Plötzlich Vorband

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~Vanessa~

Völlig verschwitzt hechtete ich die kleine Treppe neben der Bühne hinunter.
Kurze Pause, dann standen die zahlreichen Zugaben an, die mit Engel von Rammstein starteten.
Dafür mussten wir uns aber noch umziehen. Ich zog mich in schwarze enge Leggins und einem schwarzen Kleid um, schneeweiße Engelsflügel zierten meinen Rücken.
Sushi trug ebenfalls enge schwarze Klamotten und weiße Engelsflügel, Kunstblut klebte an unsere Haut.
Wir hatten für diesen Song sogar ein wenig Pyrotechnik, wo wir höllisch aufpassen mussten, damit uns nicht die Augenrauen abbrannten. Danskimo begutachtete sich skeptisch im Spiegel, der an der Wand hing. Seine Arme dunkelrot vom vielen Kunstblut, was auf den Boden tropfte. Ein Kunstwerk von Pascal, wie bei den anderen.
„Weniger hätte auch gereicht“, murmelte Danskimo, „Da sind Jugendliche im Publikum, die sich nicht erschrecken sollen.“
„Ach, die können das schon ab“, winkte der Orangehaarige ab, „Wenn wir schon ein Lied von Rammstein covern müssen wir auch annährend so aussehen.“
„Da hat er recht“, bekräftigte Jappo seine Aussage, „Allerdings solltet ihr euch beeilen! Ihr müsst gleich wieder auf die Bühne!“
Die Fans hatten mich warmherzig aufgenommen, als sie erfahren hatten, dass ich den ganzen Abend auf der Bühne stehen würde und Kevin das Bett hütet. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung in der Halle, die beiden Männer saßen immer noch friedlich auf der Empore. „Noch eine Minute“, dröhnte Simons Stimme hinter der Bühne, während die Fans lautstark Zugabe brüllten. Die Lichter erloschen und das theatralische Pfeifen von Engel drang ungezügelt aus den Boxen.
„Wer zu Lebzeit gut auf Erden. Wird nach dem Tod ein Engel werden“, betrat Sushi die Bühne, wobei die Scheinwerfer nur auf ihn gerichtet waren, bevor sie einen wilden Tanz begonnen.
Die Menge sang kraftvoll jedes Wort mit, was mir eine angenehme Gänsehaut bereitete.
„Erst wenn die Wolken schlafen gehen. Kann man uns am Himmel sehen“, betrat ich die Bühne, umhüllt mit dem grellen Licht eines Scheinwerfers, „Wir haben Angst und sind allein.“
„Gott weiß ich will kein Engel sein“, hielt Sushi sein Mikrofon in die tobende Menge.
In der Mitte hatten sich einige Moshpits gebildet. Freudig sprang ich kurzer Hand von der Bühne und stellte mich ein paar Meter von Sushi entfernt ebenfalls auf das Geländer der Barrikade. Im Hintergrund lief bereits das Intro für
'We are the mess'. Lächelnd klatschte ich die vielen Hände vor mir ab. Nach weiteren sieben Songs war die Setlist zu Ende und wir verschwanden hinter die Bühne, nachdem wir uns ordnungsgemäß verabschiedet hatten.
Die Gestalten hockten nicht mehr auf der Empore.
Hatte ich sie mir nur eingebildet? Nein, das konnte nicht sein Jappo hatte sie ja auch gesehen.
„Du warst großartig!“, strahlte mein Freund über das ganze Gesicht und wollte mich Umarmen, als er in der Bewegung innehielt.
Die anderen Jungs bewegten sich auch nicht mehr, standen dort wie angewurzelt. Langsam drehte ich mich um und blickte gegen eine schwarze muskulöse Wand.
Verwirrt legte ich den Kopf in den Nacken, um zu sehen das mich zwei grüne Augen neugierig musterten. Da stand niemand geringeres als Till Lindemann.
„Oh“, war das Einzigste was über meine Lippen kam, was den riesigen Mann leicht zum Grinsen brachte. „Super Auftritt“, meinte er mit tiefer Stimme.
Meinte er dort mit die Band oder nur mich?
„Danke!“, fand Danskimo zuerst seine Stimme wieder.
Seine Augen glühten förmlich vor Nervosität. Langsam kam wieder Bewegung in die Truppe. Till stand immer noch gefährlich nah vor mir. Im Augenwinkel bemerkte ich Sushi, der ihm einen warnenden Blick zu warf. 'Fass sie an und du bist Tod! ' Unwillkürlich verdrehte ich die Augen. Irgendetwas faszinierte mich an diesem Mann, doch konnte ich nicht sagen was. Neugierig beobachtete ich den Sänger vor mir, der mich genauso eindringlich studierte. Schnaubend zog Sushi davon.
„Man ist das ein Irrgarten hier“, fluchte Flake. Till wand sich grinsend zu ich ihm um.
„Also ich habe den Weg ohne Probleme gefunden“, sein Grinsen wurde breiter.
„Kein Wunder. Du bist ja auch…“, er wurde unsanft unterbrochen, als Till ihm in die Seite stach.
Skeptisch hob ich eine Augenbraue. Etwas verbarg der muskulöse Mann. Flake funkelte ihn böse an und rieb sich dabei theatralisch die Seite.
„Ihr fragt euch bestimmt warum wir hier sind“, fragte Till und ein einstimmiges Nicken machte die Runde, „Na, ja wir wollen Mal was Neues auf unseren Konzerten bieten und da dachten wir an eine Vorband. Wir verfolgen euch schon länger und auch eure Musik. Nun, ja wir hätten euch gerne als Vorband.“
Uns fielen praktisch die Augen raus und uns klappte die Kinnlade hinunter. Träume ich oder hatte Till gerade wirklich gefragt ob wir die Vorband von Rammstein sein wollen? „Ich glaube die brauchen noch ein bisschen um es zu verdauen“, lachte der Keyboarder.
Die grünen Augen schienen an mir zu kleben, beschämt want ich mich ab. „Ja, klar gerne, sind wir eure Vorband“, sprang Simon wie ein Kind herum.
Die beiden Rammsteiner lachten.
„Ihr habt doch mit Sicherheit irgendetwas zum Trinken hier oder?“, Till hob wissend eine Augenbraue. „Du alte Saufnase!“, neckte Flake ihn. Jappo kam mit einem Armvoll Schnapsflaschen um die Ecke.
„Wehe ihr seid wieder so gierig!“, mahnte er, „Es gibt so etwas, was man Gläser nennt.“
„Kleines Trinkspiel, Herr Lindemann?“, provoziert hob Sushi eine Augenbraue und setzte sich an den Tisch.
„Von mir aus gerne“, setzte sich Till ebenfalls.
„Ich hoffe ihr müsst morgen keine Show spielen“, flüsterte Flake.
„Keine Sorge mein Freund verträgt so einiges“, antwortete ich gelassen.
Der Rest der Callboys lachte, wussten sie doch auch, dass man uns nicht betrunken bekommt.
Till riss die Augen weit auf, als ich sagte er sein mein Freund. Der Rammsteinsänger nahm sich eine Flasche des guten Schnapses und drang sie auf Ex.
Jappo schlug sich empört die Hände vor das Gesicht. Wusste er doch jetzt schon, dass er Morgen neuen Alkohol besorgen konnte. In Rekordzeit leerten sie die Flaschen, als sei es harmloses Wasser.
„Du kannst ordentlich etwas wegkippen“, meinte Till beeindruckt, während er die leere Flasche auf den Tisch stellte, „Habt ihr noch was?“
„Nein, das war alles!“, stöhnte Jappo, „Du bist genauso eine Saufnase wie der Haufen hier und diese Dame.“ Überrascht zog er eine Augenbraue hoch. Skeptisch begutachtete ich den Flaschenwald auf dem Tisch.
Konnte es sein?
Konnte es sein, dass Till auch ein Drache war?
Anderes konnte ich mir nicht erklären, warum er noch nicht aus den Schuhen gekippt war.
„Ich würde sagen wir legen uns jetzt mal auf das Ohr“, gähnte Sushi herzhaft und stand mühelos auf. Kerzengerade lief er zu mir, was ihn einen verwirrten Blick von den beiden Männern einbrachte.
„Wir sehen uns“, verabschiede ich mich und hackte mich bei Sushi ein. Lachend betraten wir das Freie. Der Blick von Flake war unbezahlbar, als er realisierte, dass keiner von den Beiden betrunken war.          

Zerbrochene Welt (Eskimo Callboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt