Tschüss Heimat

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Drei Tage nach der Beerdigung von Susan flog ich erstmal zurück nach Hamburg, diesmal nur nicht allein. So kompliziert das deutsche System war, so einfach und unkompliziert ging es in Irland. Zwei Wochen war ich dort gewesen, und in den zwei Wochen konnte ich schnell alle Formalitäten für Rose klären. Ihr Reisepass wurde ausgestellt, die Fürsorge erstmal auf mich übertragen, so wie es Susans Wunsch war und der Nachlass geregelt. Ich war nun gemeinsam mit Rose die Eigentümerin von Susans Haus. Das wunderschönes alte irische Haus am Meer, mit dem Rosengarten, den kleinen Koi Teich mit dem grauen Buddha davor, seitlich ein kleiner angelegter Zengarten und der Rest, mit viel Liebe zum Detail. Susann war Floristin gewesen, liebte die Natur und zeigte dies auch in ihrer Arbeit. In Kelmare besaß sie einen kleinen Blumenladen, den ich nun auch übernehmen sollte. Unabhängig davon, dass ich nicht sonderlich viel Ahnung von Blumen und Pflanzen hatte, und es sogar schaffte, das selbst Plastikpflanzen in meiner Wohnung eingingen, wusste ich auch nicht, wie ich mit einem Säugling den Laden führen sollte. Darum wollte ich mich später vor Ort kümmern. Nun hieß es für mich erstmal eine Lösung zu finden, meinem Arbeitgeber die neue Situation zu erklären, in der Hoffnung, ich könnte vielleicht in Irland weiter für die Spedition tätig sein, meine Eigentumswohnung soweit fertig zu machen, das meine Spedition den Umzug nach Irland schnellst möglich über die Bühne bekommen konnte und einen Mieter zu finden, womit ich einen Makler beauftragen wollte, und das mit einem zwei Wochen alten Säugling.

Was hatte sich Susan dabei überhaupt gedacht, mir sowas abzuverlangen. Ich mochte Kinder, gar keine Frage, aber selber welche haben wollen, das wollte ich nie. Meine Karriere, mein Leben, was ich mir aufgebaut hatte, die vielen Reisen... in dieses Leben passte weder ein fester Partner noch ein Kind.Bis jetzt... Nun musste ich mein selbstbestimmtes Leben komplett auf den Kopf stellen, und das mit einem Neugeborenen. Bisher lief es sehr friedlich und ruhig ab. Rose war umgänglich, zufrieden, wenn ich sie einfach im Tragetuch hatte, und wimmerte nur leicht, wenn sie Hunger bekam. Jedenfalls war es bisher so gewesen... zurück in Hamburg änderte es sich Schlagartig. Rose schrie von Morgens bis Abends, und die Nacht durch, ihr kleiner Körper spannte sich an, Trinken wollte sie auch recht wenig und die Situation überforderte mich total. Ich hatte schlichtweg keine Ahnung, was ich tun sollte, fuhr also ins nächstgelegene Krankenhaus um der Ursache auf den Grund zu gehen. Meine größte Sorge dabei war, das sie doch ernsthaft krank war, wie ihre Mutter...  doch es stellte sich heraus, das die Kleine bereits an Blähungen litt, den sogenannten Drei -Monats-Koliken. Ich starrte die Ärztin mit einem dicken Fragezeichen im Gesicht an, denn was ich nun zu tun hatte, wusste ich immer noch nicht. Man riet mir, eine Hebamne zu suchen, oder auch an Kursen teilzunehmen, Bücher zu lesen und selbst einfach mal zur Ruhe zu kommen, denn meine Angespanntheit würde sich ebenfalls aufs Kind übertragen. Sie hatten alle gut reden... wie sollte ich das denn noch bewerkstelligen... der Tag hatte nur 24 Stunden, und aktuell benötigte ich eher 48 davon... Das Gespräch in der Spedition stand bevor, der Umzug... Papiere, die ich noch beantragen musste... sonst war ich taff, eine Frau die mit beiden Beinen im Leben stand, dich seltenst aus der Ruhe bringen lassen konnte, verantwortlich fur über 700 Mitarbeiter war, und so ein kleines Wesen brachte mich nun an den Rand der Verzweiflung.

Nach weiteren Tagen und Nächten ohne wirklich viel Schlaf, jeder Menge Geschrei von Rose und unendlich viel Arbeit, die die kommenden Tage noch Anstand, lag ich mit der Kleinen auf meiner Brust liegend auf meinem Sofa. Das erste Mal seit wir in Deutschland waren schlief das kleine Bündel total entspannt, das auch meine Anspannung endlich abfiel... ich hatte mich morgens Kurzfristig mit einer hiesigen Hebamme in Verbindung gesetzt, ihr kurz sachlich die Problematik erklärt und sie kam kurzer Hand vorbei. Rose Bauchschmerzen und Koliken kamen vom Milchwechsel, denn da ich überhaupt keine Ahnung hatte, hatte ich im Supermarkt nach kurzem nachfragen einfach ein paar verschiedene Pakete Anfangsmilch geholt. Großer Fehler, wie sich die letzten Tage zeigte. Natürlich machte ich mir die größten Vorwürfe, das die kleine durch meinen Fehler so litt, aber die Hebamme beruhigte mich. Außer Bauchschmerzen hätte es der Kleinen keinen Schaden gebracht. Sie erkundigte sich sofort, welche sogenannte Pre Nahrung ich ebenfalls in Zukunft in Irland problemlos bekommen könnte, besorgte davon drei Pakete und gab mir noch Tropfen, die ich der Milch hinzugeben sollte. Und siehe da, endlich konnte Rose erstmal beschwerdefrei schlafen. Und auch ich fand etwas Schlaf. Das war auch dringend nötig, denn am folgenden Tag stand das Gespräch mit meinem Vorgesetzten an. Ihn hieß es davon zu überzeugen, irgendwie im Homeoffice von Kenmare aus zu Arbeiten, in weiser Voraussicht, das er bedenken wegen dem Kind haben würde...

Und ich sollte recht behalten. Mein Chef war alles andere als angetan von meiner Bitte. Er war eh schon nicht sonderlich davon begeistert gewesen, das ich so spontan Sonderurlaub brauchte und nach Irland flog. Nach endlosen zwei einhalb Stunden hatte ich ihn soweit. Drei Monate gab er mir Zeit, alles zu bewerkstelligen, und im Homeoffice genauso gute Arbeit zu leisten wie vor Ort. Natürlich mit diversen Auflagen. Minimum einmal im Monat sollte ich zu Meetings für zwei Tage nach Hamburg kommen, mir ein separates Office mit vernünftiger Telefonanlage mieten, die Kosten sollten allerdings dafür übernommen werden und mir sollte klar sein, das ich weiterhin min 45 Stunden die Woche arbeiten sollte, bei gleicher Entlohnung. Wie ich das mit Rose schaffen sollte, wusste ich zwar noch nicht, aber mir würde schon noch was einfallen, dachte ich...

Und dann ging plötzlich alles ganz schnell, zehn Tage später stand der 7,5 Tonner meiner Spedition vor der Tür und meine Kollegen verfrachteten mein Hab und Gut auf den LKW. Ralf, ein langjähriger Freund übernahm mit den restlichen Möbeln vorübergehend meine Eigentumswohnung, sodass ich auch Weiterhin hier als zweiten Wohnsitz gemeldet seien konnte und nicht jeglichen Bezug zu Deutschland verlor. Ich selbst fuhr mit meinem Mini voraus, denn da Susan kein Auto besaß, wollte ich auf diesen Luxus nicht verzichten. Früh um Acht fuhr ich los...  knapp 1800 km lagen vor mir. Über Antwerpen, nach Calais, weiter mit dem Eurozug sodass ich in Canterbury die erste Nacht schlafen wollte. Weiter war geplant Richtung Bristol an London vorbei zu fahren, in Wales dann die Fähre zu nehmen und dann von Wexford weiter nach Kenmare zu fahren... Rückblickend muss ich sagen, wäre ich besser nicht gefahren...,

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