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Letztlich brauchte ich gar nicht zu der Notlüge greifen, denn vor Erschöpfung war ich bereits sitzend auf dem Sofa mit dem Laptop noch auf dem Schoß eingeschlafen, wie mir Patrick am nächsten Morgen berichtete. Er hatte es aber akzeptiert, getrennt zu schlafen, hatte den Laptop auf den Tisch gestellt, zugeklappt und anschließend mich zugedeckt. Trotzdem fühlte ich mich am nächsten Morgen noch wie gerädert. Der vorherige Tag war lang gewesen, aufwühlend und emotionsreich, die Nacht hingegen viel zu kurz, und um ehrlich zu sein, die Couch zum schlafen nicht die bequemste Variante, aber ich hatte es mir ja so selbst ausgesucht.
Immer noch total fix und alle schlurfte ich in die Küche und setzte erstmal eine große Kanne extra starken Kaffee auf, damit ich die nächsten Stunden irgendwie halbwegs überstand und setzte mich anschließend raus in den Gaeten. Auch wenn es recht teuer war, für drei Tage knapp 1000€ zu bezahlen, es war schlicht und ergreifend wunderschön hier. Der Garten verlief sich, war verwinkelt und überall entdeckte ich neue Blumen, viele Schmetterlinge, diverse Wildkräuter und noch mehr Wildblumen. In der Ferne hörte ich dazu Möwe schreien und ganz leise das Meer. Ich hatte eine Kleine Bank entdeckt, setzte mich und schloss meine Augen, während ich meinen Pott Kaffee fest umklammert hielt. Ich genoss die Ruhe... die Ruhe vor dem Sturm, der mir bevorstand. Ich wusste, das ich Dinge hören würde, die ich eigentlich nicht hören wollte, es Patrick aber anscheinend so wichtig war, mir diese mitzuteilen, das ich zwangsläufig mir das anhören musste... vielleicht sollte ich mir einreden, das ich das auch hauptsächlich für ihn tat, für seine Karriere, für seine Band, das er danach wieder vernünftig arbeiten konnte und... „Good Morning Sunshine... hast... hast du ... gut geschlafen?" Patrick stand plötzlich vor mir, ebenfalls eine große Tasse Kaffee in der Hand und sah mich unsicher an. Er konnte es einfach nicht seien lassen, mich Sunshine zu nennen, das tat er auch gern schonmal in der Gegenwart der Jungs, oder Pino, dass ich innerlich immer eine Faust machte. Da ich den Tag aber nicht direkt mit einem Streit beginnen wollte, verkniff ich es mir, was dazu zu sagen, denn so wie er aussah, war seine Nacht nicht besser gewesen wie meine. Tiefe Augenringe zeichneten sich bei ihm ab und obwohl er schon geduscht zu haben schien, standen seine Haare quer in alle Richtungen ab. „Anscheinend genauso gut oder schlecht wie du...", antwortete ich ihm. „May I?", fragend deutete er auf den  Platz neben mir. „Klar...", ich rutschte etwas zur Seite, damit er sich setzen konnte. „Schön hier oder?", versuchte ich die unangenehme Stille und Verkrampftheit zwischen uns nicht noch weiter ausufern zu lassen. „Hm...", war das einzige, was ich als Antwort bekam, bis er anscheinend doch wieder zu seiner Sprache zurückfand. „Du Lilly, ich wollte ja mit dir reden, und da wir ja auch später zurück fahren und ich nicht weiß, wie und überhaupt, also da dachte ich... naja dann haste es halt hinter dir, denn wirklich freiwillig biste ja nun nicht hier und ich will dich auch nicht aufhalten und...", ich merkte wie angespannt und nervös er war, auch total unsicher, wie er mit mir umgehen sollte. Die letzten Wochen war immer jemand dabei, wenn wir aufeinander trafen, oder die Zeit, die wir alleine waren, zu kurz um solche Situationen entstehen zu lassen.  „Patrick, wir haben alle Zeit der Welt, wir fahren nachher nicht zurück. Ich hab das Haus für drei Tage gemietet. Zudem denke ich nicht, das das hier im Schnellverfahren erklärt ist deinerseits, oder?", kaum merklich schüttelte er den Kopf. „Ich hab Pino versprochen, unabhängig davon mit dir zu reden, das du auch zur Ruhe kommst. Und ganz ehrlich, ich brauch auch Ruhe... das Reden läuft uns nicht weg... lass uns was frühstücken und zum Meer anschließend laufen und schauen was der Tag bringt... alles langsam, ohne Druck... und vielleicht nicht alles auf einmal, sondern Stück für Stück... du darfst nicht vergessen, dass das hier auch für mich alles andere als leicht ist. Es hatte einen Grund, warum ich keine Erklärung wollte..." „Wegen Mark und mir letztes Jahr..." „Auch... Patrick, ich hab euch gesehen... mir erschließt sich nicht die Logik, was du mir daran erklären willst, denn die Tatsache, was du da gemacht hast, war sehr eindeutig, aber gut... ich habe es dir versprochen..." „You need not, if you..." „Das weiß ich, aber es ist dir wichtig, und vielleicht ist es  doch gut, ich weiß es doch auch nicht, aber ich bin doch hier mit dir, oder?" „Ja..." „Sollen wir dann?" „I need one moment.... ok?" „Klar, komm einfach nach... irgendwelche Wünsche oder reicht dir Porridge und Obst?" „Sounds great!", lächelte er gequält und ich ging rein.
Nach zwanzig Minuten war das Porridge fertig, nur Patrick war immer noch nicht rein gekommen, aber wie schon in der Vergangenheit, wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann..., dachte ich mir, nahm sein Frühstück und ging zurück zur Bank, wo er immer noch saß, in den Garten starrte und weinte. Von weiten sah ich bereits, wie die Tränen seine Wangen herunterliefen und ich atmete tief ein. Mir ging es doch genauso, nur versuchte ich es die ganze Zeit herunter zu schlucken und nicht überhand gewinnen zu lassen.  Als Patrick mich schließlich bemerkte, drehte er sich kurz weg und wischte sich seine Tränen mit dem Ärmel seines Hoodies weg und schniefte kurz auf. Ich reichte ihm seine Schale, die er dankend annahm und nur kurz „Sorry...", murmelte. „Nein nicht...", sagte ich und fragend sah er mich an. „Versteck es nicht und schäm dich nicht auch noch dafür..." „But you said... the last time... I..." „... da war ich sauer... wütend, aufgebracht, enttäuscht und traurig..." „Bist du das jetzt nicht mehr?" „Doch schon, aber anders halt... komm iss endlich was... Ja? Bist du dann soweit fertig? Ich würde mir schnell noch was anziehen und dann können wir zum Strand..." Er nickte und ich war nochmal froh aus der Situation entfliehen zu können.
Eine halbe Stunde später liefen wir schweigend nebeneinander her, an den Klippen entlang um eigentlich zum Strand runter zu gehen. Die Aussicht war toll, die Sonne schön und wärmte einen, das Patrick sich spontan entschied sich einfach ins Gras zu setzen und aufs Meer zu blicken, was ich ihm dann gleich tat. Den ganzen Weg bisher hatte wir beide unseren Gedanken nachgehangen, dazu das penetrante Schweigen, also viel mir nichts besseres ein, als zu sagen: „Schön ist es hier, findest du nicht?!" Wie aus dem nichts kam aber eine ganz andere Reaktion von ihm. „Du fehlst mir... it's eating me up inside, my heart... it's burning like hell..."

Kenmare... wo sich Zukunft mit Vergangenheit verbindetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt