„Das kann man auch später machen“, nörgelte der Drummer.
Nach einiger Zeit verschwanden David, Daniel und Danskimo in ihre Zimmer um ein wenig zu schlafen. Der Strom war noch immer nicht zurück.
„Ich werde mich jetzt auch auf den Weg ins Bett machen“, stand Sushi auf, „Kommst du mit?“
„Ich würde gerne noch ein bisschen hierbleiben“, schaute ich ihn liebevoll an.
Er rang mit sich, dass war ihm deutlich anzusehen.
Sanft legte er seine Lippen auf meine, was einen angenehmen Schauer durch meinen Körper jagten ließ. „Mach aber nicht so lange“, zwang er sich zu einem Lächeln, „Gute Nacht.“ Poldernt fiel die schwere Metalltür in das Schloss.
„Was ist denn mit dem los?“, fragte Till mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Er ist eifersüchtig“, murmelte ich. „Auf wen denn?“ Ich hob meinen Blick und schaute ihn direkt an.
„Auf dich!“
Der Sänger fiel aus allen Wolken. „Auf mich?“, stotterte er, „Wieso, dass denn?“
„Weil wir uns gut verstehen.“
„Er kennt aber den Grund nicht dafür“, meinte der Berg ruhig, „Er soll sich Mal nicht so anstellen.“
Zur Bestätigung nickte ich.
Sushi übertrieb tatsächlich ein bisschen.
Oder war seine Eifersucht berechtigt? Schließlich saßen wir dicht nebeneinander auf dem Dach eines Hotels über uns prangte der Sternenhimmel.
An Romantik fehlte es hier definitiv nicht.
Und wie oft hatte ich mich in letzter Zeit nachts aus dem Zimmer geschlichen um mit ihm zu fliegen? Mein Freund bekam von den nächtlichen Ausflügen nichts mit, was wahrscheinlich auch besser so war. Machte sich Till dadurch Hoffnungen bei mir?
Ich endschloss mich auch in das Bett zugehen und stand in einer fließenden Bewegung auf, as mir der Sänger gleichtat.
„Wo willst du hin?“, fragte er etwas verwirrt, „Willst du vor mir flüchten?“
„Nein“, ich blickte zu ihm hoch, „Ich will nur ins Bett.“
Er stand so dicht vor mir, dass ich seine Körperwärme spürte und sein Deo roch.
Und dann küsste er mich.         

Zerbrochene Welt (Eskimo Callboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt